An den

Justizausschuss des österr. Parlaments

 

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Villach, am 26.4.2017

Betrifft:

Ausschussbegutachtung zur Reform des Privatkonkurses (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 - RV BlgNr 1588), beschlossen am 31.3.2017 (Nr. 381/2017)

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren !

 

Als für Konkurssachen am BG Villach zuständiger Richter und damit Bearbeiter von bezirksgerichtlichen Konkursverfahren seit vielen Jahren gestatte ich mir, ebenfalls eine Stellungnahme zur geplanten Gesetzesänderung abzugeben.

Unter Punkt I. erlaube ich mir in meiner Stellungnahme praktische Erfahrungen vor allem im Zusammenhang mit Konkursverfahren leistungsschwacher Schuldner wiederzugeben; unter II. gehe ich nicht zuletzt auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen die beabsichtigte Neuregelung durch. Da diese allerdings befürchten lässt, dass durch die höhere Attraktivität des Abschöpfungsverfahrens auch die gewöhnlichen Zahlungspläne von den angebotenen Quoten her künftig kleiner ausfallen werden, skizziere ich unter III. einen Alternativvorschlag auf Basis der erklärten Reformziele, welcher meiner Meinung nach die nachteiligen Folgen für die Mehrheit der Normalfälle besser vermeidet:

- sieben Jahre bleiben, aber Einstellungsmöglichkeit nach frühestens drei Jahren unter Restschuldbefreiung für Personen mit dauerhaft fehlender Leistungsfähigkeit;

- bei allen übrigen nach sieben Jahren Restschuldbefreiung, wenn im Abschöpfungsverfahren jene Quote erreicht wurde, die im Zahlungsplan zumindest anzubieten war (flexible individuelle Quote nach Leistungsfähigkeit statt gänzlicher Entfall oder starre 10 %), § 213 Abs 2 bis 4 IO (Restschuldbefreiung nach Billigkeit) bleiben auch diesbezüglich.

 

                Insoweit in der Stellungnahme Kostendeckungsfragen aufgeworfen und behandelt werden, handelt es sich um zweitrangige Fragen, die allerdings auch einer Wertungsentscheidung - soll der Staat auch noch dazuzahlen - bedürfen.

 

 

 

(MMag. Peter Krenn)

(Richter des BG Villach)

 

 

I.  Wahrnehmungen zur bisherigen Praxis des Privatkonkurses

 

                1) Es deckt sich mit meiner persönlichen Einschätzung, dass primär für zwei Personenkreise eine Restschuldbefreiung über den bisherigen Privatkonkurs nicht "erschwinglich" war:

                a) für Personen mit unternehmerischer Vergangenheit und daraus resultierenden höheren Verbindlichkeiten ("Großschuldner": Schulden aus der Zeit als Einzelunternehmer; persönliche Haftungen, die als Geschäftsführer einer GmbH eingegangen wurden oder gesetzlich bestehen) sowie

                b) für Personen, die zwar absolut gesehen keine hohen Schulden haben, welche aber nicht bloß aktuell über kein oder kein ausreichendes Einkommen verfügen ("Kleinschuldner": Wenigverdiener, Arbeitslose bzw. schwer am Arbeitsmarkt zu vermittelnde Personen, Frauen in der Phase der Kinderbetreuung)

 

                Während die erste Gruppe auf die Annahme eines Zahlungsplans mit geringer Quote angewiesen war, weil das Erreichen von (auch nur annähernd) 10 % über die Abschöpfung völlig unrealistisch war und bei Ablehnung des Zahlungsplans eher von einem Abschöpfungsverfahren Abstand genommen worden ist, mussten von der zweiten Gruppe auch für ein "Abschöpfungsverfahren" (von Haus aus oder nach Verlust der Arbeit) Beträge aus dem Existenzminimum abgezweigt werden, was oft nur für kurze Zeit funktioniert hat und selten über sieben Jahre.

 

                2) Zwei Phänomene sind vor allem zuletzt bei der zweiten Personengruppe vermehrt aufgetreten:

                a) Das Versiegen der Eingänge am Treuhänderkonto bei der angeordneten jährlichen Ausschüttung ohne Rückstellungen hat bewirkt, dass eine aus der ersten Zeit stammende minimale Quote an die Gläubiger ausgeschüttet werden konnte, Treuhänderkosten akkumuliert wurden, für die der Treuhänder am Ende der sieben Jahre Ersatz aus Amtsgeldern begehrt hat (im Extrem bis zu EUR 1000,--; bei Gesamtschulden eines "Kleinschuldners" von EUR 20.000,-- stellt dies 5 % dar !)

                b) Ungeachtet einer auch nur minimalen Quote oder sogar Null-Quote haben die von der Schuldnerberatung vertretenen Schuldner Anträge nach § 213 Abs 2 bis 4 IO gestellt. Die Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens war schon der Treuhänderkosten wegen keine bewilligungsfähige Option. Die sofortige Restschuldbefreiung widersprach § 213 Abs 2 IO, wobei anzumerken ist, dass die Gläubiger, die zu den Anträgen zu hören waren, sich kaum einmal gegen die Anträge ausgesprochen haben. Die Gläubiger mit den größeren Forderungen dürften diese längst ausgebucht haben und jegliches Interesse am weiteren Verlauf verloren haben; widersprochen haben lediglich der Präsident des OLG  (Unterhaltsvorschüsse) und die eine oder andere Einbringungskanzlei.

