124/SBI XXV. GP

Eingebracht am 20.01.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

 

 

 

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

 

per E-Mail

Parlamentsdirektion, Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen,

Bürgerinitiative Nr. 78 betreffend „Wertschätzung Familienarbeit –

Faire Kinderbetreuungsfinanzierung für alle“; Ressortstellungnahme

 

 

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen erlaubt sich zu der Bürgerinitiative Nr. 78 betreffend „Wertschätzung Familienarbeit - Faire Kinderbetreuungsfinanzierung für alle“ wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Einleitend wird festgehalten, dass die Förderung der gesellschaftlichen Wertschätzung von unbezahlter Care-Arbeit ein wichtiges Anliegen zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt darstellt:

 

Es ist notwendig, noch klarer darauf aufmerksam zu machen, dass in Österreich die unbezahlte Arbeit im Bereich der Kinderbetreuung, der häuslichen Pflege von An- und Zugehörigen sowie von Haushaltsarbeit vorwiegend von Frauen übernommen wird. Damit ist die Vereinbarkeit von beruflichen Verpflichtungen mit der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen bisher eine Herausforderung, deren Bewältigung meist von Frauen getragen wird.


Eine Folge davon ist, dass mehrheitlich Frauen mit den mit Karriereunterbrechungen einhergehenden Einkommensnachteilen und fehlenden Aufstiegschancen konfrontiert sind. Um die bestehende Armut sowie das Armutsrisiko von Frauen während ihres Erwerbslebens und danach in der Pension zu senken und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit in allen Lebensphasen zu fördern, ist es wichtig, Barrieren für Frauen am österreichischen Arbeitsmarkt abzubauen. Dazu zählen auch Maßnahmen zur Unterstützung beim Wiedereinstieg nach Kinderkarenzzeiten.

 

Neben dem notwendigen Ausbau von leistbaren und qualitätsvollen Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen hängt die tatsächliche Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch von der geschlechtergerechten Aufteilung von Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern/Müttern und Vätern ab. Die Ermutigung und Unterstützung von Vätern, sich an der Familienarbeit zu beteiligen, ist ein wichtiger Punkt. Hier bedarf es neben gesetzlicher Rahmenbedingungen auch des Engagements der Unternehmen, um Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Thema für Frauen und Männer gleichermaßen in der Unternehmenskultur und Berufswelt zu verankern.

 

Im öffentlichen Dienst besteht für männliche Bedienstete seit 2011 die Möglichkeit, den „Papamonat“ in Anspruch zu nehmen. Väter haben damit einen Rechtsanspruch auf bis zu vier Wochen dauernde Freistellung während des Mutterschutzes. Bezahlt werden die Beamten und Vertragsbediensteten während dieser Zeit nicht, man bleibt aber kranken versichert, und der Monat zählt voll für die Pension. Auch der Anspruch auf eine spätere Karenz wird nicht geschmälert. Von Anfang 2011 bis September 2015 haben 1.355 Väter diese Möglichkeit genutzt. Viele Bundesländer haben sich mit ähnlichen Regelungen angeschlossen.

 

Selbstverständlich verdient innerfamiliäre Kinderbetreuung Unterstützung und Wertschätzung. Gleiche finanzielle Unterstützung für externe Kinderbetreuung und Familienarbeit verkennt jedoch, dass unterschiedliche Gegebenheiten zu Grunde liegen: Öffentlichen Einrichtungen wie Kindergärten und Horte dienen nicht nur der Kinderbetreuung, sondern sind auch und vor allem Bildungseinrichtungen. Auch wenn Lernen und Bildung auch ganz selbstverständlich in der Familie stattfinden, sind doch Standards durch Entwicklungsziele und vorgegebene Ausbildung nur für öffentliche Einrichtungen festgelegt. Dazu kommt, dass mit einer Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau Aufwachsen mehrerer Kinder verschiedenen Alters selten geworden ist und soziales Lernen in und durch Gruppen nur mehr außerhäuslich möglich ist; soziale Kontakte zu anderen Kindern der gleichen und anderer Altersstufen sind aber unverzichtbar für eine angemessene Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder.

