102/SBI XXV. GP

Eingebracht am 07.09.2015
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

per E-Mail

Parlamentsdirektion, Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen,

Bürgerinitiative Nr. 74 betreffend Lebenskompetenz Ernährung im Schulsystem; Ressortstellungnahme

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen erlaubt sich zu der Bürgerinitiative Nr. 74 betreffend Lebenskompetenz Ernährung im Schulsystem wie folgt Stellung zu nehmen:

Einleitend wird zu dieser Thematik Folgendes bemerkt: Bildung ist mehr als die Summe des Wissens, das in den einzelnen Unterrichtsgegenständen erworben werden kann. Der Bereich Ernährung und Gesundheit wird im Bildungsbereich „Gesundheit und Bewegung“ bzw. im Unterrichtsprinzip „Gesundheitserziehung“ definiert. Im Sinne eines ganzheitlichen Gesund­heitsbegriffs hat die Schule fächerübergreifend einen Beitrag zur gesundheits- und bewegungs­fördernden Lebensgestaltung zu leisten. Durch die Auseinandersetzung mit Gesundheitsthemen wie Ernährung, Sexualität, Suchtprävention, Stress ist sowohl das körperliche als auch das psychosoziale Wohlbefinden zu fördern.


Mit der Einrichtung der Koordinationsstelle „Gesundheitsförderung“ im Bundesministerium für Bildung und Frauen konnte einerseits die Kooperation mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger auf eine nachhaltige Kooperationsbasis gestellt werden, andererseits unterstützt eine Gesundheitsförderungs- strategie des Bundesministeriums für Bildung und Frauen die Qualitätsentwicklung der Schulen. Durch die Erarbeitung von Schulentwicklungsplänen, können sich Schulen in Richtung „Gesunde Schule“ oder „ÖKOLOG-Schule“ entwickeln. „Gesunde Schulen“ sowie „ÖKOLOG- Schulen“ definieren Ernährung als wesentlichen Handlungsbereich. Unterrichtsprojekte zu den Themen Umwelt und Gesundheit werden darüber hinaus vom Bildungsförderungsfonds für Gesundheit und Umwelt finanziell unterstützt.

Im Rahmen der Unterrichtsprinzipien „Wirtschafts- und Vebraucherlnnenbildung“ und „Umwelt­bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung“ werden Themen wie Konsum und Verbrauch von Lebensmitteln sowie gesunde Ernährung angesprochen und altersgerecht in allen Schul- stufen vermittelt. Dabei stehen ökologisches und nachhaltiges Konsumentenhandeln im Mittel­punkt der Vermittlungsarbeit. In diesem Zusammenhang wird auch auf den Grundsatzerlass zur Wirtschafts- und Verbraucher/innenbildung vom 30. Juni 2015 (Rundschreiben Nr. 15/2015) hingewiesen, der dazu motivieren soll, sich in allen Bildungseinrichtungen mit den im Erlass angesprochenen Themen aktiv und kritisch auseinanderzusetzen.

Ferner wird auf die Initiative „ÖKOLOG“ des Bundesministeriums für Bildung und Frauen hinge­wiesen, die Schulen motiviert, im Bereich Umweltbildung aktiv zu werden und diese Anliegen Schritt für Schritt anhand von konkreten Themen (wie zB. Gesunde Jause) sichtbar zu machen. Im Rahmen des Programmes ÖKOLOG (www.oekoloq.at) ist unter „Themen“ ein Dossier zu „Gesundheitsförderung - Gesunde Ernährung“ abrufbar und leistet Schulen und Lehrkräften Hilfestellung bei der Umsetzung. Dabei sind sowohl Erfahrungsberichte aus Volksschulen und der Sekundarstufe ebenso vorhanden wie Materialien für die Praxis im Unterrichtsalltag.

Unter den Materialien von Zentrum polis (www.politik-lernen.at) sind zahlreiche Materialien zur Konsumentenbildung erhältlich, die kostenfrei zur Verfügung stehen. Die Materialien können nach Themen und Schulstufen gefiltert werden und haben das Konsumentenverhalten als politisches und ökologisches Handeln zum Schwerpunkt.

