125/SBI XXV. GP

Eingebracht am 20.01.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

per E-Mail

Parlamentsdirektion, Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen,

Bürgerinitiative Nr. 90 betreffend „Freie Schulwahl 2.0“;

Ressortstellungnahme

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen erlaubt sich zu der Bürgerinitiative Nr. 90 betreffend „Freie Schulwahl 2.0“ wie folgt Stellung zu nehmen:

Vorweg ist zur Frage der Vereinbarkeit der österreichischen Rechtslage mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zunächst auf Art. 14 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union C 83 vom 30.3.2010, S. 389, hinzuweisen, der bestimmt, dass das Recht auf Bildung die Möglichkeit umfasst, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.

Gemäß den Erläuterungen zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union C 303 vom 14.12.2007, S. 17, besagt der Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Pflichtschulunterrichts lediglich, dass in Bezug auf den Pflichtschulunterricht jedes Kind die Möglichkeit haben muss, eine schulische Einrichtung zu besuchen, die unentgeltlichen Unterricht erteilt. Er besagt nicht, dass alle - und insbesondere auch die privaten - schulischen Einrichtungen, die den betreffenden Unterricht oder berufliche Ausbildung und Weiterbildung anbieten, dies unentgeltlich tun müssen.


Art. 14 Abs. 3 der Grundrechte der Europäischen Union normiert, dass die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen, nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet werden, welche ihre Ausübung regeln.

Gemäß den Erläuterungen zu Art. 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird durch Art. 14 die Freiheit zur Gründung von öffentlichen oder privaten Lehranstalten garantiert, ihre Ausübung ist jedoch durch die Achtung der demokratischen Grundsätze eingeschränkt und erfolgt entsprechend den in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Einzelheiten. Aus Art. 14 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union kann somit keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, private Schulen zu subventionieren, abgeleitet werden.

Ferner ist zur Frage der Vereinbarkeit der österreichischen Rechtslage mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union darauf zu verweisen, dass das in Art. 14 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthaltene Recht der Freiheit zur Gründung von Lehranstalten sowie das darin enthaltene Recht der Eltern auf freie Schulwahl inhaltlich nicht über die in Art. 17 Abs. 2 Staatsgrundgesetz 1867 sowie in Art. 2 1. ZP zur EMRK enthaltenen Rechte hinausgehen und somit insofern keine inhaltlich weitere Anspruchsgrundlage als bisher besteht. Sowohl die österreichischen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben die österreichische Rechtslage als konform mit den im Staatsgrundgesetz 1867 und der EMRK enthaltenen Grundrechten erachtet.

Zu dem in der Bürgerinitiative angesprochenen Begehren zur Neufassung des Privatschulgesetzes mit einem Regelungsinhalt, der eine Kostenübernahme der Privatschulen durch die öffentliche Hand vorsieht, ist ferner zu bemerken, dass eine Schulerhalterschaft des Bundes für den Pflichtschulbereich nicht besteht und daher der Privatschulerhalter - sofern sein Angebot den Pflichtschulbereich umfasst - eine derartige Forderung an den verfassungsrechtlich jeweils zuständigen Pflichtschulerhalter (Länder bzw. Gemeinden) zu richten hätte: Eine besondere Regelung in der Schulerhalterschaft, die von den allgemein verfassungsrechtlichen Regelungen abweicht, wäre systemwidrig.

Eine staatliche Förderung der in der gegenständlichen Bürgerinitiative angesprochenen Privatschulen ist entsprechend den näheren Voraussetzungen des Privatschulgesetzes möglich, dies jedoch nach der grundsätzlichen Voraussetzung der vom Bundesfinanzgesetzgeber zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel (§21 Privatschulgesetz). Sieht also das jeweilige Bundesfinanzgesetz keine oder nur geringfügige Förderungen der angesprochenen Privatschulen vor, so stellt dies weder einen Gesetzesbruch dar, noch hindert es Schülerinnen und Schüler am Besuch einer Schule, die unentgeltlichen Unterricht erteilt.

Eine angedachte Vollsubventionierung der sonstigen Privatschulen alleine im Bereich der Personalausgaben für Lehrkräfte würde eine deutliche Steigerung der diesbezüglichen Aufwendungen zur Folge haben.

Die in den vergangenen Finanzjahren veranschlagten EUR 4,494 Mio. für Förderungen von Schulen mit eigenem Organisationsstatut wurden in den Entwurf des BVA für das Finanzjahr 2016 fortgeschrieben. Damit wird der seit dem Regierungsprogramm 2008 angekündigten Verdoppelung des einschlägigen Erfolges des Finanzjahres 2008 (EUR 2,247 Mio.) weiterhin Rechnung getragen. Eine Erhöhung dieser Mittel war und ist angesichts der vom Bildungsressort bis auf weiteres in beträchtlichem Ausmaß zu leistenden Beiträge zur Budgetkonsolidierung des Bundes unrealistisch.

Was die in der Bürgerinitiative hinsichtlich der Privatschulen geforderte „volle Autonomie für die Umsetzung ihrer jeweiligen pädagogischen Inhalte im Rahmen ihrer genehmigten Lehrpläne und Statuten“ anbelangt, so ist einerseits darauf hinzuweisen, dass die Schaffung der Voraussetzungen zur Führung einer Privatschule grundsätzlich dem jeweiligen Schulerhalter obliegt. Unabhängig von der Verantwortung der Schulerhalterschaft obliegt den Schulbehörden des Bundes, zumal dem Bund die grundlegende Kompetenz auf dem Gebiet des Privatschulwesens zukommt, andererseits eine Gesamtverantwortung für die Entwicklung und Qualitätssicherung des Schulwesens in Österreich; auf die aus Art. 17 Staatsgrundgesetz 1867 und Art. 14 B-VG erfließende Aufsicht über Privatschulen nach Maßgabe des § 22 des Privatschulgesetzes wird aufmerksam gemacht.

Dementsprechend sind Erforderniskriterien auch für die Privatschulen im Privatschulgesetz verankert, die hinsichtlich Errichtung eines Schulstandortes, Organisation, Lehrplan, Ausstattung der Schule, Lehrbefähigung der Leitungen sowie der Lehrkräfte und Unterrichtserfolg einzuhalten sind. Es ist unbestritten, dass das Privatschulwesen in Österreich eine wesentliche Bereicherung für die gesamte Bildungslandschaft darstellt. Ausgehend davon ist im gesamten Schulwesen eine höchstmögliche Qualität im Interesse der Kinder sicher zu stellen.

Wien, 20. Jänner 2016
Für die Bundesministerin:

SektChef Ing. Mag. Andreas Thaller

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