Sg Damen und Herren,

 

der Förderverein Palliative Care UK Krems unterstützt nicht nur das Palliativteam Krems in der täglichen Arbeit mit schwerkranken Menschen, sondern hat sich auch zum Ziel gesetzt, "Palliative Care" der Öffentlichkeit, in der eigenen Region und darüber hinaus, näher zu bringen. Bedingt durch diese Arbeit, wollen wir unsere Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema einbringen. Im Anhang sende ich ihnen eine Stellungnahme einer aktiven Kollegin, DGKS Angelika Klein, die diese Gedanken für den Förderverein niederschrieb und nun zur Verfügung stellt.

 

Danke für die Möglichkeit einer Stellungnahme zu diesem äußerst wichtigen Thema.
 

Mlg

DGKS Manuela Wasl
Koordinatorin des Ehrenamtsteam
Förderverein Palliative Care UK Krems


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eingelangt am 14.09.2014

Gedanken zum Thema  „Aktive Sterbehilfe“

 

In unserem beruflichen Alltag dürfen wir  Menschen begegnen, die schwer krank sind, die über ihre Diagnose Bescheid  wissen und trotzdem gerne leben. Von Außenstehenden betrachtet erscheint „so ein Leben“ vielfach nicht mehr lebenswert. Es weckt unsere eigenen Ängste vor dem Leiden und auch vor dem Sterben. Und doch lehren uns gerade diese Menschen „das Leben“. Die Zufriedenheit die entsteht, wenn körperliche Schmerzen eingedämmt werden,  beeinträchtigende Symptome ausbleiben und  kurze  Ausflüge in den Garten wieder möglich werden oder liebe Angehörige auf Besuch kommen. Freudvolle Erfahrungen durch die „kleinen Dinge“ des Lebens bringen Hoffnung und Lebensfreude zurück. Manch Schwerkranker sagt  trotz Leid und Schmerz:  „Das war heute ein schöner Tag!“ Manchen Menschen gelingt trotz diverser Einschränkungen noch die Erfüllung eines „Lebenstraumes“.

  

Immer wieder kommt es zu Diskussionen über das Thema „aktive Sterbehilfe“ in der Gesellschaft. Der Satz: „Wenn mich so ein Schicksal trifft, dann möchte ich nicht mehr leben“, kommt manchen Menschen als Erstes in den Sinn. Eine zutiefst menschlich verständliche Ansicht und Aussage.  

 

Doch ist diese Einstellung eines gesunden Menschen  Grund genug um für die aktive Sterbehilfe Partei zu ergreifen?

 

Der von den Befürwortern hochgehaltene freie Wille ist nicht so frei wie es den Anschein hat. Gäbe es die Möglichkeit, aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, könne aus der Möglichkeit schnell eine Verpflichtung, ein moralischer Zwang werden. Betroffene wie etwa Pflegebedürftige könnten sich genötigt fühlen, die Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, um der Gesellschaft oder den Angehörigen nicht zur Last zu fallen.

Die Forderung nach Sterbehilfe ist Teil der Verdrängung von Leid und der Tabuisierung des Tods in einer leistungszentrierten „Spaßgesellschaft“. Aktive  Sterbehilfe stellt einen Dammbruch für Willkür und Kostendruck dar. Wenn die absolute Hochachtung vor dem Leben einmal aufgeweicht ist, könnten auch radikale, dem Kostendruck im Gesundheitswesen geschuldete Positionen wie z.B. "Keine Operationen mehr für Menschen über 80", schleichend Akzeptanz finden.

Zu bedenken gilt es auch, dass der Krankheitsverlauf zwar statistisch berechnet werden kann, jeder Mensch aber aufgrund seiner Gene, seines Willens, seines Umfeldes, seiner Fähigkeit aktiv gegen die Erkrankung anzugehen, anders reagiert. Ebenso reagiert jeder Mensch individuell auf diverse schulmedizinische / komplementäre Behandlungsmethoden, Chemotherapeutika, Bestrahlungsmöglichkeiten, usw.

Der Freitod durch aktive Sterbehilfe ist aber endgültig und nicht revidierbar, wenn sich die Faktenlage ändert.

 

Ein Indikator für den Zivilisationsgrad einer Gesellschaft ist der Umgang mit den schwächsten Mitgliedern, also mit unseren kranken Menschen, den Alten und den Menschen mit Behinderungen sowie mit den Ungeborenen.

