Sehr geehrte Damen und Herrn ,

Anbei einige Gedanken über das Thema Sterbehilfe/ assistierter Suizid/ Tötung auf Verlangen/ Euthanasie:

 

Es geht mir nicht darum, Euthanasie zu befürworten, sondern darum, dass sie die Regierung entkriminalisiert und regelt, und sich dann aus dem bewussten Entscheidungsbereich des Einzelnen zurückzieht. Das Sterbebett ist ein sehr intimer Ort und dort hat die Regierung nichts zu suchen. Menschen, die sich vor ihren Erben fürchten, können auf einer viel zielgerechteren Art und Weise geholfen werden.

 

Die gesetzliche Regelung ist bei entsprechender Motivation gut möglich. Es gibt langjährige Erfahrung mit verschiedenen Modellen—es ist kein Neuland. Eine Minderheit vertritt den Standpunkt, dass Euthanasie nicht in ihr Weltbild passt. Diese Minderheit hat selbstverständlich das Recht, weiterhin sich so auszurichten. Ich will nur in meinem ganz privaten Bereich dasselbe Recht genießen und würde niemals auf die Idee kommen, mein Weltbild auf die gesamte Bevölkerung des Landes gesetzlich aufzwingen zu wollen.

 

Selbstverständlich plädiere ich für die freie Entscheidung eines medizinischen Behandlers, selber einen zu Tode führenden Eingriff auf Verlangen durchzuführen oder abzulehnen. Es gibt auch in der sonstigen Medizin und Judikatur kein Präzedenz für den beruflichen Zwang gegen das Gewissen zu handeln.

 

Zwischen Mord und Euthanasie gibt es einen Unterschied, und dieser Unterschied ist definierbar, auch gesetzlich definierbar. Wofür ich plädiere ist, eine Entscheidung zu respektieren, wenn ‚jemand ernstlich glaubhaft und beständig zum Ausdruck bringt, dass er sterben will‘. Einige scheinen Angst zu haben, dass der Unterschied zwischen Mord und Euthanasie nicht gesetzliche festgehalten werden kann. Das ist in meinen Augen ein irrationales Argument.  Einige möchten wissen, dass Menschen in Ländern, wo die Euthanasie entkriminalisiert ist auch ohne ihre Einwilligung getötet werden. Wenn das der Fall sein sollte, handelt es sich um eine Straftat, die wie alle anderen Straftaten bestraft werden müssen. Das ist ganz normal. Einige befürchten, dass andere als der Betroffene selbst über sein Weiterleben oder seinen Tod entscheiden. Dass das nicht gesetzlich geregelt werden kann ist nicht wahr.

 

Jedem leidenden, bzw. todgeweihten Tier gönnen wir einen sanften, schmerzfreien und schnellen Tod. Ich will dasselbe Recht genießen.

 

Jede hochstehende Kultur seit Beginn der Menschheitsgeschichte  hat den Tod, seine Bedeutung, und die freie Entscheidung des Einzelnen diesbezüglich integriert und respektiert.

 

Jeder Mensch, der gegen die Euthanasie ist, hat die Freiheit, in seinem eigenen Leben seine freie Entscheidung anzuwenden. Ich will auch als Befürworterin der Entkriminalisierung der Euthanasie diese Entscheidungsfreiheit. Ich will nicht, dass eine Regierung sich in meine freie Entscheidung einmischt. Ich will, dass sich die Regierung von meinem Privatleben heraushält.

 

Mir bleibt als einzige Möglichkeit, als Sterbenskranke ins Ausland zu fahren, wenn ich diese  Möglichkeit wähle. Und ich muss es allein tun, denn eine Begleitperson würde sich strafbar machen. Das bezeugen konkrete veröffentlichte Berichte von Einzelschicksalen. Das ist eine sadistische Übermachtung. Eindeutig sadistisch.

 

Österreich hat eine traurige Geschichte in Verbindung mit der sogenannten Euthanasie während der NS Herrschaft. Das hier ist aber eine völlig andere Diskussion.

 

Die segensreiche Hospizmöglichkeit müsste selbstverständlich erweitert werden. Das ist ein anderes Thema und das Thema wäre missbraucht, wenn man es hier als eine einzige, kausale Möglichkeit, die Entkriminalisierung der Euthanasie überflüssig zu machen. Wir reden hier von einem Menschen, der glaubhaft und beständig zum Ausdruck bringt, dass er sterben will.

 

Ich sage Ihnen nichts Neues; Sie haben dies sicherlich schon gehört. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, doch gehört zu werden. Ich melde mich zu Wort als 64jährige Pensionistin, die nicht über das Wohl anderer, ihr unbekannter Menschen bestimmen will,  weil es mit ihrem Weltbild nicht vereinbar sei, sondern nur über die eigene Person. Als Pensionistin muss ich weniger eine berufliche oder soziale Stigmatisierung befürchten wie ein junger, berufstätiger (vielleicht sogar in einem medizinischen Beruf tätiger) Mensch mit Familie, die von ihm abhängig ist und dadurch von einem öffentlichen Ausdruck seiner Meinung absehen wird. Das Thema ist naturgemäß mit vielen irrationalen Ängsten verbunden auf beiden Seiten des Standpunktes. Er wäre wohltuend, wenn es uns gelingen könnte, weitestgehend rational zu bleiben.

 

Es gibt Argumente, die den Standpunkt vertreten, Menschen die glaubhaft und beständig zum Ausdruck bringen, dass sie sterben wollen, eigentlich etwas anders wollen. Wenn dies der Fall wäre, dürften wir juristisch keine Operationseinwilligung oder sonstigen Ausdruck des Willens als rechtsgültig erachten. Es ist mir nicht klar wie man feststellen kann, dass ein Mensch nicht meint, was er sagt.

 

Mit einem sensiblen Thema umzugehen wird eine wichtige Aufgabe der politischen Diskussion wird sein, nämlich der Vorwurf an politischen Parteien, dass ihnen Überlegungen über die ökonomische Nützlichkeit alter und kranken Menschen im Vordergrund der Argumentation steht. Es muss klar sein und bleiben, dass unser Thema ausschließlich ein Mensch ist, der glaubhaft und beständig zum Ausdruck bringt, dass er sterben will.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Christine Delnicki