135/SBI XXV. GP

Eingebracht am 08.02.2016
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Stellungnahme zu Bürgerinitiative

Stellungnahme zur Bürgerinitiative 78

„Wertschätzung Familienarbeit – faire Kinderbetreuungsfinanzierung für alle“

 

An die
PARLAMENTSDIREKTION

 

Als langjähriger Ehemann, vierfacher Vater und Großvater mit 11 Enkelkindern halte ich die Stellungnahme des Bildungsministeriums vom 19.1.2016 in mehreren Punkten höchst korrekturbedürftig:

1.      Grundsätzlich sollten die Interessen der Familien (Männer, Frauen, Kinder) Vorrang haben und nicht die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz. Es geht um „Familienarbeit“ im weitesten Sinn und nicht um „Care – Arbeit“ – oder scheut man den klaren Begriff „Familie“? Unter Familienarbeit verstehe ich die Pflege und Erziehung vom Beginn bis zum Ende des Lebens.
Die Familienarbeit sollte allen anderen Berufen gleichgestellt werden und damit auch nicht unbezahlt geleistet werden müssen. Die volle sozial- und pensionsrechtliche Gleichstellung mit jeder anderen Arbeitsleistung ist die logische Konsequenz. Dürfen Frauen oder Männer, die Familienarbeit leisten, gegenüber den anderen Berufstätigen diskriminiert werden? Die derzeitige Situation führt zu großen Ungerechtigkeiten für jene Männer und Frauen, die sich voll der Familienarbeit widmen.

2.      Es geht nicht um den Abbau von Barrieren für Frauen am Arbeitsmarkt, sondern um einen Aufbau von Hilfen für die Familien. Die Familien sind die kleinsten Gemeinschaften, die unserer Gesellschaft eine stabile Basis und eine gelebte Solidarität in schwierigen Situationen (Krisen) verleihen. Nur autoritäre Staaten benachteiligen bewusst die Familien  und bekämpfen die Religionen. Die Familien sind ein bewährtes Lebensmodell, das Halt gibt, das lebenstauglich ist und das die Persönlichkeit aller Familienmitglieder bildet.

3.      Die regelmäßig geäußerte Ansicht, dass in den Familien schlechte Erziehungsarbeit geleistet werde, ist eine Beleidigung für alle Eltern (Frauen, Männer), die sich um die Erziehung ihrer Kinder bemühen. Das Erziehungsrecht der Eltern muss uneingeschränkt erhalten bleiben, denn es ist ein Irrglaube, dass die staatliche Erziehung besser für unsere Kinder sei. In den Ostblockstaaten konnten wir die negativen Auswirkungen der staatlichen Kindererziehung sehr hautnah beobachten. Wollen wir, dass Österreich ein neues Ostdeutschland wird?

4.      Völlig falsch ist meines Erachtens auch der Ansatz, dass vertrauensvolle Bindung nicht von einer möglichst langen Erziehung und einem Aufwachsen in einer Familie abhängt.
Im Gegenteil: der übermäßige Ersatz der Familien durch staatliche Institutionen führt in der Regel dazu, dass bei den Kindern die Entwicklung zu nachhaltigen Bindungen verhindert wird.
Das Wohl der Kinder, der Zukunft für jede staatliche Gemeinschaft, ist wichtiger als Karriereüberlegungen von Frauen oder Männern. Es ist und bleibt eine Illusion, das Familie und Beruf vereinbar wären, denn sinnvollerweise sind Familie und Beruf im vollen Ausmaß nicht gleichzeitig, sondern nur nacheinander möglich.

5.      Die von der Bürgerinitiative geforderte Wahlfreiheit durch eine finanzielle Abgeltung der Familienarbeit bedeutet keine Sackgasse!
Diese kann sich nur dann bilden, wenn die Familie nicht auf der Basis eine Ehe (als dauerhafte Verbindung von Mann und Frau, ausgerichtet auf die Weitergabe des Lebens) steht, sondern der Individualismus (Egoismus) gegenüber dem Zusammenhalt triumphiert. Die persönliche Freiheit gilt dann mehr als das Wohlergehen der Familie.
Die Bevorzugung der Sachleistungen gegenüber den Geldleistungen mit der Berufung auf das sogenannte „Barcelona-Ziel“ dient lediglich als Scheinargument, um die Familien weiter zu schwächen und die staatlichen Einrichtungen zu stärken.
Besser wäre es überhaupt, wenn der Staat den Familien viel mehr an Einkommen belässt und nicht zuerst über Steuern und Gebühren schwer belastet, um ihnen dann wieder gnadenhalber Geld- oder Sachleistungen in einem viel geringeren Ausmaß zukommen zu lassen.
Die Familien können erfahrungsgemäß viel verantwortungsvoller mit ihrem Geld umgehen als es der Staat kann.

6.      Der Schlusssatz des Bildungsministeriums: „Eine Gleichstellung der inner- und außerfamiliären Kinderbetreuung ist nicht gerechtfertigt“ kann nur so verstanden werden, dass die außerfamiliäre Kinderbetreuung bevorzugt werden soll. Diese Ansicht ist gänzlich familienfeindlich, schadet den Kindern und stellt außerdem die volkswirtschaftlich teuerste Version dar.


Aus den angeführten Gründen unterstütze ich die Parlamentarische Bürgerinitiative Nr. 78 vollinhaltlich, denn unsere Familien brauchen Unterstützung, Wertschätzung und Anerkennung!

Dr. Rudolf GEHRING
CPÖ-Generalsekretär