                Als beste Erledigung erschien es, dass Ergänzungszahlungen, und sei es auch nur eine Differenz auf deutlich unter 10 %, geboten wurden, weil es in meinen Augen keine wirtschaftlich vernünftige Alternative gab: Die Gläubiger bekommen, wenn es gelingt, so immerhin noch einen Teil ihrer Forderung - und der Schuldner die Restschuldbefreiung; die Alternative wäre, dass die Schulden bleiben, allfällige weitere Kosten durch Einbringungsschritte anerlaufen, mangels künftig pfändbaren Einkommens aber wahrscheinlich nie mehr etwas hereingebracht werden kann oder eben nur für denjenigen im ersten Rang.

                Noch leichter war die Bewilligung zu begründen, wenn ohnehin die Differenz auf die 10 % geboten wurde, wobei eine gewisse Skepsis angebracht ist, warum nun in drei Jahren etwas glücken soll, was in sieben Jahren nicht geschafft worden ist, nämlich einige Tausend Euro doch noch abzuzweigen.

 

                3) Warum auch geringe Ergänzungszahlungen zu bewilligen wären, lässt sich damit rechtfertigen, dass Personen aus dem Kreis der „Kleinschuldner“ oft schon aufgrund von Ausbildung und Alter schwer eine Arbeit finden; wenn dann noch bei jedem neuen Arbeitgeber Exekutionen „hereinflattern“ werden, wird dadurch erfahrungsgemäß der Erhalt einer Arbeitsstelle zusätzlich erschwert, wenn nicht sogar verhindert bzw. kann dies deren baldigen Verlust bedeuten. Ohne Restschuldbefreiung ist es daher uU tatsächlich nur schwer möglich, wieder zu einer Arbeitsstelle zu kommen.

 

                4) Wenn man die Privatkonkurse am BG Villach durchsieht, ergibt sich, dass die Zahl der Verfahren von den Anfängen im Jahre 1995 bis 2010 stets zugenommen und mit 200 Verfahren in diesem Jahr ihren Höchststand erreicht haben; seither ist die Zahl rückläufig. Die meisten Abschöpfungsverfahren wurden 2004 (40 bei 125 Konkursverfahren) eingeleitet, in den letzten drei Jahren waren es jährlich nur mehr unter 10 Verfahren und im Schnitt 5 %.

                Die Analyse der in den Jahren 2006, 2007 und 2008 eingeleiteten Konkursverfahren ergibt Folgendes:

 

2006: 175 Verfahren, davon 18 mit Abschöpfungsverfahren

 

Restschuldbefreiung nach § 213/1: 11 x

Restschuldbefreiung nach Verlängerung um 3 J: 1 x

Vorzeitige Einstellung nach § 210a/3 : 3 x

Versagung nach § 213/1: 1 x

Versagung nach Scheitern der Ergänzungszahlungen: 1 x                                                                         

Verfahren mit Ergänzungszahlungen noch offen: 1 x

 

2007: 140 Verfahren, davon 21 mit Abschöpfungsverfahren

 

Restschuldbefreiung nach § 213/1: 9 x

Restschuldbereiung nach § 213/2: 1 x

Restschuldbefreiung nach Ergänzungszahlungen: 2 x

Vorzeitige Einstellung nach § 210a/3 : 4 x

Versagung nach § 213/1: 1 x

Verfahren mit Ergänzungszahlungen noch offen: 2 x (auf in Summe 4 – 10 %)

 

2008: 170 Verfahren, davon 33 mit Abschöpfungsverfahren

 

Restschuldbefreiung nach § 213/1: 21 x

Restschuldbefreiung nach Verlängerung um 3 J: 1 x

Vorzeitige Einstellung nach § 210a/3 : 6 x

Verfahren mit Ergänzungszahlungen noch offen: 4 x (auf in Summe 6 – 10 %)

Einstellung nach Tod: 1 x

 

                Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass rund 20 % der in diesen Jahren eingeleiteten Abschöpfungsverfahren das Ziel Restschuldbefreiung verfehlt haben; wenn die 10 % Hürde in den sieben Jahren nicht geschafft wurde - in mehr als der Hälfte der Abschöpfungsverfahren ist die Quote des § 213 Abs1 IO ohnehin erreicht worden –, dürfte am ehesten noch durch die Einräumung von Ergänzungszahlungen das aus Schuldnersicht angestrebte Ziel erreichbar sein. Das Gros der Verfahren (weit über 80 %) mündet in einen Zahlungsplan, dessen Erfolg nicht mehr aktenkundig wird, wobei, wenn sich in einem Akt die Anträge auf Ausstellung eines Auszuges aus dem Anmeldeverzeichnis häufen, darauf geschlossen werden kann, dass der Zahlungsplan notleidend geworden ist. Dies war nicht sehr oft der Fall.

 

                5) Aufzuzeigen sind aber, wie oben bereits erwähnt, die in der Praxis mit dem Abschöpfungsverfahren verbundenen Kosten, die dann am deutlichsten werden, wenn es zu keinen Eingängen (mehr) kommt, also in den bisher schon vereinzelt vorgekommenen Verfahren mit Null-Quote, in den vorzeitig nach § 210a Abs 3 IO beendeten Verfahren oder in jenen Verfahren zwar mit Quote aus der ersten Zeit, dann aber versiegenden Eingängen.

 

                Bei der Schaffung des Privatkonkurses ging man ja offensichtlich noch davon aus, dass in den Zeiten ohne Eingänge auch keine Treuhänderkosten anfallen würden (vgl. Mohr in Konecny-Schubert § 204 Rz 1).