 

Manche Kritiker sehen in der aktiven Sterbehilfe, die in manchen Ländern sogar offiziell "Euthanasie" (Euthanasie (griechisch: von eu- für: „gut, richtig, leicht, schön“ und thánatos - der Tod) heißt, einen fatalen Vorstoß in die Richtung der "Vernichtung unwerten Lebens", wie wir es vom Nationalsozialismus her kannten: Wenn es erst einmal normal ist, dass Schwerkranke von Menschenhand den Tod finden, so könnten, wie manche befürchten, als Nächstes zum Beispiel Schwerbehinderte an der Reihe sein. Für die beteiligten Ärzte würden sich Gewissenskonflikte ergeben. Einerseits sei es ihre per hippokratischen Eid bestätigte Aufgabe, Leben um jeden Preis zu retten. Das Töten von Patienten würde, selbst wenn diese es als ihren Wunsch formulieren, für Ärzte ein schweres moralisches Problem darstellen. Ferner ist es anmaßend, wenn Ärzte darüber entscheiden dürfen, welche Patienten krank genug für Sterbehilfe sind.  

Da wir alle einmal an diesen Lebensabschnitt kommen werden, sollte das Sterben als  natürlicher Prozess angesehen werden, der zum Leben ganz selbstverständlich dazugehört.

Einige Argumente aus christlicher Sicht:

 

 

Auszug aus einem Artikel „Die Presse“ vom 24.10.2012,  Anne-Catherine Simon

„Wird Sterben auf Wunsch zum Massenphänomen, und braucht es Gesetze? „Die Presse“ befragte einen Lebensende-Forscher und einen Soziologen.

 

„Die Pensionsfrage ist absolut harmlos gegenüber der Frage, wie das Gesundheitssystem finanziert werden soll“, sagt der Grazer Soziologe Manfred Prisching. „Neben dem Rationierungsdiskurs – wer kriegt noch welche Maßnahmen? – wird die Euthanasiediskussion kommen, von beiden Seiten: Da sind die Leute, die sagen, ich verfüge über mein eigenes Leben. Auf der anderen Seite gibt es eine heimtückische Diskursstrategie, die man sich nie eingestehen würde: Lohnt sich das finanziell noch, für jemanden, der nur noch im Bett liegt? Das wird natürlich menschlich und humanistisch diskutiert werden. Der Mensch ist immer gut darin, schlechte Motive mit noblen zu überdecken.“

Wie perfide sich finanzielle mit berechtigten ethischen Interessen mischen und so bemänteln lassen, zeigt sich derzeit in England. Wie „Die Presse“ am Dienstag berichtete, werden britische Ärzte ermuntert, Listen über die ihrer Einschätzung nach bald sterbenden Personen zu führen. Die verdienstvolle Idee dahinter ist, einen „Lebensende“-Plan mit den Betroffenen und den Angehörigen zu entwerfen. Rein zufällig könnte diese Initiative eine Milliarde Pfund jährlich einbringen. Denn die Initiatoren nehmen an, dass viele Kranke lieber zu Hause sterben.

 

Stimmt es, dass heute die Mehrheit der Menschen für aktive Sterbehilfe ist? Etliche Umfragen behaupten das, doch wie wird gefragt? In einer Studie an der Uni Zürich wurde den Befragten der Fall einer Krebspatientin vor Augen gestellt, die an „unerträglichen“ Schmerzen leide und nur noch kurz zu leben habe. Eine Mehrheit sprach sich in diesem Fall für ärztlich assistierten Suizid aus, woraus die Botschaft wurde: Die Mehrheit der Schweizer sind für aktive Sterbehilfe.

 

Dass heute mehr Menschen dafür seien als in der Vergangenheit, sei ein Mythos, sagt der Lebensende-Forscher. „Es gab immer wieder Wellen, in den 60er- und 70er-Jahren etwa war die Zustimmung in der Schweiz und Deutschland ganz hoch.  Nur sind heute aktive Interessen im Spiel.“ Entscheidend sei auch, wen man frage. „Kerngesunde 18-Jährige sind viel eher für Suizidhilfe als kranke Alte.“

 