 

Externe Kinderbetreuung ist niemals ausreichend, innerfamiliäre Erziehung ist und bleibt unverzichtbar. Es geht nicht um "Entweder - Oder", sondern um "Sowohl - Als-Auch", auf beides haben Kinder Anspruch. Die öffentliche Hand hat Bedingungen zu schaffen, die allen Kindern bestmögliche Voraussetzungen für ihre Entwicklung einräumen, bestmögliche Bildungschancen von Anfang an bieten und möglichst gleiche Chancen herstellen. Eltern tragen die Verantwortung, nach ihren individuellen Möglichkeiten bestmöglich für die Entfaltung ihres Kindes/ihrer Kinder zu sorgen. Stabile, vertrauensvolle Bindungen zu den primären Bezugspersonen sind nicht davon abhängig, dass Erziehung (möglichst lang) in der Familie erfolgt. Studien belegen nachdrücklich, dass es nicht auf die Quantität der Zeit, die Eltern mit ihrem Kind/ihren Kindern verbringen, ankommt, sondern auf ihre Qualität. Familienarbeit findet somit nicht nur statt, wenn Kinder innerfamiliär betreut werden. Auch Familien, die sich für externe Betreuung entschieden haben, leisten diese Arbeit - geringere Quantität wird durch Qualität und Intensität ausgeglichen.


Die geforderte Wahlfreiheit durch finanzielle Abgeltung der Familienarbeit bedeutet für Frauen (seltener: Männer) eine Sackgasse: Auch eine allfällige Ausbildung zur Familienarbeiterin lässt sich nicht unbegrenzt auf dem Arbeitsmarkt verwerten, letztendlich bleibt die Frau (der Mann) auf ihre (seine) eigene Familie verwiesen. Mit dem Heranwachsen des Kindes/der Kinder sinkt die notwendige Zeit für Betreuung; hingegen nimmt gleichzeitig die ökonomische Abhängigkeit vom Partner/von der Partnerin oder allenfalls auch von der öffentlichen Hand mit jedem Jahr der Absenz von einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit zu.

 

Die wichtigsten Beiträge zu einer Verbesserung der Wahlfreiheit von Familien sind - neben der monetären Unterstützung durch Kinderbetreuungsgeld oder Familienbeihilfe - Sachleistungen wie der Ausbau des Kinderbetreuungsangebots:

305 Millionen Euro stellt der Bund den Ländern in den Jahren 2014-2018 als Anschub- finanzierung für den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots zur Verfügung. Die Bundesländer erhöhen im Zuge der Kofinanzierung diese Summe um weitere rund 135 Millionen Euro. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau der Plätze für die Unter-Drei-Jährigen um das Barcelona Ziel (Betreuungsquote von 33 % bei Unter-Drei-Jährigen) zu erreichen. Die Anstren­gungen von Bund, Ländern und Gemeinden der letzten Jahre zur Verbesserung des Kinderbetreuungsangebots zeigten Wirkung. Betrachtet man die Entwicklung der Betreuungsquoten der 3-, 4- und 5-jährigen Kinder (den Anteil der in Kindertagesheimen betreuten Kinder, bezogen auf die gleichaltrige Wohnbevölkerung) in den letzten Jahren, zeigt sich, dass bei allen drei Alterskategorien beträchtliche Anstiege zu erkennen sind. So erhöhte sich die Betreuungsquote der 3-Jährigen von 63,8 % im Jahr 2003 auf mittlerweile 84 %. Bei den 4-Jährigen wurde in den letzten zehn Jahren eine Steigerung von 88,5 auf 95,3 % verzeichnet, bei den 5-Jährigen von 92,5 auf 96,8 %.

 

Alle Unterstützungsleistungen dienen der Anerkennung der Leistungen der Familie für die Gesellschaft. Die Politik ist regelmäßig gefordert, finanzielle Leistungen, wie auch rechtliche Bestimmungen, wie z.B. Karenz, Elternteilzeit, geänderten gesellschaftlichen Erwartungen anzupassen. Eine Gleichstellung der inner- und außerfamiliären Kinderbetreuung ist jedoch nicht gerechtfertigt.

 

 

Wien, 19. Jänner 2016

Für die Bundesministerin:

SektChef Ing. Mag. Andreas Thaller

 

 

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