Schriftliche Information des Bundesministers für Inneres

gem. § 6 Abs 3 EU-Informationsgesetz

 

 

Bezeichnung des Rechtsaktes: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer umfassende Qualifikationen voraussetzenden Beschäftigung

(2016/0176 (COD))

 

1.    Inhalt des Vorhabens

Durch Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte soll die neu vorgelegte Richtlinie zur „Blauen Karte EU“ verstärkt dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken und gegen den Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften (z. B. in den Bereichen IKT, Gesundheits- und Ingenieurwesen) vorzugehen.

 

Aus Sicht der Kommission konnte die derzeitige Regelung aus dem Jahr 2009 diese Ziele jedoch nicht verwirklichen und sei aufgrund ihrer immanenten Mängel (z. B. restriktive Zulassungsbedingungen) an ihre Grenzen gestoßen. Die EU stehe im weltweiten Wettbewerb, Migration in die EU erfolge jedoch primär im Zusammenhang mit der Schutzbedürftigkeit von Personen.

 

Die Kommission schlägt daher im Wesentlichen folgende Änderungen im Zusammenhang mit der „Blauen Karte EU" vor:

a)     Abschaffung paralleler nationaler Systeme für hochqualifizierte Zuwanderung;

b)     Senkung der Zulassungsbedingungen (beispielsweise Senkung der Einkommensschwelle, verkürzte Vertragslaufzeit, Anerkennung gleichwertiger Berufserfahrung);  

c)     Ausdehnung auf hochqualifizierte Asylberechtigte;

d)     Daueraufenthalt nach drei Jahren (statt 5 Jahren);

e)     Verstärkte Mobilität innerhalb der EU für Inhaber der „Blauen Karte EU“;

f)       Erleichterung bei Folgeantrag in anderen Mitgliedstaaten (gekürztes Verfahren, kein erneuter „Arbeitsmarktcheck“ und Übergangsfrist für Arbeitssuche);

g)     Einführung eines Systems „vertrauenswürdiger Arbeitgeber“;

h)     Verkürzung der Verfahrensfristen, insbesondere beim Erstverfahren.  

 

2.    Hinweise auf Mitwirkungsrechte des Nationalrates und Bundesrates

Die Mitwirkungsrechte des Nationalrates und des Bundesrates bei der Änderung der Richtlinie 2009/50/EG auf EU-Ebene ergeben sich aus den Protokollen Nr. 1 (über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union) und Nr. 2 (über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit) zum EUV bzw. AEUV.

 

3.    Auswirkungen auf die Republik Österreich einschließlich eines allfälligen Bedürfnisses nach innerstaatlicher Durchführung

Anpassung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erforderlich; nach aktuellem Verhandlungsstand Entfall der Rot-Weiß-Rot Karte.

 

4.    Position des/der zuständigen Bundesminister/in samt kurzer Begründung

Grundsätzlich werden Vorhaben, welche die Wettbewerbsfähigkeit der EU verbessern, begrüßt und Maßnahmen zur angemessenen Harmonisierung der Zulassungsbedingungen unterstützt.

 

Die Förderung des (temporären) Zuzugs Hochqualifizierter muss jedoch mit Maß und Ziel erfolgen und stets im Zusammenhang mit möglichen Auswirkungen auf den nationalen Arbeitsmarkt betrachtet werden.

 

Aus Sicht des Bundesministeriums für Inneres sind es insbesondere folgende Punkte, die Knackpunkte in den laufenden Verhandlungen darstellen: 

1)     Das Verbot nationaler paralleler Systeme, wie beispielsweise der „Rot-Weiß-Rot Karte“, da somit keine Reaktionsmöglichkeit auf dynamische Entwicklung des heimischen Arbeitsmarktes mehr gegeben wäre.

 

2)     Ausweitung der Anspruchsberechtigung auch auf hochqualifizierte Asylberechtigte, da das Angebot der „Blauen Karte EU“ einen zusätzlichen Pull Faktor darstellen könnte und Asylberechtige bereits jetzt Zugang zu Arbeitsmarkt haben.

 

3)     Erlangung des Daueraufenthalts schon nach drei Jahren, wobei dies auch den geltenden Bestimmungen der Daueraufenthalts-Richtlinie [RL 2003/109/EG vom 25. November 2003] widerspricht.

 

 

5.    Angaben zu Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität

Dieser Vorschlag betrifft die Zulassungsbedingungen und -verfahren sowie die Rechte von beruflich Hochqualifizierten Drittstaatsbürgern, die Teil einer gemeinsamen Zuwanderungspolitik gemäß Artikel 79 AEUV sind. Er bietet erweiterte Rechte und stärkere integrative Regelungen, wobei die Mitgliedstaaten über eine gewisse Flexibilität bei der Anpassung der Regelung an ihre nationalen Gegebenheiten verfügen. Der mit geänderten Rechtsvorschriften verbundene Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten würde moderat ausfallen, da die „Blaue Karte EU“ bereits existiert und eine verstärkte Zusammenarbeit durch die Vorteile einer zeitgemäßen Regelung aufgewogen würde.

 

Die EU für Fachleute aus Drittstaaten attraktiver zu machen sei Anliegen aller Mitgliedstaaten, welches zunehmend an Bedeutung gewinnt. Zwar könnte jeder Mitgliedstaat weiterhin seine eigene innerstaatliche Regelung für beruflich qualifizierte Fachkräfte anwenden, aber dies würde nicht die Attraktivität der EU als Ganzes erhöhen, so die Kommission.

 

Die praktische Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt hingegen, dass zur „Blauen Karte EU“ parallele, nationale Systeme der legalen Zuwanderung Hochqualifizierter jedenfalls geeigneter sind, mit der gebotenen Flexibilität auf die wirtschafts-, und arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu reagieren. Jedenfalls müsse bei der weiteren Harmonisierung der Zulassung von hochqualifizierten Fachkräften die Zuständigkeit jedes einzelnen Mitgliedstaates auf Genehmigung des Zugangs zum Arbeitsmarkt (Artikel 79 Absatz 5 AEUV) berücksichtig werden.

 

 

6.    Stand der Verhandlungen inklusive Zeitplan

Erste Behandlung auf Expertenebene erfolgte in der Ratsarbeitsgruppe Migration am 13. Juni sowie am 16. Juli 2016, wobei sich ein Großteil der Mitgliedsstaaten kritisch hinsichtlich der Abschaffung paralleler nationaler Systeme zeigte.

Die nächste Ratsarbeitsgruppe Migration findet am 7./8. September 2016 statt.