Zimmermann ist überzeugt, dass der Wunsch, sich vorzeitig in den Tod befördern zu lassen, eine Randerscheinung autonomer Persönlichkeiten bleiben wird, zumal er nicht glaubt, dass die leidvolle Alterszeit sich stark verlängern wird. „Studien zeigen, sie wird sich einfach nach hinten verschieben.“ Also warum Gesetze machen für so wenige, fragt er, bei Gefahr des Missbrauchs und damit der Gefährdung von verletzlichem Leben? In Österreich werde aktive Suizidhilfe vermutlich verdeckt genauso betrieben wie in der Schweiz, ist er überzeugt. „Aber eine Suizidhilfe-Praxis gibt es seit der Antike, und wenn sich eine Praxis nicht durch ein Gesetz 'normalisieren' lässt, dann ist es sicher besser, auf neue Regelungen zu verzichten.“

 

Sinnvoll oder nicht, für Prisching wird der „steigende Problemdruck“ Gesetze für die aktive Sterbehilfe unausweichlich machen. „Sie sind bei uns noch nicht gesellschaftsfähig, aber solche Diskurse entstehen langsam. Man denkt anders, wenn man sich zehn Jahre damit vertraut gemacht hat.“

 

ZU DEN PERSONEN

Markus Zimmermann ist Theologe und Medizinethiker an der Universität Freiburg, seit Oktober leitet er das nationale Schweizer Forschungsprogramm „Lebensende“.

Manfred Prisching ist ein Grazer Soziologe, im Sommer sprach er in Alpbach über das Thema „Generationengerechtigkeit“ und damit verbundene künftige Krisen.“. Quelle: "Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2012

 

Laut einer  Studie der Universität  Graz im Jahre 2010,  sind 62 Prozent der Österreicher für aktive Sterbehilfe:

 

Im Rahmen der Erhebung des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie wurden 1000 Österreicher ab 16 Jahren telefonisch befragt, wobei die Einstellung sowohl zur aktiven als auch zur passiven Sterbehilfe erhoben wurde. Dabei zeigte sich ein merklicher Stimmungswandel innerhalb der vergangenen zehn Jahre: 62 Prozent der Befragten befürworteten die aktive Sterbehilfe. Bei vergleichbaren Befragungen des IMAS-Instituts in den Jahren 2000 und 2006 sprachen sich erst 49 Prozent dafür aus.

 

„In Zeiten knapper Ressourcen könnte eine Legalisierung letztlich dazu führen, dass nur Wohlhabenden die freie Wahl zwischen kostenintensiver Palliativmedizin und Sterbehilfe offensteht“, interpretieren die Studienautoren Univ.-Prof. Dr. Willibald Stronegger und Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl die Ergebnisse kritisch. 

 

Im Gegensatz zur aktiven ist die passive Sterbehilfe in Österreich erlaubt: Dabei wird bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung oder Verletzung auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet. Wenn der Kranke also eine Behandlung ablehnt, muss der Arzt im Regelfall die Autorität des Patienten anerkennen und nach dessen Wunsch handeln.

Quelle: Internetseite: med uni graz.at /Archiv 2010

Unter passiver Sterbehilfe versteht man einen vom Patienten selbst verlangten Abbruch einer medizinisch noch möglichen lebensverlängernden Behandlung bei unheilbarer Krankheit oder schwerem Leiden. Aktive Sterbehilfe bezeichnet die Möglichkeit, dass unheilbar Kranken und schwer leidenden Menschen der Wunsch zum Sterben erfüllt wird, indem ein Mittel verabreicht wird, das ihren Tod herbeiführt.

Dieser hohe Anteil von Befürwortern der aktiven Sterbehilfe zeigt die große Verunsicherung in der Bevölkerung und die Angst vor unerträglichem Leid, Entwürdigung, Schmerzen und anderen belastenden Symptomen.

Von Seiten der Palliativmedizin und Palliativpflege sind wir dringend gefordert, unsere Möglichkeiten darzustellen, um diese Ängste abzubauen.

„Palliative Care“ umfasst ein Konzept zur Wahrung und Verbesserung der Lebensqualität schwerstkranker Menschen und deren Angehörigen. Unter Mitwirkung und enger Zusammenarbeit von Ärzten, diplomierten Pflegepersonen, Seelsorgern, Psychotherapeuten, Diätologen, Physiotherapeuten, Sozialarbeitern und ehrenamtlichen Helfern wird eine individuelle Behandlung, Begleitung und Betreuung, die über den Krankenhausaufenthalt hinaus geht, möglich.

Text: Angelika Klein (DGKS)