100/SBI XXV. GP

Eingebracht am 31.08.2015
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

Logo Bundesministerium für Gesundheit

 

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

Organisationseinheit:

BMG - I/A/15 (Ministerrat)

Sachbearbeiter/in:

Elke Wyschata

E-Mail:

elke.wyschata@bmg.gv.at

Telefon:

+43 (1) 71100-4894

 

 

Geschäftszahl:

BMG-11000/0043-I/A/15/2015

Datum:

18.08.2015

 

 

 

E-Mail:

NR-AUS-PETBI.Stellungnahme@parlament.gv.at

 

 

 

 

Bürgerinitiative Nr. 74/BI betr. Lebenskompetenz Ernährung im Schulsystem

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 7. Juli 2015, GZ. 17010.0020/35-L1.3/2015, wird seitens des Bundesministeriums für Gesundheit zu den Forderungen der im Betreff genannten Bürgerinitiative Folgendes ausgeführt:

 

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat in den letzten Jahren einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Ernährungssituation der Bevölkerung gelegt und den Nationalen Aktionsplan Ernährung (NAP.e) entwickelt und in Umsetzung gebracht. Ernährung ist eine wichtige Säule der Gesundheit und zwei Drittel der heute häufigsten chronischen Erkrankungen haben einen Ernährungsbezug.

 

Der NAP.e legt Ernährungsziele fest, beschreibt ernährungspolitische Handlungsfelder und bündelt Strategien und Maßnahmen. Die gemeinsame Planung und Steuerung von Projekten und Aktivitäten unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Mischung aus verhältnis- und verhaltenspräventiven Maßnahmen führt zu einem effizienten und effektiven Mitteleinsatz, um für alle Menschen in Österreich die gesündere Wahl zur leichteren zu machen.

 

So wird auf die Schaffung von Bedingungen, die ein gesundheitsförderliches Ernährungsverhalten unterstützen ebenso Wert gelegt wie auf die Steigerung der individuellen Ernährungskompetenzen und breite Bewusstseinsbildung ohne erhobenen Zeigefinger. Essen und Trinken sind vor allem emotionale und soziale Handlungen, der Gesundheitsaspekt tritt aber erfreulicherweise in den letzten Jahren immer mehr in der Vordergrund, was nicht nur, aber auch auf die Aktivitäten im Rahmen des NAP.e zurückgeführt werden kann.

 

Die Basis für eine gesundheitsförderliche Ernährung bildet sich bereits während der Kindheit und Jugend. In dieser Zeit werden Gewohnheiten und Verhaltensmuster erlernt und gefestigt. Darum ist einer der Schwerpunkte des NAP.e die Förderung eines günstigen Ernährungsverhaltens bei Kindern und Jugendlichen.

 

Da Kinder und Jugendliche viel Zeit in der Schule verbringen, wird auch dort angesetzt. Im Jahr 2011 wurde die Initiative „Unser Schulbuffet“ ins Leben gerufen, um das Verpflegungsangebot an Schulbuffets gesundheitsförderlicher zu gestalten und so die gesündere Wahl zur einfacheren zu machen. Schulbuffetbetreiber/innen werden von mobilen Coaches bei der Umstellung ihres Warenkorbes unterstützt. Die Grundlage dafür bildet die 2011 veröffentlichte Leitlinie Schulbuffet, die erstmals in Österreich ernährungsqualitätsbezogene Mindeststandards für das Angebot an Schulbuffets festlegt. Die mobile Beratung ist für die Buffetbetriebe kostenlos und wird individuell nach den Anforderungen des Standortes von eigens geschulten Ernährungsfachkräften durchgeführt. Schulung und Beratung sind qualitätsgesichert. Die Beratung zielt darauf ab, durch einfache umsetzbare Schritte zu einer Veränderung des Warenkorbes, orientiert an den Geschmacksvorlieben von Kindern und Jugendlichen, zu kommen. Auch Präsentations-, Marketing- und Preisüberlegungen sowie die Machbarkeit (beengte Räumlichkeiten in den Buffets, zur Verfügung stehende Koch- und Kühlmöglichkeiten, Personalintensität für neue Zubereitungen etc.) fließen standortspezifisch in die Beratungen mit ein, denn wenn das „gesunde Angebot“ von den Kund/inn/en nicht angenommen wird und diese sich ihre Jause von außerhalb der Schule besorgen, weil das Angebot am Buffet zwar gesundheitsförderlich umgestaltet wurde, aber unattraktiv oder lieblos präsentiert wird oder zu teuer ist, wird das Ziel, die gesündere Wahl zur leichteren zu machen, nicht erreicht. Auch wirtschaftliche Überlegungen aus Sicht der Buffetbetreiber/innen flossen in die Beratungen mit ein und wurden bei den Umsetzungstipps berücksichtigt. Für die Buffetbetriebe müssen die Vorschläge der Umgestaltung des Angebots zeitlich/wirtschaftlich umsetzbar sein.

