139/SBI XXV. GP

Eingebracht am 19.02.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative

BMJ-Pr4528/0004-Pr 1/2015
 


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BUNDESMINISTERIUM FÜR Justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 2139

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

Sachbearbeiter/in:

Mag. Magdalena Beck

 

Parlamentsdirektion
Dr. Karl-Renner-Ring 3
1017 Wien

Per E-Mail:

NR-AUS-PETBI.Stellungnahme@parlament.gv.at

 

 

 

Betrifft:

Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz zu den Bürgerinitiativen Nr. 69, Nr. 77, Nr. 79, Nr. 83, Nr. 85 und Nr. 91; Zl.: 17010.0020/49-L1.3/2015

 

 

Das Bundesministerium für Justiz nimmt zu den im Betreff genannten Bürgerinitiativen Stellung wie folgt:

 

1.    „Fakten helfen! Einführung einer bundesweiten anonymisierten Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und Erforschung der Gründe/Motive dafür“ (69/Bl)

Diese an sich gut nachvollziehbare Bürgerinitiative fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz.


 

2.    „Unfallopfer - Qualitätskontrolle bei Gerichtsgutachtern/Novellierung des Schadenersatzrechts“ (77/Bl)

a) Reform des Schadenersatzrechts

Festzuhalten ist, dass das aktuelle Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018 eine Überarbeitung des Schadenersatzrechts unter Beibehaltung seiner Grundprinzipien vorsieht. Zur Erzielung eines innerstaatlichen Konsenses wird noch eine intensive Diskussion mit den betroffenen Stakeholdern erforderlich sein.

Was die Forderungen nach einer angemessenen Erhöhung der gerichtlich zuerkannten Schmerzengelder und einer Überarbeitung der Beweislastumkehr im Zusammenhang mit der Unfallkausalität betrifft, so werden diese Vorschläge für die Diskussion zur Verfügung stehen.

Die Bürgerinitiative legt nicht offen, in welcher Form eine Risikobegrenzung bei den Prozesskosten vorgenommen werden sollte. Unter der Annahme, dass eine Deckelung des Prozesskostenersatzes gemeint ist, kann dazu Folgendes bemerkt werden:

Der Prozesskostenersatz des Zivilprozessrechts ist vom Erfolgsprinzip geprägt. Jene Partei, die im Verfahren obsiegt, soll vom unterlegenen Gegner ihre Prozesskosten ersetzt erhalten. Eine „Risikobegrenzung“ für die unterlegene Partei bedeutet gleichzeitig eine „Risikoerhöhung“ für die obsiegende Partei, die von ihr aufgewendeten Kosten nicht ersetzt zu erhalten. Dies scheint angesichts des Umstandes, dass sich die von ihr vertretene Rechtsposition als zutreffend herausgestellt hat, und die somit zu Unrecht in ein Verfahren gezogen wurde, ohne Hinzutreten besonderer Umstände unbillig.

Hinsichtlich der geforderten Reform der Gerichtsgebühren bei Ansprüchen auf immateriellen Schadenersatz aus Verkehrsunfällen ist festzuhalten, dass das derzeitige System der Verfahrenshilfe bereits den Zugang zum Recht auch für Personen, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, gewährleistet. Unabhängig davon wird das System der Gerichtsgebühren in Umsetzung des Arbeitsprogramms der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018  seitens des Bundesministeriums für Justiz laufend evaluiert.

Unter der Annahme, dass die Bürgerinitiative eine Verlängerung der Frist für die Wiederaufnahme von Verfahren anstrebt, kann dazu bemerkt werden, dass die Frist zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage vier Wochen ab Kenntnis des Wiederaufnahmsgrundes beträgt. Die Parteien haben zuvor bereits ein rechtskräftig beendetes Verfahren über die Angelegenheit geführt. Sie sollten daher über die bisher für den Ausgang des Verfahrens relevanten Umstände ausreichende Kenntnis besitzen. In der Wiederaufnahmsklage sind lediglich der Wiederaufnahmsgrund zu bezeichnen und Angaben zur Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage und zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu machen. Die Frist von vier Wochen zur Erhebung einer Wiederaufnahmsklage scheint daher angemessen.

