Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wie ich heute in der Zeitung gelesen habe, hat die parlamentarische Enquetekommission, die ein verfasssungsrechtliches Verbot der aktiven Sterbehilfe diskutieren will, die Bürger zur Teilnahme unter dieser E-Mail-Adresse (wuerdevoll.leben@parlament.gv.at) aufgerufen. Hier also der Beitrag, den ich als Bürger zur Diskussion beisteuern möchte:

 

Würdevoll wollen wir alle leben und sterben. Kann es aber Würde ohne Selbstbestimmung über das eigene Leben und Sterben geben? Wenn das Existenzrecht jedes Individuums ernst genommen werden soll, darf es dann zur Existenzpflicht erklärt werden? „Der Suizid ist ein Privileg des Humanen.“ (Jean Améry) Gäbe es nicht die Gefahren des Missbrauchs (einerseits durch psychischen Druck von Angehörigen, andererseits durch politische Gewalt, die ihr Morden bisweilen zynisch als „Euthanasie“ verkauft), wäre die Legitimierung aktiver Sterbehilfe ein Gebot der Humanität. Was offenbar v.a. ÖVP und FPÖ in der Verfassung festzuschreiben planen, ist das genaue Gegenteil davon: ein vorbeugendes Verbot dieser vielleicht in Zukunft einmal möglichen Humanität. Wäre es nicht weitaus sinnvoller, eine Enquetekommission einzurichten, um Wege zur Bannung besagter Missbrauchsgefahren zu diskutieren, anstatt das Kind gleich prophylaktisch mit dem Bade auszuschütten? Wobei das „Kind“ wohl in der Regel eher ein schwer kranker Greis ist, der sich mangels Alternativen gezwungen sieht, aus dem Fenster des Spitals zu springen, in dem er seinem „natürlichen“ Tod entgegenzusiechen aus freier Entscheidung einfach nicht mehr gewillt ist. Die moderne Palliativmedizin in allen Ehren, aber ob das eigene Leben noch lebenswert ist oder nicht, kann der Betroffene letztlich nur selbst beurteilen. In seinem bekannten Lied „Komm, großer schwarzer Vogel“ gedachte Ludwig Hirsch einer Freundin, die nach einem Unfall vom Hals abwärts gelähmt im Krankenhaus versuchte, sich die lebenserhaltenden Schläuche aus dem Mund zu ziehen. Ich frage mich, ob ich (wenn ich überhaupt noch so lange lebe) in 30, 40 Jahren im Fall des Falles wie Ludwig Hirsch vom Fenstersims meines Spitalszimmers dem großen schwarzen Vogel entgegenspringen muss, oder ob selbiger dann bereits so weit domestiziert ist, dass er vertrauensvoll zu mir kommt, wenn ich nur nachdrücklich genug nach ihm rufe.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mathis Zojer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eingelangt am 15.07.2014