Die
Debatte um die Sterbehilfe ist Schauplatz des letzten Rückzugsgefechtes
jener Kräfte, die dem Menschen grundsätzlich am liebsten jede Form
von Autonomie absprechen möchten und es sei daran erinnert, daß
teilweise bis ins 19. Jahrhundert der Selbstmordversuch ein Straftatbestand
war.
Nachdem sich nun der Staat nicht mehr einmischt wer mit wem zusammenlebt, ob
Kinder ausgetragen werden oder nicht und damit der Autonomie des Individuums
einen höheren Stellenwert zugesteht als tradierten Moralvorstellungen,
graben sich die Gegner der individuellen, jedem Menschen zustehenden
Autonomie immer tiefer in ihre Stellungen ein und führen ein Gefecht um
die Sterbehilfe.
Es scheint keineswegs überraschend, daß die Zahlt der
Befürworter der Zulässigkeit von Sterbehilfe in den letzten Jahren
abgenommen hat, da im gleichen Maß die Zahl der „Glaubenden“
im weitesten Sinn zugenommen hat. In Zeiten subjektiver Unsicherheit wird nach
außer- oder übersinnlichem Halt gesucht und der Glaube an irgendeine
Form der Unsterblichkeit der Seele steht da an ziemlich prominenter Stelle.
Ohne Frage, soll jeder glauben dürfen was er will und leiden wieviel er
gerne will, aber ebenso ohne Frage, soll sich der Staat nicht als
verlängerter Arm alt- und neutestamentarischer Moralerneuerer
mißbrauchen lassen und jene Respektieren, die davon überzeugt sind,
daß das Sterben der letzte aller physiologischen Prozesse ist, denen
unser Leben unterworfen ist und die auch nach dieser Erkenntnis autonom
und eigenverantwortlich handeln wollen.
Georg Stern
Eingelangt am 11. September 2014