Sehr geehrte Damen /
Herren,
zu Beginn möchte ich vorausschicken, dass ich es sehr begrüße,
dass es Bürgern möglich ist, auf diesem niederschwelligem Weg, sich
an parlamentarischen Prozessen zu beteiligen. Initiativen wie diese sind,
meiner Ansicht nach, ausdrücklich zu befürworten, da sie Zeichen
einer lebendigen Demokratie darstellen. Nun zu meiner eigentlichen
Stellungnahme:
Die verfassungsrechtliche Verankerung des Verbotes Töten auf
Verlangen, ist aus meiner Sicht, abzulehnen. Konträr zu dieser
Initiative, bin ich der Ansicht, dass man viel eher über eine
Liberalisierung dieser Frage diskutieren sollte. Vor allem sehe ich die
Signalwirkung, welche von solch reaktionären Ansätzen ausgeht, als
kritisch an. Die Tatsache, dass sich eine Enquetekommission mit dieser Thematik
befasst, liegt in erster Linie wohl darin begründet, dass wir uns als
Gesellschaft mit der Problematik, einer immer älter werdenden Gesellschaft
konfrontiert sehen. Dieses Faktum ist wohl großenteils der enormen
Fortschritte im Bereich der modernen Medizin geschuldet. Damit einhergehend
erwachsen nun allerdings auch neue, bis dato unbekannte Probleme. Menschen die
jahrelang dement in Altersheimen dem Unvermeidlichen harren beispielsweise. Ich
denke, dass niemand auf diese Art aus dieser Welt scheiden möchte,
permanent auf Hilfe angewiesen, umsorgt wie ein Kleinkind und dies, wie bereits
zuvor erwähnt, in vielen Fällen über Jahre hinweg. Gleichwohl
ich hier sofort anfügen möchte, dass die individuelle Entscheidung
jedes Menschen absolut und uneingeschränkt zu respektieren, akzeptieren
ist. Der Tod an sich, ist wohl eine, wenn nicht die persönlichste
Angelegenheit generell. Wenn jemand kein Problem damit hat, die letzte Zeit
seines Lebens auf diese Art zu fristen, dann steht dies jedem und jeder
selbstredend zu. Gleichfalls sollte es aber künftig ebenso möglich
sein, eine gegenteilige Entscheidung zu treffen. Ich denke, es steht der
Entwicklung einer aufgeklärten, selbstbestimmten Gesellschaft diametral
entgegen, dem Einzelnen diese Entscheidungsmöglichkeit a priori, von
Rechtswegen her, zu berauben. Wieso fällt es manchen Menschen,
anscheinend, so schwer, sich vorzustellen, dass es nicht jeder als großes
Geschenk empfindet "leben zu dürfen"? Glücklich sollen sich
all diejenigen schätzen, denen es an persönlichen Erfahrungen, diese
Fragestellung betreffend, mangelt. Es ist für mich, ja man kann durchaus
sagen, erschreckend zu sehen, wie es so Vielen, offenbar, an jeglicher
Empathie, Respekt, sowie Toleranz mangelt. Gleichzeitig maßen sich diese
Personen nun aber an, solch fundamentale Fragestellungen und Entscheidungen
über die Köpfe der Betroffenen hinweg de jure zu entscheiden. Daher
kann ich mich dem, zugegebenermaßen, pointiert, plakativen Ausspruch
"Der Staat hat am Sterbebett nichts verloren" anschließen. Wer
sich anmaßt, sei es als Privatperson, oder Institution, zu glauben, zu
wissen wann ein Mensch genug gelitten hat, bevor er "gehen darf", der
sollte sich schwerstens hinterfragen. Das Leben ist so vielfältig, so
unvorhersehbar - niemand kann vorhersehen, wie er in bestimmten Situationen
reagieren würde, welche Optionen er dann evtl. in Erwägung ziehen
würde. Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass
Rechtssicherheit, sowohl für Ärzte, als auch Patienten gegeben ist.
Es ist absolut notwendig, in dieser ethisch so heiklen Fragestellung,
dafür Sorge zu tragen, dass es unmissverständliche, klar formulierte,
rechtliche Bestimmungen gibt, welche sich an den Bedürfnissen aller
betroffenen Parteien orientieren. Hier ist allerdings nicht eine weitere
Verschärfung der Gesetzeslage gemeint, sondern eine adäquate
Liberalisierung, welche den heutigen Zustand, sowie sich abzeichnenden
Entwicklungen unserer Gesellschaft Rechnung trägt.