Schließlich sind auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/prinz/wirtschaftserz_material.html) etliche weitere didaktische Materialien, Informationen und altersgerechte Spiele (Primarstufe bis Sekundar-   stufe II) bereitgestellt.

Zur Forderung der Einführung eines eigenen, obligatorischen Unterrichtsfaches im Bereich der Lebenskompetenzen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucherinnenbildung an Volks­schulen und an allen Schulen der Sekundarstufe I inklusive der AHS-Unterstufe sei Folgendes bemerkt:

An eine lehrplanmäßige Verankerung eines Unterrichtsgegenstandes im Bereich der Lebens­kompetenzen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucherinnenbildung an den Volks­schulen ist nicht gedacht, da im Rahmen der Unterrichtsprinzipien „Gesundheitserziehung“ und „Wirtschaftserziehung“ die genannten Inhalte fächerübergreifend behandelt werden und somit einer größeren Streuung unterliegen, als in Form eines Unterrichtsgegenstandes. Die genannten Inhalte werden im gültigen Lehrplan der Volksschule in mehreren Bereichen behandelt:

-       Zweiter Teil, Allgemeine Bestimmungen, 8. Unterrichtsprinzipien

(vgl. https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_vs_zweiter_teil_14041.pdf?4dzgm2):

„Der Schule sind viele Bildungs- und Erziehungsaufgaben gestellt, die nicht einem Unterrichts­gegenstand oder wenigen Unterrichtsgegenständen zugeordnet werden können, sondern nur fächerübergreifend im Zusammenwirken vieler oder aller Unterrichtsgegenstände zu bewältigen sind. ...“

So finden sich bei den Unterrichtsprinzipien die Punkte „Gesundheitserziehung“ und „Wirtschaftserziehung“, die einerseits die Vermittlung von gesundheitsbewusster Lebensführung einschließlich gesunder Ernährung, wie auch eine sinnvolle Konsumentenerziehung fächerüber­greifend beinhalten.

-      Siebenter Teil, A. Grundschule, Lehrplan für den Sachunterricht, Erfahrungs- und Lernbereich „Natur“

(https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_vs_7_su_14051.pdf?4dzgm2):

„Die Arbeit in diesem Teilbereich geht von den Erfahrungen und Begegnungen der Schülerinnen und Schüler mit der Natur sowie den Erfahrungen mit dem eigenen Körper aus. Anzustreben ist ein Verständnis für die Natur als Lebensgrundlage des Menschen und für den Menschen selbst als einen Teil der Natur. Der Unterricht soll über das Gewinnen von Grundkenntnissen und dem Erlernen fachspezifischer Arbeitsweisen zu verantwortungsbewusstem Verhalten gegenüber der Natur führen. Damit soll den Kindern auch die Bedeutsamkeit gesunder Lebensführung bewusst gemacht werden.“

Altersgerecht werden auf der Grundstufe I und II die Bedeutung der eigenen Gesundheit, das Kennenlernen einer gesunden Lebensführung inklusive gesunder Ernährung, sowie ein Verständnis über die ökologischen Auswirkungen menschlichen Handelns erläutert.

Ein verantwortungsbewusstes Verhalten gegenüber der Natur, die Einsicht über biologische Zusammenhänge, die behutsame Nutzung der Natur und die damit verbundene Problem­identifizierung, sowie notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts werden angebahnt und intensiviert.

-      Siebenter Teil, A. Grundschule, Lehrplan für den Sachunterricht, Erfahrungs- und Lernbereich „Wirtschaft“

https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_vs_7_su_14051.pdf?4dzgm2,

„…An konkreten Beispielen wird ein erster Einblick in wirtschaftliche Zusammenhänge    vermittelt. Darüber hinaus soll ein überlegtes, kritisches Konsumverhalten angebahnt werden.“

Sowohl auf der Grundstufe I, wie auch vertiefend auf der Grundstufe II werden elementare Einsichten für die Dinge, die zum täglichen Leben gebraucht werden, gewonnen. Wirtschaftliche Zusammenhänge und ein dementsprechend eigenverantwortliches Handeln, wie das Heran­bahnen eines kritischen Kaufverhaltens (ökologischer Fußabdruck) werden erkannt.