 

Die Initiative „Unser Schulbuffet“ wurde 2011 – 2014 als Maßnahme des BMG in Kooperation mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), finanziert aus Mitteln der Bundesgesundheitsagentur (BGA), im Rahmen der „Vorsorgestrategie Ernährung“ der Bundesgesundheitsagentur und des nationalen Aktionsplans Ernährung umgesetzt. In dieser Zeit ist es gelungen, über 300 Schulbuffets und damit über 200.000 Schüler/innen zu erreichen. Diese Buffets und deren Kund/inn/en haben die Veränderungen auch positiv bewertet. Das veränderte Verpflegungsangebot wird durchwegs gut angenommen, wie die Evaluierung ergab. (siehe Link: http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Ernaehrung/Unser_Schulbuffet/Evaluierung/)

 

Seit dem Auslaufen der Finanzierung aus BGA-Mitteln wird die Initiative in einzelnen Bundesländern (Steiermark, Kärnten und Burgenland) weitergeführt, die in Kooperation mit geeigneten Partner/inne/n die Feldarbeit (Beratungen) weiterführen und finanzieren, koordiniert durch und qualitätsgesichert vom BMG. Die neuen mobilen Berater/innen werden vom BMG und der AGES geschult und arbeiten nach den bewährten Konzepten mit den bewährten Instrumenten.

 

Der Erfolg der Initiative „Schulbuffet“ zeigt, dass das Setting Schule dazu geeignet ist, das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen durch einfache und machbare Änderungen der Verpflegungsverhältnisse zu verbessern. Ein Erfolgsrezept dabei ist die persönliche Betreuung derer, die die Veränderungen umsetzen müssen und ein spielerisches Einbinden der Zielgruppe, die die veränderten Verhältnisse annehmen muss. Dies wurde im Rahmen der Initiative „Unser Schulbuffet“ durch die verschiedenen Marketingmaßnahmen (z.B. Sammelpässe) und einen Fotowettbewerb für Schüler/innen erfolgreich umgesetzt.

 

Neben den Veränderungen der Verhältnisse bemüht sich das BMG auch um eine Steigerung der Ernährungskompetenz der Bevölkerung durch Maßnahmen, die auf die Verhaltensebene abzielen. So wurden z.B. Materialien entwickelt, die niederschwellig über gesunde Ernährung informieren. Beispiele dafür sind die österreichische Ernährungspyramide und die österreichische Ernährungspyramide für Kinder, das Ernährungsonline-Spiel „Esspaar“, die Broschüre „Gesund genießen“ im Pixi Format und zahlreiche eigene Rezeptbroschüren oder solche, die in Kooperation mit Partner/inne/n entstanden sind, wie z.B. die Broschüre „Gesunde Jause von zu Hause“ (Kooperation mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger) oder „Herzstück Brot“ (Kooperation mit der Bäckerinnung und der Ärztekammer). Die genannten Materialien sind kostenlos beim BMG erhältlich.