                De facto wird jedoch mit der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens vom Treuhänder sogleich ein eigenes Treuhandkonto bei einem Bankinstitut eingerichtet; die Treuhänder verzeichnen auch dann, wenn es jahrelang zu keinen Eingängen und damit Ausschüttungen kommt, die Mindestvergütung von mtl. EUR 12,-- (inkl. Ust); dies neben den Bankspesen von rund EUR 30,-- jährlich, sodass im Extremfall der Null-Quote mit dieser über EUR 1200,-- an offenen Kosten einhergehen. Bei der Mindestvergütung selbst wird, qua Mindestvergütung, eine Kürzung nach 82c IO auch nicht zulässig sein, es sei denn, man betrachtet die eingangslose Zeit als gesonderten Fall gegenüber der eingangsschwachen Zeit. Allerdings ist gerade in diesen Zeiten ohne Eingänge der Treuhänder in Bezug auf dessen Überwachungstätigkeit verstärkt gefordert.

 

                Schließlich soll noch die Praxis erwähnt werden, dass die Gläubigerschutzverbände in Kärnten für ihre Beteiligung am Konkurs standardisiert zumindest je EUR 300,-- (inkl. Ust, und zwar bei einem Termin; pro weiterem Termin um EUR 30,-- mehr) ansprechen, sodass auch bei den Verfahren der "Kleinschuldner" Masseforderungen von EUR 600,-- aufwärts entstehen. Eine Bestimmung nach richterlichem Ermessen erfolgt mangels Gegenäußerung von Schuldnerseite (welche wohl im Interesse gedeihlicher Zusammenarbeit unterlassen wird) nicht. Im einem LG-Konkurs ohne Verteilungsquote entspräche diese Entlohnung einem Zahlungsplanerfordernis von annähernd EUR 100.000,-- .

 

                Selbst wenn die Abschöpfung nur drei Jahre währt, entstehen daher bei einem Null-Verfahren nach bisherigem Stand in Kärnten Kosten von EUR 600,-- + 3 x EUR 175,-- = EUR 1.125,--, bei fünf Jahren von EUR 1.475,--.

 

                6) Die Frage des kostendeckenden Vermögens (für die Anlaufkosten) des Konkursverfahrens ist eine Frage, die sich nur in Ausnahmefällen stellt. Die Einschaltungskosten der Ediktes sind längst weggefallen, die Notwendigkeit der Bestellung eines Insolvenzverwalters liegt nur selten vor, zumeist gibt es dann auch kostendeckendes Vermögen. Eine Verfahrenseröffnung unter Anwendung der Sondernormen des § 183 IO ist daher zumindest nach der Praxis der BG Villach kaum jemals vorgekommen.

 

                Mit den Änderungen durch die Insolvenzrechts-Novelle 2002 ist auch der Blick auf das Abschöpfungsverfahren im Eröffnungsverfahren jedenfalls ausgeschlossen worden; für die Kostendeckung des vom eigentlichen Konkursverfahren getrennt zu sehenden Abschöpfungsverfahren wurde in § 202 IO eine eigene Norm geschaffen. Mögen auch nach Kodek (Privatkonkurs ² Rz 552) an die Bescheinigung der voraussichtlichen Kostendeckung keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sein, so verbietet sich nach geltender Rechtslage eine Verfahrenseinleitung, wenn ich damit rechnen muss, dass es zu keinen Eingängen am Treuhandkonto kommen wird.

 

                Eine Stundung der Verfahrenskosten wie nach § 183 IO ist für das Abschöpfungsverfahren nicht vorgesehen wie es überhaupt keine im Gesetz verankerte Begründung für die Zahlung der Treuhänderkosten aus Amtsgeldern gibt. § 184 IO bezieht sich vom Wortlaut und seinem systematischen Platz her nur auf die Kosten des Konkursverfahrens und nicht auf das unter Umständen anschließende Abschöpfungsverfahren; lediglich die Materialien erwähnen die Treuhänderkosten als Anwendungsfall des § 184 IO, Kodek (Privatkonkurs² Rz 789) plädiert für eine analoge Anwendung. Jedenfalls ist die Bezahlung aus Amtsgeldern nach der bestehenden Rechtslage nicht der Grundfall, sondern der Ausnahmefall, wenn es wider Erwarten zu einem anderen Verfahrensverlauf kommen sollte.

 

                Die Möglichkeit, offene Treuhänderkosten unter sinngemäßer Anwendung des § 184 Abs 3 IO lediglich im Nachhinein hereinbringen zu können, ist, wenn es zur Restschuldbefreiung käme, als unbefriedigend und auch als Wertungswiderspruch anzusehen: die Gläubiger erhalten ihre Quote, der Schuldner die Restschuldbefreiung, der Bund soll den Verfahrenskosten nachlaufen. Vorbeugen ließe sich dadurch, dass der Treuhänder in einschränkender Anwendung des § 203 IO bei der derzeit geltenden jährlichen Verteilung Rückstellungen für die noch anfallende Vergütung (inklusive Kontospesen) vornimmt.

                Wenn zwar 10 % erreicht wurden, aber zuletzt eben Kosten offen geblieben sind, wurde in der Praxis die Nachzahlung verlangt, bevor der Beschluss über die Restschuldbefreiung gefasst werde - was sich nur systematisch über die Rechtslage beim Sanierungsplan (Kosten bezahlt oder sichergestellt) oder beim Zahlungsplan (immerhin noch nachträgliche Nichtigkeit nach § 196 Abs 2 IO) begründen lässt, unmittelbar im Gesetz aber keine Deckung findet. Im Fall des § 213 Abs 2 IO konnte Kostennachzahlung immerhin als (wahrscheinlich vom Gesetzgeber nicht bedachtes) Billigkeitserfordernis behandelt werden; bei der Entscheidung nach § 213 Abs 3 IO - diesbezüglich waren, wie bereits erwähnt, mehrfach höhere Beträge an Treuhänderkosten offen - sollte wohl auch nicht Ergebnis sein, dass der Schuldner zwar die Ergänzungszahlungen erfüllt, die Treuhänderkosten aus den abgelaufenen sieben Jahren  aber nicht mit bezahlt, weshalb meinerseits gleichzeitig mit der Bewilligung der Ergänzungszahlungen, die sich als Quasi-Neuauflage eines Zahlungsplans deuten ließen, ein Beschluss in Analogie zu § 196 Abs 2 IO unter Fristsetzung für diese Kostenbegleichung "eingeführt" wurde.

