Integrit.at

Mathias Huter

Gerhart-Hauptmannstrasse 5

5020 Salzburg

Mobil: +43 699 126 39 244

Email: mathias.huter@integrit.at

 

Via Email an:

Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes

v@bka.gv.at,

elisabeth.dujmovits@bka.gv.at

 

Präsidium des Parlaments

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

GZ ● BKA-601.999/0001-V/1/2014

Salzburg, am 7. Mai 2014

 

Abschaffung des Amtsgeheimnisses: Stellungnahme zur Änderung der Bundesverfassung

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Integrit.at ist eine neue Initiative mit dem Ziel, Transparenz, Integrität und politische Rechenschaftspflicht in Österreich zu verbessern.

 

Die vorgeschlagene Änderung des Artikels 22a der Bundesverfassung, die damit verbundene Abschaffung des Amtsgeheimnisses und die Einführung eines Rechts auf freien Zugang zu Information ist ein positiver Schritt in Richtung eines offenen und transparenten Staates. Österreich ist der letzte EU-Mitgliedsstaat ohne ein solches Informationsrecht.

 

Jedoch scheint eine über die vorgeschlagene Verfassungsänderung hinausgehende Reform nötig, um ein effektives Recht auf Informationsfreiheit zu gewährleisten. Als Mindeststandard sollte die Konvention des Europarates über den Zugang zu amtlichen Dokumenten (SEV-Nr.: 205) – bislang von Österreich nicht unterzeichnet – herangezogen werden.

 

Internationale Erfahrungen zeigen, dass eine effektive Umsetzung des Rechts auf Zugang zu öffentlicher Information kaum in der Praxis gewährleistet werden kann, wenn es keine unabhängige Stelle gibt, die die Einhaltung und Umsetzung dieses Rechts überwacht. Deshalb sollte ein Informations-Kommissar oder eine Informations-Ombudsstelle eingerichtet werden. Diese(r) Informations-Beauftragte könnte völlig selbstständig agieren (Beispiele: Serbien, Slowenien),[1] oder mit der Datenschutzbehörde (Beispiele: Schweiz, Vereinigtes Königreich),[2] oder der Volksanwaltschaft (Beispiel: Irland)[3] verbunden sein.[4]

 

Die Informations-Ombudsstelle sollte die erste Beschwerde-Instanz für Antragsteller sein, deren Antrag auf Zugang zu Information abgelehnt oder nicht zur Zufriedenheit beantwortet wurde. Deshalb sollte diese Stelle das Mandat haben, geheime Informationen zu begutachten um festzustellen, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Geheimhaltung oder der Veröffentlichung besteht, und eine entsprechende Klassifizierung der Information bewirken können.

 

Die Informations-Ombudssttelle könnte weiters Statistiken über die Anwendung und Umsetzung des Informations-Rechtes sammeln und dem Parlament einen jährlichen Bericht erstatten.

 

Der Gesetzgeber sollte in weiterführenden Gesetzesänderungen folgende Prinzipien berücksichtigen, um eine effektive Umsetzung des Rechts auf Zugang zu Informationen sicherzustellen:

 

     Informationspflichtige Organe sollten eine Anfrage so schnell als möglich beantworten, die maximale Frist zwischen dem Eingang eines Auskunftsantrags und der Beantwortung sollte deutlich von derzeit acht Wochen (Auskunftsgesetz, Landesgesetze) auf fünf Tage (Beispiele: Estland, Slowakei) bis zehn Tage (Beispiel: Georgien) verkürzt werden. In berechtigten Ausnahmefällen könnte das Organ – nach Mitteilungen und Begründung an den Antragsteller – eine Verlängerung dieser Frist in Anspruch nehmen, falls eine Beantwortung der Anfrage innerhalb dieser Frist nicht möglich ist (wie dies in der derzeitigen Gesetzgebung bereits der Fall ist).

     Der Antragsteller sollte eine zeitnahe Bestätigung des Antrags auf Informationsfreigabe/Dokumenteneinsicht erhalten.

