Solidarität statt Autonomie

 

Zu Punkt 1:

Prüfung der Möglichkeit der verfassungsrechtlichen Verankerung
a. strafrechtlicher Normen, insbes. des Verbots der Tötung auf Verlangen

b. soziales Grundrecht auf würdevolles Sterben

Was ist würdevolles Sterben? Tötung auf Verlangen kann einerseits als Akt der Freiheit (= Autonomie) gesehen werden. Ich  allerdings sehe Tötung auf Verlangen im Gegenteil als „Ausdruck einer radikalen Unfreiheit in Momenten der Not“ (siehe Petra Bahr, Christ & Welt 6/2014). Dies verpflichtet Staat und Gesellschaft zu Solidarität. Diese gesellschaftliche Verantwortung muss thematisiert und gelebt werden.

·        Der gesetzliche Status quo sollte daher beibehalten werden. Keinesfalls dürfen Tötung auf Verlangen oder assistierter Suizid freigegeben werden. Und wer soll bei dieser Entscheidung gehört werden? Das Thema ist zu sensibel, als dass man sich nach denjenigen richtet, die Ihre Stimme jetzt am lautesten erheben. Denn es ist nicht klar, ob diese Menschen überhaupt Kontakt zu Sterbenden haben oder hatten, ob sie mehr als Fallbeispiele kennen und wenn ja, ob in diesen Fällen die Versorgung der Sterbenden nach dem State-of-the-art erfolgt(e).

·        Um der größtmöglichen Einbindung der BürgerInnen in den Diskussionsprozess gerecht zu werden, muss über die Diskussion in der parlamentarischen Enquete-Kommission hinausgehend ein breiter Diskurs zu den vielfältigen Aspekten des Sterbens und des Todes, im größeren und kleineren Kreis, im öffentlichen und privaten Raum, angestoßen werden. Diese Themen müssen aus dem weit verbreitet immer noch vorherrschenden Tabustatus herausgeholt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass immer auch der Hospiz- und Palliativbereich mit seiner reichhaltigen Erfahrung zu Wort kommt.

·        BürgerInnen müssen auf die Möglichkeit autonomen Handelns in Form einer Patientenvorsorge noch intensiver hingewiesen werden (siehe unten).

 

Zu Punkt 2:

Status der Hospiz- und Palliativversorgung, Möglichkeiten zum Ausbau

In privaten Diskussionen um das Leid Sterbender werden zu allererst meist die „unerträglichen Schmerzen“ thematisiert – ein medizinisches Problem, das ExpertInnen mit entsprechender Ausbildung – wie auch andere Symptome – jedoch praktisch immer lindern können (ggf. mit palliativer Sedierung).

·        Dies müsste mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit dringend allgemein bekannt gemacht werden.

·        Es müssten unbedingt mehr ÄrztInnen als SchmerztherapeutInnen ausgebildet werden und zur Verfügung stehen.

Weitere Gründe für den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe sind bekanntermaßen die Angst vor Isolation und Einsamkeit, familiäre und finanzielle Belastungen, Hoffnungslosigkeit, Verlust von Autonomie...  Auch diese psychosozialen und spirituellen Probleme lassen sich weitest gehend auffangen, mit guter Betreuung, wie sie im Palliativ- und Hospizwesen ja zu finden ist. Pflegende und Ehrenamtliche orientieren sich an der Bedürftigkeit von Sterbenden: Mit Da-Sein, Zuhören und entsprechender Empathie gelingt es, Angst zu nehmen und Hoffnung zu geben, Sinnleere entgegentreten. So besteht bei den Sterbenden der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe nicht mehr.

 

·        Es muss daher einen Rechtsanspruch auf Hospiz- und Palliativ Care geben. Für eine flächendeckende Hospiz- und Palliativversorgung, für eine adäquate Versorgung in Pflegeheimen muss gesorgt werden. Die Möglichkeiten, Sterbende im Hospiz- und Palliativbereich zu stützen, müssen besser bekannt gemacht werden.

·        Palliativmedizin muss in der Aus- und Weiterbildung der ÄrztInnen einen adäquaten Stellenwert bekommen

·        Bewusstseinsbildung bei ÄrztInnen: (Haus-)ÄrztInnen, OnkologInnen etc. sollten ihre PatientInnen rechtzeitig auf die Möglichkeit der Patientenvorsorge (siehe auch oben) aufmerksam machen, Kontaktmöglichkeiten für entsprechende Formulare verbreiten). Wichtig ist es, dass die behandelnden ÄrztInnen es akzeptieren, (sinnlose) Behandlungen auf Wunsch der PatientInnen auch abzubrechen, Sterben zulassen und es nicht anstreben, Leben um jeden Preis zu erhalten

·        Rechtssicherheit schaffen: ÄrztInnen müssen im Zusammenhang mit „Sterben-lassen“ rechtlich abgesichert sein.

 

Dr. Susanne Schneider-Voss, Gumpoldskirchen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eingelangt 13. September 2014