 

 

II. Auf diesem Hintergrund wird zu den geplanten Änderungen wie folgt Stellung genommen:

 

                A) Zur Erleichterung des Verfahrens

 

                1) Es handelt sich um eine gesellschaftspolitische Entscheidung, inwieweit eine Entschuldung weiter erleichtert werden soll. Für den, der mit seinen Mitteln (streng) haushaltet und sich, wenn er schon Schulden eingegangen ist, unter Entbehrungen um deren Rückführung bemüht, aber auch für den (Klein-)Unternehmer oder Privaten, bei dem die Schulden gemacht worden sind, war schon die Entschuldung über das Abschöpfungsverfahren mit den 10 % oder über eine durch die Mehrheit angenommene geringe Zahlungsplanquote eine Provokation; umso mehr wird dies nun gelten, wenn keinerlei Rückführung mehr Voraussetzung für die Restschuldbefreiung sein soll. Dass es dennoch aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus sinnvoll sein kann, in diversen Konstellationen eine Entschuldung selbst ohne Quote zu gewähren, ist die andere Seite.

 

                Diskussionswürdig ist sicher, wie weit die Erleichterung gehen soll. Zu bedenken ist dabei auch, dass eine Verkürzung auf drei Jahre mit Restschuldbefreiung ohne (Mindest-)Quote auch als indirekte Aufforderung zu unbekümmertem Konsumverhalten über die eigenen Verhältnisse oder zum Wirtschaften ohne Rücksicht auf Verluste (zB ohne jegliches Eigenkapital)  gesehen und damit als Signal in die falsche Richtung gedeutet werden kann, ist doch das Entschulden ohnehin so einfach geworden.

 

                2) Wenn es darum geht, dass jemand wieder wirtschaftlich auf die Beine kommt, der aktuell nichts zu leisten im Stande ist, dann wäre bei dieser Person eine uU noch kürzere Abschöpfungszeit ausreichend; wenn das Ziel hingegen darin liegt, eine Rückführung zu erreichen und nennenswertes pfändbares Einkommen (zB höher qualifizierter ehemaliger Unternehmer oder bei Bezug einer guten Pension) vorhanden ist, wäre eine längere Zeit angezeigt. Beim wirtschaftlich Schwachen könnte man - überspitzt formuliert - überhaupt fragen, ob es dann nicht sinnvoller wäre, die Verfahrenskosten gleich direkt zur Schuldentilgung zu verwenden. Bei nennenswertem pfändbarem Einkommen wird im Regelfall wiederum der Zahlungsplan zur Anwendung kommen.

 

                Es wird diesbezüglich nur eine Mittellösung bei zwei letztlich nicht miteinander vereinbaren Personengruppen geben können, es sei denn, man sähe für jede eine eigene Variante des Abschöpfungsverfahrens vor. Eigentlich bestünde Bedarf nach drei Verfahrensvarianten: für die "Großschuldner", welche nunmehr über ein normales unselbständiges Einkommen verfügen, würde es genügen, das Quotenerfordernis für die Restschuldbefreiung herabzusetzen. Für die einkommensschwachen "Kleinschuldner" sollte das Verfahren eher kurz sein, die Mindestquote müsste entfallen. Für die Schuldner im Zwischenbereich, welche in der Vergangenheit die große Mehrheit in den Privatkonkursen dargestellt haben, besteht an sich kein Reformbedarf; die gegenwärtige Rechtslage wäre demnach die dritte Variante.

                Von daher wäre wohl nochmals zu überdenken, ob statt dem vorliegenden Ansatz, der einer Nivellierung nach unten entspricht und alle „über einen Kamm schert“, nicht ein anderer Ansatz zu wählen ist, und zwar in Form eines speziellen Verfahrens für die leistungsschwachen „Kleinschuldner“; besteht doch sonst die Gefahr, dass von dem abgegangen wird, was sich in Bezug auf die Majorität der Schuldner in den letzten 20 Jahren auch lt. Regierungsvorlage grundsätzlich bewährt hat. Für die sicher noch kleinere Gruppe der bislang ausgeschlossenen „Großschuldner“ könnte durch eine Erweiterung der Billigkeitsgründe Vorsorge dahingehend getroffen werden, dass auch ihnen die Chance auf Restschuldbefreiung offen steht, müsste für sich genommen eine kleine Änderung im § 213 Abs 2 IO, die auf die Leistung absolut gesehen abstellt, genügen.

                Wie eine solcher alternativer Ansatz gestaltet werden könnte, siehe unter III.

               

                3) Die Mindestquote des Abschöpfungsverfahrens hatte in der Vergangenheit meiner Meinung nach Rückwirkung sowohl auf die Höhe der Zahlungsplanquote als auch auf das Abstimmungsverhalten. Wenn die Entschuldung über das Abschöpfungsverfahren leichter gemacht wird, werden die Schuldner in den meisten Fällen auf eine Nachbesserung des Zahlungsplans verzichten, sodass es bei der Mindestquote nach § 194 Abs 1 IO bleiben wird; den Gläubigern wird sich vor allem dann, wenn das Abschöpfungsverfahren, wie jetzt im Entwurf vorgesehen ist, nur drei Jahre dauert, dieses kaum als Alternative bieten, weil es nicht nur mit Kosten behaftet ist, sondern auch auf einen deutlich kürzeren Zeitraum abstellt.