Die Umsetzung der genannten Lehrplaninhalte obliegt in Ausführung und Intensität der jeweiligen Lehrkraft. Es ist anzumerken, dass es im Bereich der Volksschule in der Unterrichtspraxis zahlreiche Initiativen zum Thema „Gesunde Ernährung“ gibt, wie zB. die gesunde Jause, Projektunterricht, der auf eine intensive Auseinandersetzung zum Thema Ernährung abzielt, Lehrausgänge zu Biobauernhöfen, Thementage mit Ernährungsberaterinnen und Ernährungs­beratern. Etliche Schulen wählen das Thema „Gesundheitserziehung – gesunde Ernährung“ im Rahmen von Schulqualität Allgemeinbildung (SQA) als individuellen Schwerpunkt.

 

Darüber hinaus wird betreffend die Einführung eines eigenen, obligatorischen Unterrichtsfaches im Bereich der Lebenskompetenzen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucherinnen­bildung als Unterrichtsangebot auf allen Schulen der Sekundarstufe I inklusive der AHS-Unter- stufe auf den geltenden Lehrplan der Neuen Mittelschule sowie auf den geltenden Lehrplan für die allgemein bildenden höheren Schulen verwiesen

(vgl. https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/lp/index.html).

Der Unterrichtsgegenstand „Ernährung und Haushalt“ ist ein Pflichtgegenstand in der Neuen Mittelschule. Je nach schulautonomer Schwerpunktsetzung werden ein bis vier Wochenstunden angeboten.

An der AHS-Unterstufe ist nach Beschluss durch den Schulgemeinschaftsausschuss ein eigener schulautonomer Schwerpunkt „Gesundheit und Ernährung“ wählbar. „Ernährung und Haushalt“ kann in allen Schulformen in der Unterstufe als zusätzlicher Freigegenstand im Rahmen der allgemeinen Interessen- und Begabungsförderung im Ausmaß von zwei bis acht Wochen- stunden angeboten werden. Ferner sei bemerkt, dass an der Oberstufe des wirtschafts- kundlichen Realgymnasiums der Pflichtgegenstand „Haushaltsökonomie und Ernährung (Theorie)“ im Ausmaß von mindestens vier Wochenstunden verpflichtend umzusetzen ist. Zusätzlich kann „Ernährung und Haushalt (Praktikum)“ als Wahlpflichtgegenstand gewählt werden. Weiters finden sich in den Fachlehrplänen der einzelnen Unterrichtsgegenstände zahlreiche Bezüge zu Ernährung aus verschiedenen fachspezifischen Blickrichtungen - häufig als Präzisierung der angeführten Bildungsziele (zB.: Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“; „Geographie und Wirtschaftskunde“, „Biologie und Umweltkunde“, „Chemie“ (an allen Schulformen; mit Schwerpunkt am wirtschaftskundlichen Realgymnasium) an der Unterstufe; „Biologie und Umweltkunde“ sowie „Haushaltökonomie und Ernährung“ an der Oberstufe. Auch an Sonderformen wie den allgemein bildenden höheren Schulen für Berufstätige oder den allgemein bildenden höheren Schulen mit sportlichen Schwerpunkten ist Ernährung ein spezifisches Thema.

Der Themenbereich „Ernährung/Gesundheit“ ist im Lehrplan für die Neue Mittelschule und im Lehrplan für die allgemein bildenden höheren Schulen jeweils im Rahmen des allgemeinen Bildungsziels mit einem eigenen Bildungsbereich „Gesundheit und Bewegung“ verankert: „Körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden ist zu fördern, wobei Körperbewusstsein und Gesundheit unter Berücksichtigung der individuellen Disposition zu thematisieren sind. Die Schülerinnen und Schüler sind zu unterstützen, einen gesundheitsbewussten und gegenüber der Umwelt und Mitwelt verantwortlichen Lebensstil zu entwickeln. Im Sinne eines ganzheit-       lichen Gesundheitsbegriffs ist ein Beitrag zur gesundheits- und bewegungsfördernden Lebens­gestaltung zu leisten.

