Sehr geehrte Damen
und Herren,
in Reaktion auf die Entwicklung der
Euthanasie in den Niederlanden habe ich in den 90er Jahren maßgeblich zu
Erklärungen zweier deutscher Ärztetage (1995 und 1996) zur Euthanasie beigetragen. Inzwischen arbeite ich als
Arzt in Österreich und möchte gegen eine Lockerung des Tötens
auf Verlangen folgendes zu bedenken geben:
- Die
Hospizbewegung hat gezeigt, dass Todeswünsche nicht so autonom sind
wie wir meinen. Bei entsprechenden Beziehungs- und Hilfsangeboten gehen
sie bis auf ein Minimum zurück.
- In
den Niederlanden und in Belgien hat sich gezeigt, dass das Argument der
Autonomie und des unerträglichen Leids immer logischerweise dazu
führt, dass auch Menschen ohne entsprechende
Willensäußerung getötet werden. Dies ist insofern
konsequent, als dass bei dem Argument des unerträglichen Leids
natürlich die Frage aufkommt, warum nur derjenige von seinem
unerträglichen Leid erlöst werden darf welcher den Wunsch
äußern kann, während der andere weiter leiden muss.
- Auch
das Argument des sog. „unerträglichen Leids“ hat sich als
trügerisch erwiesen. Leid ist ein komplexer, interaktiver Vorgang mit
den Angehörigen und bedarf der
komplexen medizinischen und psychologischen Begleitung. Wer will schon
definieren was unerträgliches Leid ist? Leid kann nicht durch die
Entsorgung der Leidenden bewältigt werden!
- Die
gesamte Dynamik, mit Überalterung der Bevölkerung und Abnahme
finanzieller, menschlicher und familiärer Ressourcen, zeigt die
große Gefahr, dass unter dem Vorwand der Autonomie und des
unerträglichen Leids Menschen indirekt dazu gedrängt werden, in
Verantwortung gegenüber ihren Kindern und der Gesellschaft,
frühzeitig „abzutreten“.
- Tötung
kann nie Auftrag ärztlichen Handelns sein. Menschen dürfen nicht
durch die Hand sondern an der Hand eines anderen in den Tod gehen! Dabei
soll es bleiben!
Dieser Beitrag darf
gerne veröffentlicht werden
Dr. med.
Christian Spaemann
Facharzt
für Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin
Eingelangt
am 22.08.2014