 

                Es ist von daher damit zu rechnen, dass die Zahlungsplanquoten durch die Neuregelung im Schnitt geringer ausfallen, als dies bisher der Fall ist.

 

                Dies spricht meiner Meinung nach gegen eine Verkürzung, geht mit dieser doch die Gefahr einher, „das Kind mit dem Bade auszuschütten“; in Deutschland (§§ 287, 300 IO) ist die Regulärzeit immerhin auch sechs, bei Kostendeckung fünf Jahre.

 

                Für das  Abschöpfungsverfahren werden, wenn es auf drei Jahre verkürzt wird, daher unter Umständen nur mehr jene Schuldner bleiben, die nichts anbieten können, weil selbst die unterste Zahlungsplanquote aus Gläubigersicht besser wäre als die verkürzte Abschöpfung. Jedenfalls könnten dadurch die Einschätzung und Berechnung der Mindestquote nach § 194 IO stärker in den Blick kommen als bisher; sie könnte in dem einen oder anderen Fall dann durchaus strittig sein.

 

                4) Die Erleichterung zielt auf Personen ab, die sich redlich um Einkommen und damit indirekt auch um Schuldentilgung bemühen, wenngleich mit wenig Erfolg.

 

                Die Vergangenheit hat gezeigt - rund 20 % der Abschöpfungsverfahren des erhobenen Zeitraums wurden deshalb eingestellt -, dass Schuldner nicht immer zuverlässig sind und ihren Pflichten, mit dem Treuhänder Kontakt zu halten und Änderungen zu melden, nachkommen. Diese persönliche Konstitution könnte auch beim Entstehen der Schulden eine Rolle gespielt haben und lässt befürchten, dass eine gewährte Restschuldbefreiung zu keinem Neustart führt, sondern die gleiche Situation alsbald wieder vorliegt. Es ist immer wieder vorgekommen, dass Schuldner weder für den Treuhänder noch das Gericht noch für die Schuldnerberatung erreichbar waren, und das nicht nur einmal.

 

                Wenn es nun erklärtes Ziel der Novelle ist, redlichen Schuldnern zur Rückkehr in die Normalität zu verhelfen, und zwar selbst um den Preis, dass keine Rückführung an die Gläubiger erfolgt und (siehe dazu unten) unter Umständen der Staat nicht nur durch seine personellen Ressourcen, sondern auch in bar dazuzahlt, wäre es ein berechtigtes Anliegen, die Obliegenheiten des Schuldners zu verschärfen. Wenn er schon finanziell nichts erbringen muss (zumindest die Verfahrenskosten sollten es meiner Meinung nach doch immer sein), soll sich der Redliche dadurch beweisen, dass er von sich aus den Obliegenheiten nachkommt, aktiv am Verfahren teilnimmt.

 

                Vorgeschlagen wird für den Fall der Verkürzung unter Entfall der Mindestquote daher meinerseits, dass der Schuldner von sich aus dem Treuhänder etwa halbjährlich im Sinne des § 210 Abs 1 Z 5 IO belegt Auskunft zu geben hat und dass eine vorzeitige Einstellung wegen Obliegenheitsverletzung, welche bis auf den Anwendungsfall des § 210a Abs 3 IO mehr oder weniger totes Recht war, auch über Antrag des Treuhänders oder von Amts erfolgen kann; nicht nur wegen unterlassener Bemühungen um Arbeit, sondern eben auch wegen unterlassener aktiver Information sowie etwa auch wegen (über das gerichtliche Register erhobene) Neuschulden. Vor der Einstellung wäre der Schuldner zwar zu hören und sollte sich noch freibeweisen können, dass ihn kein Verschulden trifft, die Kausaliätsprüfung für die Gläubigerbefriedigung wäre jedenfalls zu streichen. Um noch ein Sicherheitsnetz zu geben, könnte man ja eine einmalige Unterlassung noch nachsehen, die strengen Rechtsfolgen des § 210a Abs 3 IO sollten bleiben.

                Das bisherige Prozedere ist - mit Ausnahme der Sonderreglung des § 210a Abs 3 IO – jedenfalls als umständlich und zahnlos einzustufen.

 

                Des weiteren wäre meiner Meinung nach Kostentragung durch den Schuldner zu verlangen, siehe dazu Näheres unten.

 

                B) Zur Gestaltung des Entwurfes

 

                1) Die bislang als "Unglücksfall" des Abschöpfungsverfahrens zu bezeichnende Null-Quote wird durch die beabsichtigte Neuregelung zum Normalfall erhoben, der diesbezügliche Personenkreis zur Zielgruppe. § 202 IO, der voraussichtliche Kostendeckung als Einleitungsvoraussetzung vorschreibt, wird jedoch nicht geändert. Dies ist widersprüchlich.

 

                Zunächst wäre zu klären, wie hoch die Kosten sind. Nach derzeitigem Stand ist wohl von der Mindestvergütung des § 204 IO auszugehen. Pro Schuldner ein eigenes Konto einzurichten, obwohl keine Eingänge erwartet werden, wird als keine zweckmäßige Maßnahme des Treuhänders anzusehen sein. Kontospesen sollten daher keine anfallen. Unabhängig davon wäre eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert, ob Kontospesen neben der Vergütung gebühren (wofür der Umstand spräche, dass bei Eingängen die Abwicklung über ein Konto geführt werden muss und die Spesen dort automatisch den Stand verringern).

 

                Sodann wäre zu entscheiden, wann und wie diese Kosten von zur Zeit jährlich EUR 144,-- abgedeckt werden sollen.