b) Qualitätskontrolle bei Gerichtsgutachter/innen

Zur Forderung nach Schaffung einer unabhängigen, im Bundesministerium für Gesundheit anzusiedelnden Stelle zur fachlichen Überprüfung von Sachverständigen ist auszuführen, dass mit Stand 16. November 2015 9.440 Personen als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen sind. Diese gliedern sich in 52 Fachgruppen (Archäologie, Medizin, Biologie, Psychologie, usw.) und diese wiederum in insgesamt 717 Fachgebiete (beispielsweise Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin, Familienpsychologie, Kinderpsychologie, Jugendpsychologie, klinische Psychologie etc.).

Es liegt auf der Hand, dass die Qualität der hinter den jeweiligen Berufen stehenden fachlichen Ausbildungen nicht im unmittelbaren Einflussbereich des Bundesministeriums für Justiz liegt; ebensowenig kann dies von einer – wo immer angesiedelten – „Prüfstelle“ bewerkstelligt werden.

Ebenso klar ist aber auch, dass die Qualität der in Justizverfahren erstellten Sachverständigengutachten von maßgeblicher Bedeutung für die Qualität der letztlich auf dieser Basis zu fällenden Gerichtsentscheidungen ist. Aus diesem Grund ist es dem Bundesministerium für Justiz ein besonderes Anliegen, möglichen strukturellen Problemen, die in der gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Praxis auftreten und aufgezeigt werden, unverzüglich nachzugehen, indem mit den jeweils maßgeblichen Berufsvertretungen, dem Hauptverband der Gerichtssachverständigen als bundesweitem Dachverband und Interessensvertreter der für die Gerichte tätigen Sachverständigen und auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Gerichte sowie der Staats- und Rechtsanwaltschaft in Kontakt getreten wird.

Der Sachverständige haftet nach § 1299 ABGB für jenen Fleiß und jene Kenntnisse, die seine Fachkolleginnen und -kollegen gewöhnlich haben. Ihm ist nach der Rechtsprechung auch dann ein Schuldvorwurf zu machen, wenn es ihm an den für eine Gutachtenserstellung erforderlichen Fähigkeiten mangelt. Dazu zählt auch, dass das Gutachten nach den aktuellen Regeln der Wissenschaft erarbeitet und erstellt wird, und zwar auch hinsichtlich der im Rahmen der Befundaufnahme und Gutachtenserstellung einzuhaltenden Anforderungen, Kriterien und Prüfschritte. Erfüllt ein Sachverständigengutachten diese Anforderungen nicht, kann der Sachverständige – persönlich und unmittelbar – schadenersatzpflichtig werden.

Sollten allfällige Mängel im wissenschaftlichen Aufbau und der gewählten Methodik Zweifel am Vorliegen der fachlichen Qualifikation eines Sachverständigen (oder Dolmetschers) aufkommen lassen, so wäre diesbezüglich der/die für den jeweiligen Sachverständigen (oder Dolmetscher) zuständige Präsident/Präsidentin des Landesgerichts im Hinblick auf § 10 SDG zu befassen. In einem daran anknüpfenden Entziehungsverfahren wegen (möglichen) Wegfalls der Eintragungsvoraussetzungen hat der Präsident/die Präsidentin bei Bedarf ein Gutachten der Kommission nach § 4a SDG oder eine Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission einzuholen.

Zur laufenden Qualitätskontrolle der zertifizierten Sachverständigen sind überdies die Gerichte und insoweit auch die Parteien berufen, die dann, wenn sich in einem Verfahren der Verdacht ergibt, dass einer der in § 10 Abs. 1 SDG genannten Tatbestände für die Entziehung der Eigenschaft als Gerichtssachverständiger vorliegt, Mitteilung an den/die zuständige/n Präsidenten/Präsidentin des Landesgerichts zu machen haben.

Im Gerichtsverfahren selbst bieten insbesondere die Bestimmungen des § 362 Abs. 2 ZPO und des § 127 Abs. 3 StPO Abhilfe, wenn das abgegebene Gutachten ungenügend scheint. Dann kann eine neuerliche Begutachtung oder die Beiziehung eines Obergutachters angeordnet werden.