Zum Punkt, Status quo, respektive Verbesserungen im Bereich der Hospiz- und
Palliativversorgung, möchte ich Folgendes anmerken:
Selbstverständlich bin ich dafür, die Versorgung in diesen Bereichen
zu verbessern. Ich hege nur die Befürchtung, dass dieser Punkt als
Feigenblatt dienen könnte, denn wer sollte sich gegen Verbesserungen
aussprechen? Zum Einem wird dadurch das bestehende System perpetuiert, da sich
die Optimierungsmaßnahmen ja nur auf bereits bestehende
Möglichkeiten beziehen, zum anderen wird sich hier nur auf die Gruppe
derer fokussiert, welche keine Aussicht mehr auf längeres Leben haben.
Völlig ignoriert werden bspw. Menschen mit chronischen Erkrankungen, sei
es physischer, als auch psychischer Natur, deren Leiden nicht zwingend zum Tode
führen. Wie gehen wir als Gesellschaft mit dieser Personengruppe um? In
diesem Kontext sei auf die Schlagwörter "Sterbetourismus" und
Suizid(versuche) verwiesen. Des Weiteren muss beachtet werden, dass unsere
Gesellschaft einem permanenten Wertewandel unterliegt. Moralvorstellungen
ändern sich zunehmend rasant. Alleine die Tatsache, dass heute zumindest
offener und auf breiter öffentlicher Front über diese Thematik
diskutiert werden kann, offenbart dieses Faktum. Hier sei auf die abnehmende
Bedeutung von Religion und zunehmender Säkularisierung in unserer Gesellschaft
verwiesen. Insbesondere einige Stellungnahmen von Vertretern der diversen
Glaubensgemeinschaften, wirken auf mich befremdlich. Es erscheint mir bigott,
wenn damit argumentiert wird, das "Leben" um jeden Preis zu
schützen ist und man nicht in Gottes Werk eingreifen dürfe. Nun
stellt sich mir vice versa die Frage, was denn die moderne Medizin
tagtäglich tut, ja was, so zu sagen, ihre Primäraufgabe darstellt?
Das menschliche Leben zu verlängern, auf künstliche Art und Weise.
Viele empfinden diese Situationen allerdings nicht als lebenswert. Dies stellt,
meiner Meinung nach, genauso einen Eingriff in besagten „göttlichen
Plan“ dar, da Menschen Leid zu erdulden haben, ja oft unermessliches
Leid, welches sie ohne lebens/leidensverlängerde Maßnahmen nicht zu
erdulden hätten. Hier sei noch einmal, expressis verbis angemerkt, dass
die Entscheidung für lebensverlängernde Maßnahmen auf dieselbe
Art zu respektieren ist, wie die gegenteilige es zu sein hat. Die große
Mehrzahl der Bürger lehnt es heute ab, von einer Institution bevormundet
zu werden. Vielmehr dient das eigene Gewissen als Kompass in moralisch,
ethischen Fragestellungen. Der moralisch erhobene Zeigefinger hat hier nichts
verloren, jedem sollte das Recht auf eine freie Entscheidung zugestanden werden.
Allgemein wird das selbstbestimmte Leben proklamiert und zu Recht eingefordert,
soll diese Selbstbestimmung explizit in dieser, zu tiefst persönlichen
Frage verwehrt sein? Ein anderer Punkt, der nicht unerwähnt bleiben darf,
ist die historische schwere Belastung dieses Thema betreffend, insbesondere in
Deutschland und Österreich. Die furchtbaren Gräueltaten, welche vom
NS-Terrorregime unter dem Begriff "Euthanasie" verübt wurden,
wirken bis heute nach. Dennoch bin ich der Ansicht, dass es trotzdem einen
fairen, offenen, öffentlichen Diskurs geben soll und muss, wie sich unsere
Gesellschaft dieser ethisch höchst diffizilen Frage stellt.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass der Antrieb mich in
dieser Frage zu äußern, sich aus meiner privaten Lebenssituation
ergeben hat. Es ist eine Angelegenheit, sich als nicht betroffene Person, zu
solchen Fragestellungen zu äußern, quasi aus dem Elfenbeinturm
heraus. Ist man jedoch, direkt, oder indirekt persönlich mit dieser
Thematik konfrontiert, verändert sich so manche Sichtweise - der
Standpunkt bestimmt die Perspektive.
Hochachtungsvoll
Alexander Tanzl