 

                Soll der Staat diese gut EUR 400,-- pro Verfahren auch noch beisteuern oder soll der redliche Schuldner wenigstens diesbezüglich in die Pflicht genommen werden, zB dahingehend, dass er vor Einleitung einen Kostenvorschuss für die Kosten des ersten Jahres und bis zum Beginn des zweiten bzw. dritten Jahres nochmals denselben Betrag an den Treuhänder (auf ein Sammelkonto) zahlt bei sonstiger Einstellung. 12 Euro im Monat sollten ja doch erübrigt werden können.

 

                Eine nachträgliche Einbringung gemäß § 184 Abs 3 IO ist als aufwändig, unwirtschaftlich und wenig erfolgversprechend einzustufen. Wenn man sich für die (vorläufige) Tragung aus Amtsgeldern entscheidet, sollten dies das Gesetz und nicht bloß die Materialien vorsehen. Immerhin hat auch ein Zwangsverwalter oder ein Gerichtskommissär keinen Vergütungsanspruch gegen den Staat, auch nicht der Insolvenzverwalter im landesgerichtlichen Verfahren.

 

                Wünschenwert wäre auch ein gesetzlicher Richtwert über die Kosten der Gläubigerschutzverbände für die Mitwirkung im Konkurs (zB EUR 50,-- + Ust) und ob diese Masseforderung  - und allfällige andere Masseforderungen - im Falle einer Abschöpfung mit Null-Quote für eine Restschuldbefreiung ebenfalls gezahlt sein müssen.

 

                Denkbare Vorgangsweise zur Sicherung sowohl der Treuhänderkosten als auch der Massekosten wären neben Kostenvorschuss und Zahlungspflicht vor Restschuldbefreiung auch eine mit § 196 Abs 2 IO vergleichbare Regelung, die die Schuldenbefreiung rückwirkend aufhebt.

 

                2) Missglückte Formulierung des neuen Einleitungshindernisses in § 201 IO

 

                Der Text des § 201 Abs 1 Z 2a IO müsste aufgrund der Verneinung, abgeleitet von § 210 Abs 1 Z 1 IO, richtig lauten etwa wie folgt:

                „... ist nur abzuweisen, wenn …

                2a.   der Schuldner während des Insolvenzverfahrens keine angemessene Erwerbstätigkeit ausgeübt oder, wenn er ohne Beschäftigung war, sich nicht um eine solche bemüht hat oder eine zumutbare Tätigkeit abgelehnt hat.

 

                3) Keine jährliche Verteilung mehr (§ 203)

 

                Die Änderung entspricht den Bedürfnissen der Praxis, zumal es vielfach zur Ausschüttung von Kleinbeträgen gekommen ist. Sie sollte auch eingeführt werden, wenn die Kernpunkte der Novelle nicht verwirklicht werden. Zweckmäßig wären aber auch, bei den (vermutlich sehr seltenen) Zwischenausschüttungen vorbeugend Rückstellungen für die künftig noch anfallenden Kosten vorzusehen.

 

                4) Zu den Übergangsbestimmungen

 

                Es ist aufgrund der Aufknüpfung bisheriger Verfahren, die im Sinne einer Gleichstellung verständlich ist, mit einer erheblichen Mehrbelastung der Gerichte zu rechnen, welche zu jener Mehrbelastung hinzukommt, die aus den Erleichterungen für Neuverfahren resultiert.

 

                Sämtliche Abschöpfungsverfahren, die schon vier Jahre hinter sich haben, sollen nach der Neuregelung noch die volle Zeit auslaufen, die später eingeleiteten nach dem Inkrafttreten der Regelung nur noch drei Jahre lang; jeweils über Antrag mit Restschuldbefreiung ohne Quotenerfordernis.

                Nicht ganz klar ist, ob dies auch für Abschöpfungsverfahren in der Phase der Verlängerung nach § 213 Abs 4 IO Gültigkeit hat, zumal ja hier wieder eine Abtretungserklärung, diesmal für drei Jahre im Laufen ist, während die erste ja abgelaufen ist. Abgelaufen ist die Abtretungserklärung auch bei der Einräumung von Ergänzungszahlungen. In diesem Fall würde der Wortlaut der Bestimmung ergeben, dass – gleich wie bei den Verfahren, die frisch auslaufen, bedingungslos die Restschuldbefreiung zu erteilen wäre. Dies wiederum würde dafür sprechen, auch die verlängerten Verfahren sofort abzubrechen, wenn der Antrag auf sofortige Restschuldbefreiung gestellt wird. Eine gesetzliche Klarstellung in Bezug auf die nach § 213 Abs 3 und 4 IO anhängigen Verfahren wäre daher wünschenswert.

                 Bei all diesen Verfahren können Treuhänderkosten offen sein, unter Umständen auch Masseforderungen. Es gilt das bereits unter 1)  Gesagte.

 

                Personen mit noch laufenden Zahlungsplänen sollen in den Genuss der Neuregelung kommen (§ 281), ebenso Personen, die einen Zahlungsplan hinter sich haben, dessen Ziel verfehlt wurde, oder ein missglücktes  Abschöpfungsverfahren: für diese soll die Sperrfrist für ein neuerliches Abschöpfungsverfahren (von 20 Jahren) nach § 201 Abs 1 Z 6 IO nicht gelten (§ 279 Abs 3 S 2).

