An die

Parlamentsdirektion

z.B. Herrn Mag. Gottfried Michalitsch

Dr. Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

 

Betrifft: Parlamentarische Bürgerinitiative (69/BI XXV.GP) Einführung einer österreichweiten anonymen Statistik über Schwangerschaftsabbrüche und der Erforschung der Gründe dafür. Stellungnahme.

 

Sehr geehrte Damen und Herren

 

Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich noch immer ein Tabu. Es wird nicht darüber gesprochen. Es gibt keine Daten von verlässlicher Stelle. Niemand hat einen Überblick darüber, wie viele Frauen betroffen sind.

 

Leidtragende dieses Wegschauens sind die betroffenen Frauen. Auch in meiner Arbeit als Hebamme  kommen Abbrüche immer wieder zur Sprache. Und es zeigt sich deutlich: Frauen haben den Eindruck, dass niemand etwas damit zu tun haben will. Sie erwarten keine Hilfe und suchen deshalb auch keine. Sie stehen ziemlich allein da.

 

Ein besonderes Thema sind Spätabbrüche, die immer eine schwere Krise für die betroffene Frau bedeutet. Spätabbrüche sind eingeleitete Geburten, die von Hebammen begleitet werden. Nach der 23. Schwangerschaftswoche ist es möglich, dass das Kind lebend zur Welt kommt und erst nach Stunden verstirbt. Hebammen stehen den Frauen in diesen schwierigsten Stunden zur Seite und versorgen auch die Kinder. Auch nach der Geburt stehen sie als Begleiterinnen der Frauen zur Verfügung.

 

Aus Respekt vor den Kindern und den Eltern wäre es wünschenswert, dass diese Kinder und die zugrundeliegenden Diagnosen zumindest statistisch gezählt werden. Aus psychologischer und rein menschlicher Perspektive hilft das Bagatellisieren und Verschweigen von Spätabbrüchen niemandem, im Gegenteil verhindert es, dass Betroffene Abschied nehmen, ihr Kind betrauern und dieses Ereignis in ihr Leben integrieren und verarbeiten können.

Die freie Entscheidung von Frauen für oder gegen einen Abbruch ist nicht in Frage zu stellen. Das rechtfertigt jedoch keine Verweigerung einer Datenerhebung. Im Gegenteil: Eine fundierte Datenerhebung führt zu Entideologisierung. Sie ermöglicht eine auf sachlichen Argumenten basierte Behandlung des Themas zum Vorteil der betroffenen Frauen. Sie ist notwendig, um zielgruppengerechte Präventionsarbeit zu leisten.

 

Aus Gründen der Transparenz und Enttabuisierung sind eine seriöse, verlässliche und von unabhängiger Stelle durchgeführte anonyme Datenerhebung sowie deren jährliche Veröffentlichung sinnvoll und notwendig.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Renate Mitterhuber MSC

Akademische Lehrhebamme

Trauerbegleiterin

www.betreuungnachdergeburt.at