Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit dieser Nachricht gebe ich meine Stellungnahmen zu folgenden, von der Enquete-Kommission zum Thema "Würde am Ende des Lebens" zur Diskussion gestellten Themen ab.

 

1) Prüfung der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung

- - strafrechtlicher Normen, insb. des Verbots der Tötung auf Verlangen

- - Soziales Grundrecht auf würdevolles Sterben

2) Status der Hospiz- und der Palliativversorgung, Möglichkeiten zum Ausbau

3) Empfehlung der parlamentarischen Versammlung des Europarats Nr. 1418/99

4) Patientenverfügung: Evaluierung; ggf. Maßnahmen zur Verbesserung; allenfalls auch Diskussion über Vorsorgevollmacht

 

Ad 1) Eine Änderung der Verfassung lehne ich in diesem Zusammenhang strikt ab. Ein guter Teil unserer Grundrechte wurde in Form der Europäischen Menschenrechtskonvention erst 1964 in den Verfassungsrang gehoben und enthält bereits alle erforderlichen Rechtsgrundlagen um eine Entscheidung zu treffen.

Nach meinem Verständnis ergibt sich durch das Zusammenwirken von Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) und Art 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privatlebens) eine klare Sachlage.

 

Hinsichtlich Art 3 EMRK lässt sich aus der Rechtsprechung des VfGH und des EGMR ableiten, dass eine Behandlung dann erniedrigend ist, wenn sie eine die Menschenwürde beeinträchtigende Missachtung des Betroffenen als Person darstellt, beziehungsweise wenn sie beim Opfer Gefühle der Angst, der Ohnmacht oder der Minderwertigkeit erzeugt, die herabwürdigen oder demütigen.

 

Art 8 EMRK findet unter anderem Ausdruck in der freien Verfügung über den eigenen Körper, was auch Selbstgefährdung und selbstbestimmtes Sterben mit einschließt.

 

Jemanden gegen seinen ausdrücklichen Willen am Leben zu erhalten stellt damit in meinen Augen einen klaren Verstoß gegen beide Artikel dar. Ausgehend davon stellt es einen weiteren und, wie ich finde, noch schlimmeren Verstoß gegen Art 3 EMRK dar, die Tötung auf Verlangen zu verweigern.

 

Ad 2) Für mich stellen Altenbetreuung, Palliativversorgung und würdevolles Sterben die drei Pfeiler dar, auf denen unser Wohlergehen im Alter lastet. Allerdings wird nach meinem Empfinden diese Last derzeit künstlich schwerer gehalten als sie sein müsste. Für ältere Personen kann oft schon die Unfähigkeit, einen kleinen Teil des Alltags ohne Hilfe zu meistern, eine völlige Aufgabe der Selbständigkeit erzwingen. Ich bin der Überzeugung, dass eine frühere und bessere Unterstützung unserer Senioren außerhalb der Hilfs- und Pflegeeinrichtungen nicht nur das System entlasten, sondern auch vielen älteren Mitmenschen zusätzliche Lebensqualität schenken könnte.

Mit ein paar guten Ideen wäre es wahrscheinlich sogar möglich unsere hohe Arbeitslosenquote als zusätzliches Problem ins Bild zu rücken um die Synergien zu nutzen, welche die sich dadurch ergebende Gesamtsituation bietet.

 

Ad 3) Abgesehen von Punkt 9/c, inklusive seiner Unterpunkte, schließe ich mich der Empfehlung Nr. 1418/99

(http://assembly.coe.int/main.asp?link=%2FDocuments%2FAdoptedText%2Fta99%2FEREC1418.htm)

vollinhaltlich an.

 

Die in Punkt 9/c/i verwendete Formulierung "no one shall be deprived of his life intentionally" würde eine Tötung auf Verlangen nicht explizit ausschließen, da das Wort "berauben" impliziert, dass kein Einverständnis vorliegt. Allerdings würde ich die Formulierung "no one shall be deprived of his life without his explicit consent" für besser halten.

 

Die Punkte 9/c/ii und 9/c/iii schließlich, stellen für mich einen groben Bruch zum grundlegenden Gehalt des restlichen Dokuments dar.

Sie müssen meines Ermessens umformuliert werden um den nötigen Freiraum für eine Tötung auf Verlangen einzuräumen.

 

Ich verstehe, dass das Unterfangen, auf Basis unseres Rechtssystems eine legale Möglichkeit der Tötung auf Verlangen zu definieren, eine heikle und aufwändige Herausforderung darstellt. Natürlich muss sichergestellt werden, dass das Recht auf Leben durch diese Änderung nicht angetastet wird. Das Endergebnis darf keine Schlupflöcher bieten und muss erreichen jeden berechtigten Zweifel besorgter Bürger ausräumen zu können. Dennoch darf uns die Schwierigkeit der Aufgabe nicht dazu bewegen sie nicht in Angriff zu nehmen.

 

Ad 4) Mit der aktuellen Form der Patientenverfügung bin ich insofern nicht zufrieden, als die "beachtliche Patientenverfügung" in der Realität praktisch keinen Wert hat, während es für den durchschnittlichen Bürger zu schwierig ist eine "verbindliche Patientenverfügung" zu errichten.

Um dieses Rechtsmittel zu einer tatsächlichen Option für jedermann zu machen, muss ein System geschaffen werden um interessierte Bürger bei der Errichtung der Patientenverfügung zu unterstützen.

Zusätzlich sollte der Ablauf der Verbindlichkeit nach 5 Jahren überdacht werden. Da die Patientenverfügung jederzeit wiederrufen werden kann, scheint diese Frist nur eine unnötige, bürokratische Hürde darzustellen.

 

Abschließend möchte ich noch an das rechtsstaatliche Gebot der Normbestimmtheit erinnern. Die meisten der zu diesen brisanten Themen abgegebenen Stellungnahmen dürften, wie auch die meinen, auf dem Rechtsverständnis von Laien basieren. Es mag sein, dass solche Meinungen nicht mit den üblichen Rechtsauslegungen übereinstimmen; sie geben aber doch das Rechtsverständnis der betroffenen Bürger wieder für die das Gesetz geschrieben wurde.

 

Mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Pfeifer