                Der neuerliche Gang in ein Abschöpfungsverfahren über eine nochmalige Konkurseröffnung wird jedoch auch durch die Sperrfrist des § 194 Abs 2 Z 4 IO gehindert, wenn das Abschöpfungsverfahren erst vor kurzem ausgelaufen ist, weil dessen Einleitung noch nicht zehn Jahre zurückliegt und das aktuelle Einkommen einen Zahlungsplan erlaubt, der demnach anzubieten wäre. Ein solcher dürfte jedoch nach dem Gesetz innerhalb von zehn Jahren seit der Einleitung des ersten Abschöpfungsverfahrens nicht gestellt werden; vielmehr müsste der Schuldner noch drei Jahre warten, wenn man diese Bestimmung nicht mitändert oder im Gefolge der Änderungen einschränkend auslegt.

 

                Zu § 281 IO ist anzumerken, dass der Schuldner an sich vier Optionen haben müsste: 1) den Zahlungsplan trotz der neuen Bestimmungen weiterlaufen zu lassen; 2) eine neuerliche Abstimmung nach § 198 IO im Falle geänderter Leistungsfähigkeit zu beantragen; 3) eine neuerliche Abstimmung wegen nunmehr geänderter Rechtslage herbeizuführen oder 4) überhaupt einen neuen Konkursantrag zu stellen.

                Die neuerliche Abstimmung nach § 281 IO wird daher wie bei § 198 IO nur so zu verstehen sein, dass diese jene Gläubiger/Forderungen betreffen soll, die am Konkursverfahren teilgenommen haben; der alte Akt wird, ohne dass es wieder zu den Konkurswirkungen käme, wiedereröffnet. Naheliegend, aber nicht klar ist es, ob auch die zwischenzeitig hervorgekommenen Forderungen, die nicht angemeldet wurden, einzubeziehen sind. Wenn neuerlich über einen Zahlungsplan abgestimmt werden soll, der sich auf die Schuldensituation des ersten Zahlungsplans bezieht, stellt sich die Frage, ob und welche Wirkung es hat, wenn der Schuldner beispielsweise die ersten Zahlungsplanraten erfüllt hat, und zwar vor allem ungleich und etwa bei kleineren Forderungen sogar zur Gänze, im übrigen aber schon Wiederaufleben eingetreten ist. Klarzustellen wäre daher, ob mit Antragstellung nach § 281 IO die schuldbefreiende Wirkung von Quotenzahlungen nach § 156a Abs 3 IO wieder hinfällig wird und das Geleistete daher für das Weitere lediglich mit dem Zahlbetrag von der jeweiligen Konkursforderung abzuziehen ist; diesbezüglich stellt sich dann auch die Frage, ob (und zu welchem Zeitpunkt) damit auch nach Quotenverzug wiederaufgelebte oder neu eingeleitete Exekutionen aus den Konkursforderungen hinweggerafft werden sollen.

                Die nochmalige Abstimmung über den Zahlungsplan wird vor allem für jene interessant sein, die mangels Chance auf Restschuldbefreiung über das Abschöpfungsverfahren mehr geboten haben als die Mindestquote des § 194 IO. Wenn diesen die nochmalige Abstimmung ermöglich wird, wäre es konsequent, die gegenüber einem neuen Konkurs vereinfachte Form auch jenen zu ermöglichen, deren Zahlungsplan in den letzten Jahre abgelehnt wurde und die von einem Abschöpfungsverfahren Abstand genommen haben.

                Die aufgezeigten Rechtsfragen könnten aber insgesamt dafür sprechen, die Schuldner mit beschwerlichen oder bereits notleidenden Zahlungsplänen auf einen neuen Konkursantrag zu verweisen und die nochmalige Abstimmung nicht vorzusehen, § 281 IO also zu streichen, mag damit auch Verfahrensaufwand verloren gehen.

 

 

III. Wie die Reformziele erreichbar bleiben könnten ohne generelle Nivellierung nach unten

 

                Schwerwiegendster Nachteil des vorliegenden Reformkonzeptes ist der Umstand, dass das Abschöpfungsverfahren auch für die große Zahl der Schuldner, in Bezug auf welche das Gefüge bisher gepasst hat, durch Verkürzung und Entfall der Mindestquote an Attraktivität gewinnt, sodass ein Zahlungsplan, wenngleich erste Wahl, nicht mehr nachgebessert wird, obwohl das Gesetz in § 194 Abs 1 IO von "mindestens" spricht; es steht zu befürchten, dass aus der Untergrenze zugleich auch die Obergrenze wird und den Gläubigern bei der Schuldenrückführung regelmäßig einige für den Schuldner noch verkraftbare Prozentpunkte verloren gehen werden.

 

                Als Alternative, die die Reformziele wahrt, ohne dass es zu diesen Nachteilen kommt, schlage ich folgende Eckpunkte vor:

 

                1) Für den Standardfall eines leistungsfähigen Schuldners:

 

                - Dauer des Abschöpfungsverfahrens wie bisher.

                - Beibehaltung des Regimes nach § 213 Abs 1 bis 4 IO (mit Ausnahme einer starren Mindestquote),

                - Flexible Gestaltung der Mindestquote wie folgt: Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 1 IO erlangt, wer in den sieben Jahren der Abschöpfung durch diese die sich aus § 194 IO je individuell ergebende Mindestquote des Zahlungsplans erreicht oder, wenn diese höher wäre, wie bisher 10 %. Erörterung und Festlegung der Höhe dieser individuellen Mindestquote erfolgt im Rahmen des Konkursverfahrens, spätestens mit dem Beschluss auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens. (Die Quote sollte aber eine Untergrenze dahingehend haben, dass zumindest EUR 30,-- vom Schuldner im Monat zu leisten sind, damit wenigstens gleich viel für die Gläubiger bleibt wie für Kosten aufgeht. Beim wem hingegen weniger als EUR 20,-- pfändbar waren, fällt, wie dies der Entwurf vorsieht, unter die leistungsunfähigen Schuldner).