Was die Frage der generellen Qualität der Sachverständigengutachten angeht, die mit der Forderung nach einer verbesserten Ausbildung und Zertifizierung von Gerichtsgutachten nach internationalen Qualitätsstandards impliziert ist, kann gesagt werden, dass es in Österreich mit dem Institut der gerichtlichen (Re-)Zertifizierung der Sachverständigen ein auch im europäischen Vergleich sehr hoch entwickeltes System der Qualitätssicherung gibt, bei dem sowohl Fachleute aus dem jeweiligen Bereich als auch Gerichte in die Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eignung der betreffenden Person eingebunden sind (bzw. werden können) und im Rahmen dessen gerade auf die Umstände des konkreten Falls Bedacht genommen werden kann.

Klarzustellen ist damit im Zusammenhang gleichzeitig auch, dass sich hinter der Bezeichnung „Gerichtssachverständiger“ oder „Gerichtsdolmetscher“ keine eigene Berufsgruppe verbirgt. Vielmehr stellt das System der (Re-)Zertifizierung im Wesentlichen ein Auswahl- und Qualitätskontrollsystem dar, in welchem nach spezifischen und durchaus strengen Kriterien (vgl. diesbezüglich insbesondere § 2 Abs. 2 Z 1 SDG) aus den jeweiligen Berufsgruppen – entsprechend den Erfordernissen und dem fachlichen Bedarf in Gerichtsverfahren – bestimmte, insofern geeignete Personen ausgewählt („zertifiziert“) werden. Die daran anknüpfende Aufnahme in die Gerichtssachverständigenliste stellt demnach keine zusätzliche fachliche Qualifikation im jeweiligen beruflichen Tätigkeitsfeld des Sachverständigen dar, sondern ist in erster Linie eine Hilfestellung an die Gerichte und Staatsanwaltschaften, damit diese zu den im Verfahren relevanten Fachfragen entsprechend geeignete Fachleute möglichst effizient auffinden und bestellen können. Allfällige Verbesserungen der Berufsausbildungen hätten daher gegebenenfalls bei den jeweiligen Quellberufen der Gerichtssachverständigen anzusetzen.


 

Zu den derzeitigen Auswahlerfordernissen ist auf § 2 SDG hinzuweisen, wo die Voraussetzungen für die Eintragung in die Sachverständigenliste geregelt sind. Diese sind unter anderem Fachkunde, einschlägige Berufserfahrung, Kenntnisse des Rechtswesens und der Gutachtensmethodik, die zur Gutachtertätigkeit erforderliche Ausstattung, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse und der Abschluss einer Haftpflichtversicherung.

Das Vorliegen und der Weiterbestand dieser Voraussetzungen wird in einem Qualitätssicherungsverfahren (Zertifizierung bzw. Rezertifizierung) geprüft, das die Präsidenten/Präsidentinnen der Gerichtshöfe erster Instanz als Zertifizierungsstellen durchführen. Es gibt drei Prüffelder: Sachkunde, Gutachtensmethodik und Verfahrensrechtskunde. Eine Befreiung ist nur für das Prüffeld Sachkunde möglich, und zwar für Bewerber/innen, die eine Lehrbefugnis für das betreffende wirtschaftliche Fach haben oder einen Beruf ausüben dürfen, zu dem nach der gesetzlichen Berufsordnung auch die Erstattung von Gutachten gehört (zum Beispiel Ärzte, Ziviltechniker, Wirtschaftstreuhänder und Psychologen).

Zur Feststellung der fachlichen und persönlichen Eignung eines Eintragungswerbers/einer Eintragungswerberin ist nach § 4 Abs. 2 SDG grundsätzlich ein Gutachten einer Kommission gemäß § 4a SDG durch das jeweilige Entscheidungsorgan einzuholen; die Einholung eines Gutachtens ist auch im Rahmen des Rezertifizierungsverfahrens möglich.

Die Eintragung in die Gerichtssachverständigenliste ist zunächst mit dem Ende des fünften auf die Eintragung für das jeweilige Fachgebiet folgenden Kalenderjahres befristet und kann danach auf Antrag um jeweils fünf Jahre verlängert werden. Auf eine solche Rezertifizierung besteht kein Anspruch.