 

Die Einführung eines Unterrichtsfaches „Ernährung und Verbraucherinnen- und Verbraucherbildung“ in Volksschulen und Schulen der Sekundarstufe I böte jedenfalls Potential im Bereich der Gesundheitsförderung, stellt aber didaktisch – falls das Potential ausgeschöpft werden soll – hohe Qualitäts- und Vermittlungsansprüche. Einfache Botschaften sind dabei genau so wichtig wie die Berücksichtigung der Lebenswelten und -wirklichkeiten der Kinder und Jugendlichen. Spielerische und genussorientierte Vermittlung von Handlungskompetenzen (richtig Einkaufen, richtig Genießen, Grundfertigkeiten der Lebensmittelzubereitung und Lagerung etc.) spielen hier eine entscheidende Rolle. Ein Unterrichtsfach, das Schüler/innen über die Grundzüge einer gesundheitsförderlichen Ernährung informiert und die nötigen Kenntnisse für ihre praktische Umsetzbarkeit theoretisch vermittelt, wäre vor allem wegen der zu erwartenden Bewusstseinsbildung von Nutzen. Praktischer Unterricht würde darüber hinaus Umsetzungskompetenzen vermitteln, die durchaus auch als „Lebenskompetenz“ bezeichnet werden können, erscheint aber im dicht gedrängten schulischen Alltag und den derzeitigen Rahmenbedingungen für die meisten Schulen schwierig umsetzbar (keine Küchen bzw. keine ausreichend geräumigen Zubereitungsräume, hygienische und lebensmittelrechtliche Vorgaben, Sicherheits- und Haftungsfragen bei regelmäßigen Exkursionen in Geschäfte etc.). Hinsichtlich einer Umsetzung wird auch auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Bildung und Frauen verwiesen.

 

Für einen theoretischen Unterricht erscheinen aus Sicht des BMG vor allem folgende Inhalte sinnvoll: Zusammensetzung einer ausgewogenen Ernährung nach neuesten wissenschaftlichen Standards, Grundzüge der Speisenzubereitung/Koch- und Küchentechniken, vor allem im Hinblick auf nährstoffschonende und fettarme Zubereitungsmethoden, Grundzüge der Hygiene, Tipps zum richtigen Einkauf und zur richtigen Lagerung, Informationen zu verschiedenen Techniken der Lebensmittelproduktion, Informationen zur Lebensmittelkennzeichnung und Vermitteln von Kenntnissen zum richtigen Lesen von Lebensmitteletiketten.

 

Bei Einführung des Unterrichtsfachs „Lebenskompetenz Ernährung“ wäre jedenfalls auch die Lehrer/innen-Aus- und Weiterbildung nach neuesten wissenschaftlichen Standards notwendig, akkordiert mit den aktuellen Informationsmaterialien des BMG. Aufgrund der Komplexität des Themenfeldes „Ernährung“ wären hier Ernährungswissenschafter/innen und/oder Diätolog/inn/en einzubinden.

 

Im Sinne der Chancengerechtigkeit sollte bei der Erstellung eines Lehrplanes und bei der Planung der Lehrer/innen-Aus- und -weiterbildung besonders darauf geachtet werden, allen, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft, den gleichen Zugang zu gesundheitsförderlicher Ernährung zu ermöglichen (Fokus Vermittlung von Umsetzungskompetenzen und auf Veränderung der Verhältnisse).

 

Das Bundesministerium für Gesundheit ist gerne bereit, seine Expertise und Erfahrungen für die Erarbeitung eines Lehrplanes und die Erarbeitung von Aus- und Weiterbildungsplänen für Lehrer/innen zur Verfügung zu stellen.

 

 

 

Für die Bundesministerin:

Irene Peischl

 

 

 

 

 

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