                Alternativ könnte überlegt werden, das Erreichen dieser Quote als Billigkeitsgrund zu formulieren.

 

                Restschuldbefreiung soll demnach erhalten, wer, wenn der Zahlungsplan abgelehnt wird, in sieben Jahren neben den Verfahrenskosten das leistet, was er auch im Zahlungsplan zumindest zu erbringen hätte, keine fixe Quote ausgehend von der Schuldenhöhe, aber das, was der Leistungsfähigkeit des Schuldners entspricht.

 

                Auf diese Weise ermöglicht das Abschöpfungsverfahren auch den Leistungsschwächeren oder jenen mit hohen Schulden eine Entschuldung, bleibt aber dennoch die zweite Wahl gegenüber dem Zahlungsplan, und zwar über die nach wie vor bestehenden Nachteile des längeren Zeitraums von sieben Jahren einschließlich der damit verbundenen Kosten, des "Risikos", unter Umständen mehr als im Zahlungsplan erbringen zu müssen und des Umstandes, die Schuldenregulierung nicht (verborgen und flexibel) im eigenen Wirkungsbereich abwickeln zu können. Die Schuldner werden daher weiterhin dem Abschöpfungsverfahren mehrheitlich ausweichen, wenn sie eine Chance sehen, die von den Gläubigern verlangte höhere Quote aufzubringen. Im vorliegenden Gesetzesentwurf wird das Abschöpfungsverfahren demgegenüber viel zu leicht gemacht. Wenn die Schuldner aber gezwungen sind, mangels Mehrheit in das Abschöpfungsverfahren auszuweichen, sehen sie sich dennoch in allen Fällen einer realistischen Quote für die Restschuldbefreiung gegenüber.

 

 

                2) Für den Sonderfall eines leistungsunfähigen Schuldners:

 

                Hier erachte ich das vorgeschlagene dreijährige Regime als grundsätzlich sachgerecht, weil nach drei Jahren mit gutem Grund gesagt werden kann, dass eine Fortführung keinen Sinne mehr macht,  jedoch unter folgenden Verschärfungen:

 

- Grundsätzliche Dauer die gleichen sieben Jahre

- Das vorherigen Anbieten des Zahlungsplans entfällt

- Frühestens nach drei Jahren kann der Schuldner die Einstellung des Abschöpfungs­verfahrens unter Restschuldbefreiung wegen Aussichtslosigkeit der weiteren Verfahrensfortführung beantragen, Einstellung unter rechtlichem Gehör für Treuhänder und Gläubiger.

 

                Meiner Meinung nach sollte es eine Restschuldbefreiung nur bei bezahlten Verfahrenskosten (Gläubigerschutzverbände aus dem Konkurs, vor allem aber der Treuhänderkosten) geben - EUR 12,-- mtl. müssen auch beim leistungsunfähigen redlichen Schuldner aufbringbar sein, der es nach Restschuldbefreiung finanziell besser schaffen können soll als in der Vergangenheit und sich damit für einen Neustart eignet.

 

                Am besten erachte ich die Abwicklung über Kostenvorschüsse, wobei dies auch im Grundfall des Abschöpfungsverfahrens nach 1) gelten sollte:

                Vor Einleitung muss ein Kostenvorschuss für die Treuhänderkosten des ersten Jahres aufgebracht sein sowie laufend für jedes Folgejahr im Voraus; dies bei sonstiger vorzeitiger Beendigung ohne Restschuldbefreiung.

 

                Generell sollte ebenfalls gelten, dass der redliche Schuldner ohne (pfändbarem) Einkommen von sich aus halbjährlich dem Treuhänder belegt über seine Bemühungen um Einkommen Auskunft geben muss (siehe oben unter II.A.4)

 

                3) Für den Fall, dass der zunächst als leistungsfähig eingeschätzte Schuldner auf Dauer leistungsunfähig wird:

 

                Die Sonderregelungen für den leistungsunfähigen Schuldner sollten auch im Verfahren nach 1) nachträglich zur Anwendung kommen, wenn die Eingänge versiegen und damit zu rechnen ist, dass diese auf Dauer ausblieben.

 

                Der Gedanke dahinter ist auch hier, Brüche zu vermeiden: der zunächst leistungsunfähige Schuldner soll sich, wenn er leistungsfähig wird, genauso der längeren Abschöpfung unterziehen müssen wie umgekehrt der dauernd leistungsunfähige redliche Schuldner eine Einstellung mit Restschuldbefreiung erhalten soll, wenn die Weiterführung in ähnlicher Weise keinerlei Sinn mehr macht.

                Unter dem durchgehenden Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit braucht nur der dauerhaft leistungsunfähige Schuldner für die Restschuldbefreiung nichts mehr an die Gläubiger zu leisten, sein Verfahren wird abgekürzt, weil drei Jahre bloße Kosten statt sieben wohl genügen. Sobald aber Mittel für die Schuldentilgung vorhanden sind, ist der Schuldner in der Pflicht, diese für seine Restschuldbefreiung herauszugeben und sich der vollen Zeit dem Verfahren zu unterziehen.

 

                4) Bezahlte Kosten als weiterer Grundsatz für die Restschuldbefreiung

 

                Flankierend sollte bei jedem Verfahrenselement darauf geachtet werden, dass die Restschuldbefreiung nur gewährt wird, wenn alle Kosten gezahlt sind. Durch die vorgeschlagenen Kostenvorschüsse bzw bei einer einmaligen Ausschüttung am Ende ist offenen Kosten ohnehin weitgehend vorgebeugt.

 

 

Bezirksgericht Villach, Abteilung 7

Villach, 26. April 2017

MMag. Peter Krenn, Richter