Im Antrag auf Rezertifizierung sind die gerichtlichen Verfahren, in denen der Sachverständige seit der Eintragung tätig geworden ist, anzuführen. Damit einhergehend wird der Sachverständige aufgefordert, entweder einen „Bildungs-Pass“ oder sonstige entsprechende Unterlagen und Bestätigungen über absolvierte Fortbildungen oder eigene Vortragstätigkeit sowie eigene Publikationen vorzulegen. Ist die Eignung des Sachverständigen dem Entscheidungsorgan nicht ohnehin – besonders wegen der häufigen Heranziehung im Gerichtsverfahren – bekannt, so ist der Antrag in Kopie Gerichten stichprobenartig zur Stellungnahme über die Eignung des Sachverständigen, besonders zur Äußerung über die Sorgfalt der Befundaufnahme, über die Schlüssigkeit, die Nachvollziehbarkeit und den richtigen Aufbau der Gutachten, zu übermitteln. Das Entscheidungsorgan hat aufgrund der vorgelegten Berichte und Nachweise über die Fortbildung die weitere Eignung des Sachverständigen zu prüfen.

Zusammengefasst betrachtet bietet aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz das derzeitige System der (Re-)Zertifizierung, bei dem sowohl entsprechende Fachleute aus dem jeweiligen Bereich als auch die Gerichte und Staatsanwaltschaften und mittelbar letztlich auch die Verfahrensparteien in die Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eignung der betreffenden Person eingebunden sind, hinreichende Gewähr für eine möglichst weitreichende Sicherstellung der Qualität der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen.

Die Regeln über die Ablehnung von Richterinnen und Richtern sind in gleicher Weise auch auf Sachverständige anwendbar. Zusammen mit den bereits erwähnten Sanktionen (Schadenersatz, Streichung aus der Liste, …) sind daher aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz ausreichende Handlungsmöglichkeiten bei Verletzung der Unparteilichkeit gegeben.

Es gibt zahlreiche fachspezifische Schulungsangebote für Richter/innen, um ihnen das Verständnis von Gutachten zu erleichtern. Zum Thema „Qualitätskontrolle bei Gerichtsgutachtern“ werden laufend Fortbildungsveranstaltungen angeboten, die allesamt zur Weiterbildung und Qualitätssteigerung der Richter/innen, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Zusammenhang mit der Beurteilung und Überprüfung von Sachverständigengutachten bzw. zur Verbesserung des interdisziplinären Dialogs beitragen.

Für den Bereich der psychologischen und psychiatrischen Gutachten waren dies in den Jahren 2014 und 2015 beispielsweise nachstehende Veranstaltungen:

Ø  4. Curriculum für Jugendrichter/innen, Jugendstaatsanwältinnen und Jugendstaatsanwälte: Das Curriculum verfolgt eine Weiterbildung iSd § 30 JGG mit Themen aus den Gebieten der Jugendsozialarbeit, -psychologie, -psychiatrie und -kriminologie. Das 3. Modul beschäftigt sich mit Entwicklungspsychologie, das 5. Modul mit Psychiatrischer Begutachtung.

Ø  Gefährliche Täter!? Vom Umgang mit dem Gefährdungspotential: Diese von einem Psychologen gehaltene interdisziplinäre Veranstaltung bietet die Möglichkeit, Gewaltpotential in justiziellen Verfahren besser einschätzen zu können und Erfahrungen der verschiedenen beteiligten Berufsgruppen auszutauschen.

Ø  (Psychiatrische) Gutachten im Strafrecht: Ziel dieser Veranstaltung ist das Erlernen von Gütekriterien von Gutachten und in der Folge das Bewerten der formalen und inhaltlichen Qualität von Gutachten im Strafrecht sowie die Auseinandersetzung mit allgemeinen Qualitätskriterien, die an (psychiatrische) Gutachten im Strafrecht gestellt werden sollten. Psychiatrische Störungen und Krankheiten werden psychologisch messbaren Normabweichungen gegenübergestellt. Die Formulierungen der möglichen Fragestellungen, formale und inhaltliche Qualitätskriterien, Überprüfungsmöglichkeiten der Gutachtensqualität und Grenzen der Begutachtung sollen erarbeitet und diskutiert werden. Als Vortragender fungiert ein Psychiater.

