Statement von Dr. Gudrun Kugler, 1150 Wien, Erstunterzeichnerin der Bürgerinitiative „An der Hand“: 

Tobias Moretti sagte über die Euthanasie: „Wie soll man heute der Zukunftsgeneration, die selber um ihre Existenzberechtigung kämpft, weil sie nur kostet, erklären, dass es eine Gesellschaft reicher macht, Platz zu haben für das nicht Normale, für das Welke, für das Sterben; es gehört einfach dazu, das ist ja, als würde man eine Jahreszeit wegkürzen, als würde man den Herbst abschaffen." (Hartheim, 2007)

Als Erstunterzeichnerin der parlamentarischen Bürgerinitiative „An der Hand, nicht durch die Hand eines Menschen sterben“ plädiere ich dafür, den österreichischen Status Quo in den Verfassungsrang zu heben und damit vor vorschnellen Änderungen zu schützen.

Denn manchmal werden recht schnell parlamentarische Mehrheiten für Dinge gefunden, die negative Auswirkungen haben. In der Frage der Tötung auf Verlangen sind die große Missbrauchsanfälligkeit und der immense Druck, den eine Liberalisierung auf sterbende Menschen erzeugt, durch Erfahrungen in der EU belegt. 2001 wurden in den Niederlanden 3.100 Menschen auf Verlangen getötet, davon waren 45 Prozent einwilligungsfähige Patienten.

In 13 Prozent der Tötungen auf Verlangen in den Niederlanden liegt zwischen Wunsch und Todeseintritt weniger als ein Tag, in 35 Prozent erfolgt der Tod zwischen dem zweiten Tag und einer Woche. Der häufigste Grund für den Todeswunsch ist Sinnlosigkeit (29 Prozent), der zweithäufigste Angst vor Entwürdigung (24 Prozent). Muss der Wille des Menschen also Vorrang haben? Der Wille des Menschen ist nie autonom. Er ist immer kontext-abhängig. „In der überwiegenden Mehrheit der Fälle heißt Ich will nicht mehr leben nur Ich will so nicht mehr leben. Mit guter Palliativbetreuung schwindet der Wunsch nicht mehr leben zu wollen." (Grafinger, Die Presse, 26.5.)

Was ist aber mit dramatischen Extremfällen? Gesetze macht man nicht für Ausnahmefälle. Für Verzweiflungstaten sieht das Strafrecht die Regelung des Notstands vor. Öffnet man die Tür nur einen kleinen Spaltbreit, bricht der Damm ein bis zur Euthanasie von Kindern, die kürzlich in Belgien erlaubt worden ist.

Soll jede Generation selbst entscheiden? Wer diese Entscheidung trifft, entscheidet nicht über sich selbst, sondern über die jeweils ältere Generation. Die nächste Generation würde also über uns bestimmen.

Weckt die Diskussion über ein Verfassungsverbot nur schlafende Hunde? Anscheinend nicht: Die Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe im Sinne der Euthanasie oder Beihilfe zum Suizid ist in Österreich seit dem Jahr 2010 um 14,5 Prozent auf 47,5 Prozent stark zurück gegangen. Der Grazer Sozialmediziner und Studienautor Wolfgang Freidl erklärt dies durch die jüngst geführte politische und mediale Diskussion rund um die Verankerung eines Euthanasie-Verbotes in der Verfassung.

Würde ein verfassungsrechtliches Verbot die Patientenverfügung aushebeln oder eine Behandlungspflicht schaffen? Natürlich nicht: Jemanden an seinem Gebrechen sterben zu lassen ist mit einer aktiven Tötungshandlung nicht vergleichbar.

Andreas Khol sagte: „Wer gegen die Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen in der Verfassung ist, ist gegen den derzeitigen Status Quo.“ In Österreich gibt es einen breiten Konsens, der rechtlich noch besser verankert werden sollte. Dafür stehe ich und die über 20.000 Unterzeichner der Bürgerinitiative: Ja zu bestmöglicher Palliativmedizin. Ja zu bestmöglicher Sterbebegleitung. Nein zur Tötung auf Verlangen und zur Beihilfe zum Selbstmord.

 

 

(Dieses Statement darf gerne veröffentlicht werden!)