Sehr geehrte Mitglieder der Enquete-Kommission!

 

Nachstehend möchte ich ganz persönliche Gedanken, Eindrücke rund um dieses komplexe Thema schildern, wissend, dass es Bruchstücke sind,

 in der Hoffnung in der Einen oder dem Anderen von Ihnen ganz persönlich eine „Saite zum klingen“ zu bringen, dass Sie etwas davon anspricht und dazu beiträgt Ihre Ansicht zum Thema zu bilden.

 

In meinen vergangenen Jahren hier im Mobilen Hospiz der Caritas, als Sozialarbeiterin, begegnete ich vielen Menschen.

Menschen für die klar war, dass sie nichts anderes als leben wollten, Menschen die sich wünschten, dass jemand ihr Leben beenden würde, Menschen die ihr Leben selbst beendeten und viele Lebensgeschichten die dazwischen lagen.

Ein Phänomen des Lebens ist, dass gedachte Situationen sich im tatsächlichen Erleben verändern (können).

Jemand, für den die Vorstellung pflegebedürftig zu sein, die Hölle auf Erden bedeutet, kann mit viel mit-menschlicher Unterstützung, Verständnis und Einfühlungsvermögen, daraus eine erträgliche Situation werden, in der er /sie wertvolle Gespräche oder Erlebnisse hat, die sein/ihr Leben und das Beteiligter grundlegend verändert- nicht nur für einen Moment, sondern u.U. für immer.

 

Unsere Gesellschaft orientiert sich an Werten die aus der Wirtschaft kommen: Kosten- Nutzen- Rechnungen werden aufgestellt, man soll flexibel, ewig lernend, funktionstüchtig sein. Bis zu einem gewissen Maß ist das verständlich und gut. Was aber wenn wir dabei an Grenzen stoßen?

Was sagt man da einem alten Mann, der feststellt „er sei zu nichts mehr nutze“ , der sich ausrechnen kann, was er „der Gesellschaft kostet“?

Was machen wir dann mit einem sehr großen Teil der Gesellschaft, der dem nicht nachkommen kann?

Menschen erzählen davon, dass sich „Freunde“ abwenden weil sie Krebs haben, sie erzählen auch von Behandlung nach Vorschrift, die vielleicht den Vorschriften gerecht werden, aber sicher nicht der individuellen Situation von Patienten oder Angehörigen, die oft verzweifelt sind.

 

Ein besonders berücksichtigungswürdiger Punkt ist der Wunsch nach „Machbarkeit“ . Der Wunsch alles „im Griff zu haben“. Wir autonomen Menschen sehen uns gerne unabhängig, auf niemand angewiesen. Bis zu einem gewissen Grad ist das gut so.

Doch wenn jemand krank wird und nicht mehr „funktionstüchtig“ ist wie früher (vielleicht aber anders), sind Betroffene (oft auch Betreuende) Ohnmachtsgefühlen ausgeliefert. Situationen verändern sich, Anpassung ist oft schwierig.

Der Wunsch nach „Machbarkeit“ wird delegiert an z.B. ÄrztInnen.

Die sollen nun machen.

Was wenn nichts mehr „machbar“ ist. Dann sollen sie bitte ein Ende machen?

In welchen Zwiespalt kommt ein/e ÄrztIn, der/die den hippokratischen Eid geleistet hat und sich der Erhaltung des Lebens verpflichtet hat, den Beruf wahrscheinlich ergriffen hat um zu heilen, dann?

Und was ist eigentlich noch „machbar“ an diesem Punkt des Lebens, wenn „nichts mehr machbar“ ist?

Beziehung aufbauen, Prozesse des Lebens begleiten, wunderschöne, abgrundtief traurige Momente erleben, reden, schweigen, da sein und nicht davon laufen, Geborgenheit geben, zuhören – aufmerksam zugewandt, Schmerzen und Ängste lindern, sich engagieren in Situationen wo andere „nach Vorschrift“, nach „bestem Wissen“ handeln und dabei die individuelle Situation der Betroffenen möglichst weit von sich schieben, Hoffnung geben, manchmal auch Täuschungen ent –tarnen, sich berühren lassen, für andere und sich selbst Sorge tragen, schwierigste Situationen mit Betroffenen und KollegInnen aushalten, durchtragen, zu Ende bringen, ins eigene Erleben integrieren.

 

Ich sehe es als ihre Aufgabe als politische Entscheidungsträger diese Gesellschaft mit den von Ihnen gesetzten Signalen mitzugestalten.

In finanziellen Belangen wie im Gesetzesentwurf.

Sie haben dabei große Verantwortung zu tragen welche Werte Berücksichtigung finden, welche Sie betonen !

Ich bitte Sie aufrichtig für die Menschen in Österreich: gestalten Sie mit, in dem eine flächendeckende Palliativbetreuung möglich wird,

in dem das Thema des Sterbens auch politisch aufgegriffen wird und Teil des Lebens werden darf.  

 

Alles Gute wünscht Ihnen

 

 

Barbara Wörz, DSA

 

Sozialarbeit

Mobiles Hospiz

Caritas der Erzdiözese

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eingelangt am 12.09.2014