Ø  Zusammenarbeit im Strafprozess: Dieses Seminar bietet Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Strafrichterinnen und -richtern die Gelegenheit, im Rahmen von Vorträgen, Diskussionen und Workshops mit den Kooperationspartner/innen Polizei, Neustart und Gewaltschutzeinrichtungen sowie insbesondere mit Sachverständigen Standpunkte auszutauschen, Positionen und Rollenbilder zu reflektieren und interdisziplinäre Kontakte zu vertiefen.

Ø  Gutachten im Familienrecht: Ziel dieser Veranstaltung ist das Erlernen von Gütekriterien von Gutachten und in der Folge Bewerten der formalen und inhaltlichen Qualität von Gutachten im Familienrecht. Gelernt wird die Auseinandersetzung mit allgemeinen Qualitätskriterien, die an Gutachten gestellt werden sollten. Die Formulierungen der möglichen Fragestellungen, formale und inhaltliche Qualitätskriterien, Überprüfungsmöglichkeiten der Gutachtensqualität und Grenzen der Begutachtung sollen erarbeitet und diskutiert werden.

Ø  Das Gespräch mit Kindern und Jugendlichen aus psychologischer Sicht: Bei dieser Veranstaltung werden Spezialthemen der Diagnostik erörtert.

Ø  Gefährliche Jugendjahre - ein Seminar zum vertieften Verständnis jugendlicher Entwicklungsprozesse und ihrer Krisen: Ziel dieser Veranstaltung ist die Information und der Austausch über gelingende, aber auch vom Scheitern bedrohte Entwicklungsprozesse im Jugendalter. Eine differenzierte Kenntnis entwicklungspsychologischen Wissens stellt eine wesentliche Hilfestellung bei Falleinschätzungen, Urteilsfindungen und Gutachtenseinschätzungen dar.

Ø  Getestet. Diagnoseverfahren in der familiengerichtlichen Sachverständigenbegutachtung: In dieser Veranstaltung werden einzelne Tests zur Erhebung der Bindungs- und Beziehungsvorlieben von Kindern und Jugendlichen vorgestellt, um eine kritische Bewertung zu ermöglichen.

Für den Bereich der Wirtschaftsbelange in zivil- und strafrechtlicher Sicht können u.a. folgende Veranstaltungen genannt werden:

Ø  Unternehmensbewertung: In diesem Seminar soll unter anderem Wissen dazu vermittelt werden, wie vorliegende Gutachten zur Unternehmensbewertung von Experten und Sachverständigen auf Plausibilität und Ordnungsmäßigkeit überprüft werden können.

Ø  Die LL.M.-Lehrgänge „Wirtschaftskriminalität und Recht“ und die Zertifikatslehrgänge „Wirtschaftsrecht“ für Zivilrichter/innen einerseits sowie für Strafrichter/innen und Staatsanwält/innen andererseits zielen u.a. ebenfalls darauf ab, eine Plausibilitäts- und Qualitätskontrolle von Gutachten vornehmen zu können.

Veranstaltungen, die sich mit der Qualitätskontrolle von Gutachten im „klassischen“ medizinischen Bereich (Unfallopfer) beschäftigen, werden momentan noch nicht angeboten.

 

3.    „Aufhebung bzw. Nichtbeschließung des (Polizeilichen) Staatsschutzgesetzes (Ministerialentwurf 110/ME XXV. GP)“ (79/Bl)

Diesbezüglich ist auf die laufenden parlamentarischen Verhandlungen (zuletzt in der Sitzung des Innenausschusses vom 1. Dezember 2015, siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1364 vom 1. Dezember 2015) zu verweisen, die ausgewogene und auch auf die Forderungen der Bürgerinitiative Bedacht nehmende Regelungen im PStG erwarten lassen.