Im Vordergrund stehen dabei die Förderung von motorischen und sensorischen Fähigkeiten, wobei sich die Schülerinnen und Schüler Kompetenz für eine bewegungsorientierte Gestaltung ihrer Freizeit auch im Hinblick auf einen späteren Ausgleich zur beruflichen Beanspruchung aneignen sollen. Durch die Auseinandersetzung mit Gesundheitsthemen wie Ernährung, Sexualität, Suchtprävention, Stress ist sowohl das körperliche als auch das psychosoziale Wohlbefinden zu fördern. … .“

Abschließend wird zu dieser Forderung bemerkt, dass selbstverständlich das Betreiben der Gesundheitserziehung im Rahmen des lehrplanmäßigen Unterrichts eine der Aufgaben der Schule ist. Ebenso sind jedoch die entscheidenden gesellschaftlichen Impulse dafür nicht von der Schulverwaltung, sondern von der Gesundheitsverwaltung zu setzen. Das Bundes- ministeriengesetz 1986 weist die Gesundheitserziehung als Teil des Gesundheitswesens dem Bundesministerium für Gesundheit zu (vgl. Anlage zu § 2, Teil 2, Buchstabe G). Durchzuführen ist sie im Rahmen der den Gesundheitsbehörden überantworteten Schulgesundheitspflege gemäß der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens bzw. gemäß der Dienstordnung - Besonderer Teil. Beide werden nicht vom Bundesministerium für Bildung und Frauen vollzogen. Das Bundesministerium für Bildung und Frauen ist daher keinesfalls allein bzw. federführend für die Gesundheitserziehung in Schulen verantwortlich.

Zu den übrigen Forderungen sei bemerkt, dass mit Umsetzung der neuen Pädagoginnen- und Pädagogenbildung die Curricula für die neuen Lehramtsausbildungen dem Qualitätssicherungs­rat für Pädagoginnen- und Pädagogenbildung (QSR) zur Stellungnahme übermittelt werden. Dieser bezieht in seine Qualitätsüberprüfung internationale Fachgutachterinnen und Fachgut­achter bzw. Fachexpertinnen und Fachexperten des Bundesministeriums für Bildung und Frauen in seinen Stellungnahmeprozess mit ein. Der Bereich der genannten Lebens-            kompetenzen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucherinnenbildung wurde in den Curricula-Analysen berücksichtigt. Derzeit liegen die Curricula der Primarstufe vor (Bachelor- Curricula aller Pädagogischen Hochschulen, einzelne Master-Curricula), während die Curricula der Sekundarstufe noch in Ausarbeitung sind. Die Curricula-Analysen der Primarstufe haben ergeben, dass die Themen Ernährung, Kochen, Gesundheit und Verbraucherinnenbildung Berücksichtigung finden, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen. Gemeinsam mit anderen Querschnittsmaterien werden sie an unterschiedlichen Stellen und aus unterschied-              lichen Perspektiven berücksichtigt. Vom einfachen begrifflichen Hinweis im Curriculum über integrative Berücksichtigung auf Lehrveranstaltungsebene („Verbraucherbildung wird sowohl als Thema der Wirtschaft angesprochen, aber auch der Gesundheit und Ernährung“) bis zu expliziten Schwerpunktsetzungen wie zB. „Gesundheit und Lebenskompetenzen in Schulen“, „Gesundheitspädagogik“ (dieser Schwerpunkt vereint explizit Aspekte aus den Bereichen Bewegung, Ernährung, Psychoregulation, Persönlichkeitsentwicklung und Soziales Lernen zu einem Modell schulischer Gesundheitsförderung inklusive der Reflexion und Evaluation gesund­heitsförderlicher Prozesse im Schulalltag).

Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass beispielhaft eine bundesländerübergreifende Seminarreihe „Gesundheitspädagogik und Gesundheitsmanagement“ mit insgesamt sieben Modulen ein Modul zum Thema „Wie gesund is(s)t Schule?“ anbietet (Zielsetzung: Die neuesten Erkenntnisse der Ernährungslehre kennen und den Einfluss von Schulbuffets auf die Schülerinnen und Schüler einschätzen können. Die Erscheinungsformen von Essstörungen erkennen und situationsadäquat reagieren können).

Wien, 7. September 2015

Für die Bundesministerin:

SektChef Ing. Mag. Andreas Thaller

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