Die Diskussion über Sterbehilfe in Europa nimmt an Intensität zu und wird uns daher lange beschäftigen. Das Thema ist komplex und vielschichtig. Daher wohl auch der Wunsch mancher in Österreich, sie möglichst ein für alle Mal mittels einer Verfassungsbestimmung in einer für alle Staatsbürger verbindlichen Weise zu regeln.

Ich hielte das für ein sehr problematisches Vorgehen. Ob man die Frage in der Verfassung selbst regelt oder durch eine  Verfassungsbestimmung in einem Gesetz, macht kaum einen Unterschied: die Möglichkeit der Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wird dadurch bewußt ausgeschlossen, für eine spätere Korrektur einer solchen legistischen Maßnahme bedürfte es im Nationalrat einer Zweidrittelmehrheit. Das Thema kann daher zum Gegenstand (partei)politischer Interessen und zu innenpolitischen Machtspielen gemacht werden, eine für den einzelnen Staatsbürger völlig unzumutbare Situation.

 

Nun zur meritorischen Perspektive. Der Tod ist für jeden Menschen ein unausweichliches und daher schicksalhaftes Erlebnis. Wie wenige andere Vorgänge in unserem Leben berührt es daher unsere höchstpersönliche Menschenwürde. Zu ihr gehört das Recht auf individuelle  Selbstbestimmung. Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben, er wird von Natur aus mit aller Macht um dieses kämpfen (siehe Millionen Flüchtlingsdramen).Wenn jemand dieses Geschenk nicht mehr ertragen kann oder will, sollte ihm aber nicht das Recht verwehrt werden, sich vom Leben zu verabschieden.

Es ist unserer Gesellschaft hoch anzurechnen, dass sie sich darum bemüht, dem Einzelnen einen schmerzlosen Abschied vom Leben zu ermöglichen. Die Hospiz-Bewegung und die in ihr Tätigen verdienen daher unseren hohen Respekt. Dass Palliativ-Mediziner ein schmerzfreies Sterben als ihr berufliches Ziel ansehen, ist verständlich, wenn es sich auch nicht immer verwirklichen läßt (u.a. auch persönliche Erfahrung).

Die Diskussion über die Würde des Menschen am Lebensende darf aber nicht darauf beschränkt werden, dass und wie das Leben mit medizinischen Mitteln verlängert wird. Sie muß auch zulassen, dass der Betreffende den Wunsch verfolgt, sein Leben zu beenden, wenn ihm dieses nicht mehr erhaltenswert erscheint. Ich verstehe durchaus, dass aktive Sterbehilfe ein problematisches Thema ist, mit dem sich Gesellschaft und Gesetzgeber sehr verantwortungsbewußt werden auseinandersetzen müssen. Diese Frage in gesellschaftspolitisch vertretbarer Weise zu regeln, bietet das Strafrecht jede Möglichkeit, dazu bedarf es keiner Verfassungsbestimmungen.

Dabei wird man gut beraten sein, gerade in der Abgrenzung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe eine Regelung zu finden, die dem Prinzip der Achtung der individuellen Menschenwürde in einer konkreten Situation Geltung verschafft.

Konkret: es kann z.B. nicht sein, dass Betreuende (Angehörige oder Pflegepersonal) der Bitte eines Sterbewilligen, gewisse Medikamente, die er oder sie infolge Gehbehinderung nicht selbst dem Medikamentenschrank entnehmen kann, nicht entsprechen dürfen, weil sie sich durch diese Handlung der Beihilfe zur Selbsttötung (passive Sterbehilfe) schuldig machen würden. Eine Beweissicherung dafür, dass es der ernsthafte Wille des Betreffenden war, dem Leben ein Ende zu bereiten, wird angesichts der oft sehr persönlichen Umstände des Augenblicks nicht immer möglich sein. Hier wird eine gesetzliche Regelung mit dem notwendigen Augenmaß vorzugehen haben, jedenfalls „in dubio pro morituro“.

 

                                                                                                Otto. M. Maschke