Die von der Bürgerinitiative kritisierte Divergenz zwischen der erlaubten Dauer der Datenspeicherung und der Dauer der Protokollierungspflicht dürfte noch keiner Lösung zugeführt worden sein. Zu dieser Frage darf eine Befassung des hiefür zuständigen Bundeskanzleramts (siehe dazu auch die diesen Punkt kritisch aufzeigende Stellungnahme des Verfassungsdiensts des Bundeskanzleramts, 24/SN-110/ME XXV. GP) angeregt werden.

 

4.    „Schlichtungsstellen für Mietrechtsangelegenheiten“ (83/Bl)

Nach der derzeitigen Rechtslage setzt eine Schlichtungsstelle gemäß § 39 Abs. 1 MRG voraus, dass die betreffende Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten verfügt und die Anzahl der in der Gemeinde anfallenden wohnrechtlichen Außerstreitverfahren die Betrauung der Gemeinde mit dem Betrieb einer Schlichtungsstelle zum Zweck der Entlastung des Gerichts rechtfertigt. Nach      § 39 Abs. 2 MRG stellen der Bundesminister für Justiz und der Bundesminister für Inneres gemeinsam durch Kundmachung fest, für welche Gemeinden diese Voraussetzungen zutreffen. Die letzte, noch immer gültige Kundmachung, auf die auch § 50 MRG verweist, ist jene vom 25. Juni 1979, BGBl. Nr. 299/1979, in der insgesamt elf Gemeinden angeführt sind. Anzumerken ist, dass sich die Einrichtung von Schlichtungsstellen nach geltender Rechtslage nicht auf Bundesländer oder Bezirke, sondern auf bestimmte Gemeinden bezieht.

Auch bei einer bloß systemimmanenten, also weiterhin auf Gemeinden beschränkten Neuschaffung von Schlichtungsstellen müssten in erster Linie die Gemeinden dafür gewonnen werden, fachlich geschulte Beamte oder Angestellte zur Verfügung zu stellen. In Zeiten allseits beengter Ressourcen im öffentlichen Bereich kann das nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden.

Die Erweiterung des Kreises der Schlichtungsstellen durch die Schaffung solcher Einrichtungen auf einer gemeindeübergreifenden Ebene würde zunächst eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen erfordern. Doch kann – wie schon erwähnt – der Bundesgesetzgeber nicht aus Eigenem die Vermehrung der Gemeinde-Schlichtungsstellen oder die Schaffung einer neuen Schlichtungsstruktur auf einer anderen organisatorischen und behördlichen Ebene beschließen, sondern es bedarf dazu der Zustimmung und der Mitwirkung der betroffenen Gemeinden oder Länder. Gemeinden oder Länder müssten sich bereit erklären, zur Gerichtsentlastung eigene Mittel einzusetzen, wie sie mit dem Betrieb einer Schlichtungsstelle und insbesondere mit der Tätigkeit eines juristisch geschulten Beamten oder Angestellten mit Spezialkenntnissen im Bereich des Mietrechts verbunden sind. Voraussetzung ist neben der Zurverfügungstellung einer fachlich kompetenten Person eine gewisse Anzahl der in der Gemeinde anfallenden wohnrechtlichen Außerstreitverfahren, die die Existenz einer Schlichtungsstelle vor dem Hintergrund der Entlastung des Bundes von justiziellen Aufgaben rechtfertigt. Bei den bisherigen Vorstößen zur Propagierung dieses Anliegens wurde – auch auf ausdrückliche Anfrage des Bundesministeriums für Justiz – bisher keine einzige Gemeinde oder sonstige Gebietskörperschaft genannt, die bereit wäre, unter Erfüllung dieser Voraussetzungen in den Kreis der Schlichtungsstellen aufgenommen zu werden. 

Falls solche Einrichtungen aber auf einer gemeinde- oder bezirksübergreifenden Ebene geschaffen werden sollten, müssten durchgreifende Änderungen der einschlägigen Gesetzesbestimmungen beschlossen werden. Unter anderen wären auch eindeutige Regelungen darüber erforderlich, für welche Bezirksgerichtssprengel etwa eine Landesschlichtungsstelle genau tätig wird und wie sich die nachfolgende Anrufung der Gerichte gestaltet.

