Runder Tisch Menschenrechte

Vorsitz: DSA Christian Treweller, christian@treweller.at, 0699/1010 9259

Stellungnahme verfasst von:
DDr. Philip Czech, philip.czech@sbg.ac.at, 0699/10328801

 

An die

Parlamentsdirektion

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

Per E-Mail: katharina.klement@parlament.gv.at; begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

Salzburg, am 20.4.2016

 

Stellungnahme des Runden Tisches Menschenrechte der Stadt Salzburg
betreffend den Antrag im Ausschuss auf Ausschussbegutachtung (4/AUA) Gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Jürgen Schabhüttl und Werner Amon, MBA zur Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA-Verfahrensgesetz geändert werden (996 d.B.)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Runde Tisch Menschenrechte der Stadt Salzburg erlaubt sich, zu den geplanten Änderungen des Asylgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

 

STELLUNGNAHME

Die Änderungen des Asylgesetzes, die am 25. April im Innenausschuss beschlossen werden sollen, werden es nicht nur massiv erschweren, in Österreich Schutz vor Verfolgung zu finden, sondern sich auch gravierend auf die Situation von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten auswirken. Diese Wirkungen werden auch die Behörden der Stadt Salzburg vor noch größere Herausforderungen stellen. Dies gilt vor allem für zwei Änderungen: die Einschränkungen bei der Familienzusammenführung und die zeitliche Beschränkung des Asylstatus.

Die vorliegende Stellungnahme beschränkt sich bewusst auf jene geplanten Änderungen, die sich unmittelbar auf die Situation von Schutzberechtigten auswirken werden, die bereits jetzt in der Stadt Salzburg leben oder in Zukunft hier ihren Aufenthalt nehmen werden. Auf die grundrechtlichen Bedenken hinsichtlich einiger Neuerungen wird ebenfalls nur am Rande eingegangen. Diesbezüglich kann auf die Stellungnahmen von UNHCR (12/SN-166/ME), der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs (20/SN-166/ME) und des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte (34/SN-166/ME) verwiesen werden.

 

1.         Einschränkungen bei der Familienzusammenführung

Das Asylgesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen die engsten Familienangehörigen von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten nach Österreich kommen dürfen. Bisher erlaubte das Asylgesetz eine Familienzusammenführung von minderjährigen Kindern mit ihren Eltern und von Ehepaaren, die bereits im Herkunftsland verheiratet waren.

Die Novelle zum Asylgesetz bringt Einschränkungen bei der Familienzusammenführung, die sich massiv auf die Chancen von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten auswirken, das Familienleben mit ihren engsten Angehörigen wiederaufnehmen zu können.

Bei subsidiär Schutzberechtigten – also Menschen, die zwar nicht persönlich auf politischen, ethnischen oder ähnlichen Gründen verfolgt werden, aber ihre Heimat wegen der dort herrschenden Gefahr für Leib und Leben verlassen mussten – wird in Zukunft eine Wartefrist von drei Jahren gelten, bevor die Einreise von Angehörigen beantragt werden kann (§ 35 Abs. 2 AsylG). Dies stellt einen massiven Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens dar und wird zusätzliche Herausforderungen für die Behörden der Stadt Salzburg mit sich bringen. Denn vor allem bei Minderjährigen, die alleine nach Österreich geflohen sind oder unterwegs von ihren Eltern getrennt wurden, bedeutet dies, dass sie auch nach der Anerkennung als Schutzbedürftige mindestens drei Jahre lang von ihren Eltern getrennt bleiben. Die Kinder- und Jugendhilfe, welche die Obsorge für diese Kinder ausübt, wird diese Verantwortung somit deutlich länger als bisher tragen müssen. Auch die Zahl der von der Kinder- und Jugendhilfe untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wird sich dadurch erhöhen, was nicht zuletzt einen beträchtlichen finanziellen Mehraufwand verursachen wird.

Zudem wird bei Kindern, deren Asylverfahren erst nach Erreichen des 15. Lebensjahres abgeschlossen wurde, ein Nachzug der Eltern ausgeschlossen, weil sie nach Ende der Dreijahresfrist bereits volljährig sind und eine Familienzusammenführung dann nicht mehr möglich ist. Dies lässt befürchten, dass in Zukunft noch jüngere Kinder auf den Weg geschickt werden, um die Chancen auf einen späteren Nachzug der Eltern und Geschwister zu wahren.