Ein allfälliger Einsatz auch anderer Gebietskörperschaften müsste außerdem in verfassungsrechtlicher Hinsicht geprüft werden. Es handelt sich hier nämlich um zivilrechtliche Angelegenheiten, die grundsätzlich in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallen und in denen nur ausnahmsweise zunächst eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung angerufen werden kann. Zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung und zur Gewährleistung eines klaren Regelungsgefüges zur Beurteilung der sogenannten Rechtswegszulässigkeit ist es unabdingbar notwendig, bei dieser Konzeption eine einheitliche, eindeutig abgegrenzte Behördenstruktur einzuhalten. Daher wäre zu prüfen, ob es zulässig ist, dem gerichtlichen Verfahren in bestimmten Bundesländern wie bisher Gemeinden vorzuschalten, in anderen Bundesländern oder gar in einzelnen Bezirken davon abweichend hingegen andere Behörden.

 


 

5.    „Ehe Gleich! Aufhebung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare“ (85/Bl)

Die Frage, ob die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen sein soll, wird in verschiedenen Staaten durchaus unterschiedlich gesehen. Viele Staaten stellen gleichgeschlechtlich orientierten Menschen ein weitgehend der Ehe angenähertes Rechtsinstitut zur Verfügung, andere haben das traditionelle Rechtsinstitut der Ehe für homosexuelle Paare geöffnet.

Der österreichische Gesetzgeber hat in der letzten Legislaturperiode mit dem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) einen wesentlichen Schritt für das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Menschen in Österreich gesetzt. Dieses Gesetz eröffnet gleichgeschlechtlichen Menschen zwar nicht die Ehe, regelt aber das Zusammenleben in weitgehender Annäherung an die Ehe. Zu diesem Konzept haben sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als auch der Verfassungsgerichtshof (im Zusammenhang mit der Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit haben müssen, die Partnerschaft am Standesamt eingehen zu können) entschieden, dass dem nationalen Gesetzgeber hier ein Gestaltungsspielraum zukomme und er nicht zur Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare verpflichtet sei.

Aus grundrechtlicher Sicht bedarf es daher nicht zwingend nur einer Form des Lebensbundes für gleich- oder verschiedengeschlechtliche Menschen. Entscheidend ist dass es keine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung einer der gewählten Lebensformen im Verhältnis zur jeweils anderen gibt.

Damit im Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass aufgrund eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gleichgeschlechtlichen Personen mit Beginn des Jahres 2016 die gemeinsame Adoption eines Kindes offensteht.

 

6.    „Leerstand öffnen“ (91/Bl)

Der Großteil der in dieser Bürgerinitiative angesprochenen Aspekte gehört nicht zum Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz, etwa die Anliegen betreffend Grundrechte, Abgabenrecht oder Privatisierung.

Soweit unter dem Punkt "Leerstandsnutzung ab einem Jahr ermöglichen" gefordert wird, dass bei einem Leerstand von privaten Gebäuden und Grundstücken von mehr als einem Jahr "eine nicht-kommerzielle Nutzung ermöglicht werden" muss, legt die Bürgerinitiative nicht offen, auf welche Weise diese Nutzung konkret ermöglicht werden solle. Sofern eine Nutzung gegen den Willen des Eigentümers angestrebt wird (wovon auszugehen ist), käme eine solche nur auf der Grundlage von Enteignungsbestimmungen in Betracht. Derart weitreichenden Eingriffen steht das Bundesministerium für Justiz – nicht zuletzt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen - äußerst skeptisch gegenüber.

Auch beim Punkt "Verstärkte Maßnahmen gegen Wohnraumspekulation setzen" führt die Bürgerinitiative nicht aus, an welche Maßnahmen konkret gedacht ist. Soweit auf eine Adaption der Regelungen im Mietrecht abgezielt wird, ist aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz festzuhalten, dass die Verhandlungen über eine Wohnrechtsreform seit einiger Zeit auf parlamentarischer Ebene stattfinden. Die konkreten Inhalte einer Mietrechtsreform hängen daher ausschließlich von den Festlegungen bei diesen von den Bautensprechern der Regierungsparteien geführten Verhandlungen ab.

 

 

Wien, 29. Dezember 2015

Für den Bundesminister:

Mag. Magdalena Beck

 

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