Sowohl bei Asylberechtigten als auch bei subsidiär Schutzberechtigten wird der Nachzug insofern erschwert, als er in Zukunft in der Regel vom Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel, einer angemessenen Unterkunft und einer Krankenversicherung abhängig gemacht wird (§ 35 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. § 60 Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG). Dies wird es für viele Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte unmöglich machen, ihre Familienangehörigen zu sich nach Österreich zu holen.

Diese Einschränkungen bei der Familienzusammenführung sind aus menschenrechtlicher Sicht höchst problematisch, insbesondere weil sie die aus Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention, Art. 24 der EU-Grundrechtecharta und Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern resultierende Pflicht zur vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls negieren. Außerdem ist die absolute Geltung der dreijährigen Wartefrist problematisch, weil sie in Einzelfällen zur Verweigerung des Familiennachzugs führen wird, obwohl dieser durch Art. 8 EMRK geboten ist.

Die Trennung von Familienmitgliedern ist nicht nur für die Betroffenen eine große psychische und soziale Belastung, sondern wirkt sich auch negativ auf die Integration aus. Gerade für Kinder, die aus Krisengebieten geflohen sind und eine oft sehr belastende Flucht hinter sich haben, ist eine Aufarbeitung des Erlebten im Familienkreis essentiell. Ein stabiles familiäres Umfeld, das Unterstützung und Halt gibt, ist ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Integration.

 

2.         „Asyl auf Zeit“

Ein zentraler Bestandteil der Novelle ist die zeitliche Beschränkung des Status von Asylberechtigten. In Zukunft soll mit der Zuerkennung des Status des bzw. der Asylberechtigten eine Aufenthaltsberechtigung verbunden sein, die zunächst auf drei Jahre befristet ist (§ 3 Abs 4 AsylG). Nach Ablauf dieser Befristung erfolgt ex lege eine Verlängerung, sofern nicht die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten erfüllt sind. Dazu zählt insbesondere der Wegfall der Umstände im Herkunftsland, aufgrund derer die Flüchtlingseigenschaft anerkannt worden ist. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) soll in Zukunft zumindest jährlich analysieren, inwiefern sich in den wichtigsten Herkunftsländern die politische Situation geändert hat, sodass eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.

Da schon nach der bislang geltenden Rechtslage eine Aberkennung des Asylstatus möglich ist (§ 7 AsylG), besteht die wesentliche Neuerung darin, dass nunmehr die zunächst mit der Anerkennung als Flüchtling verbundenen Aufenthaltserlaubnis befristet ist und das BFA systematisch prüfen muss, ob im Einzelfall Gründe für die Aberkennung des Status vorliegen.

Die zeitliche Befristung des Asylstatus bringt für die Betroffenen – aber auch für ihr Umfeld – wesentliche Unsicherheitsfaktoren mit sich. Wenn unsicher ist, ob die Aufenthaltsberechtigung nach drei Jahren verlängert wird, behindert dies die Integration. Es ist zu befürchten, dass die Arbeitssuche für Asylberechtigte wesentlich erschwert wird, da Arbeitgeber wegen der unsicheren Aufenthaltsperspektive davor zurückschrecken werden, sie einzustellen. Mit noch größeren Schwierigkeiten als schon bisher werden Asylberechtigte auch auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert sein.

 

3.         Fazit

Integration findet in erster Linie im kommunalen Umfeld statt. Dies gilt gerade für die größeren Städte wie Salzburg, die wegen ihrer Infrastruktur und der besseren Beschäftigungsmöglichkeiten für viele Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte attraktiver sind als der ländliche Raum. Die geplanten Änderungen des Asylgesetzes werden die Behörden der Stadt Salzburg – aber auch ihre Bewohner – vor noch größere Herausforderungen stellen.

Der Gesetzgeber nimmt mit dieser Novelle in Kauf, dass die Integration von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten erheblich erschwert wird. Damit werden die Bemühungen der Stadt Salzburg um eine nachhaltige Integration konterkariert.

 

Der Runde Tisch Menschenrechte der Stadt Salzburg ersucht um Berücksichtigung dieser Stellungnahme und darum, den Entwurf dahingehend zu überarbeiten, dass die beschriebenen negativen Auswirkungen insbesondere auf die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – für deren Betreuung die Stadt Salzburg verantwortlich ist – und allgemein auf die Integration von Schutzberechtigten vermieden werden.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

 

DSA Christian Treweller

DDr. Philip Czech

für den Runden Tisch Menschenrechte der Stadt Salzburg