     Die informationspflichtigen Organe sollten bei der Form der Beantwortung (mündlich, telefonisch, via Email, per Brief etc.) bestmöglich auf die Bedürfnisse des Antragstellers eingehen (mehrere Landesgesetze schreiben derzeit eine wenn möglich mündliche oder telefonische Beantwortung vor).

     Öffentliche Bedienstete, die mit dem Beantworten von Informations-Anfragen betraut sind, sollten dazu angehalten werden, bei Bedarf Antragstellern bei der Formulierung ihres Antrags zu helfen (etwa auf Grund von Behinderung, Sprachproblemen oder Analphabetismus) und den Antragsteller bei etwaigen nötigen Rückfragen zu kontaktieren (wie dies laut Auskunftsgesetz derzeit vorgeschrieben ist).

     Anträge im Zusammenhang mit dem Zugang zu Information sollten weiterhin von Gebühren und Abgaben befreit sein (einige Landesgesetze sehen im Gegensatz zum Auskunftsgesetz Gebühren vor).

     Falls ein Antrag an ein informationspflichtlichtiges Organ gestellt wird, welches die angeforderten Informationen nicht besitzt, sollte dieses Organ dazu angehalten werden, die Anfrage an die richtige Stelle weiterzuleiten (dieses Prinzip ist derzeit in mehreren Landesgesetzen festgeschrieben) und den Antragsteller über diese Weiterleitung zu informieren.

     Bei Ablehnung eines Antrages auf Veröffentlichung sollte das betroffene Organ einen Bescheid an den Antragsteller ausstellen und begründen, auf welcher rechtlichen Basis die Ablehnung erfolgte.

     Informationspflichtige Organe, die systematisch das Informationsrecht verletzen, sollten sanktioniert werden können. Adäquate Sanktionen sollte es für Individuen oder Organe geben, die mutwillig das Informationsrecht unterwandern, etwa durch das Vernichten von angeforderten Dokumenten. Gleichzeitig sollte es adäquaten Rechtsschutz für Mitarbeiter informationspflichtiger Organe geben, die bona fide Information veröffentlichen.

     Der Gesetzgeber und die mit der Umsetzung betrauten Organe sollten sicherstellen, dass die Öffentlichkeit ausreichend über dieses neue Recht auf Informationsfreiheit in Kenntnis gesetzt wird (etwa durch Adaption von Schulbüchern, eine Informationskampagne und prominent platzierte Hinweise auf den Webseiten staatlicher Stellen).

 

Das Recht auf Zugang zu Informationen sollte sich explizit auf alle Aufzeichnungen und Dokumente beziehen, die im Besitz eines Organs sind – unabhängig von der Art und Weise der Speicherung. In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf wird “Information” breit definiert, diese Definition sollte aber auch im Gesetzestext stärker zum Ausdruck kommen, wo in Artikel 22a “Weisungen, Statistiken, Gutachten und Studien” hervorgehoben werden, was zu Verwirrung führen könnte.

 

Es sollte überlegt werden, die Informationspflicht auch auf private Institutionen auszudehnen, die eine öffentliche Funktion ausüben, beziehungsweise signifikante öffentliche Mittel erhalten, sodass eine Informationspflicht über die Verwendung öffentlicher Gelder besteht.

 

Die in Artikel 22a (2) genannten Ausnahmetatbestände sollten im Materiengesetz weiter konkretisiert werden. Insbesondere die Ausnahmeregelung bezüglich des “wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse[s] einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers” bedarf einer weitergehenden Beschreibung. Für alle genannten Ausnahmen sollte ein Schadens-Test eingeführt werden und im Einzelfall sollte dem Veröffentlichungsantrag nur dann nicht stattgegeben werden, wenn im konkreten Fall ein Schaden entstehen würde. In Fällen, in denen das öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung überwiegt, muss diese erfolgen, auch wenn damit ein möglicher geringer Schaden gewisser Interessen riskiert wird. So sollten beispielsweise alle Vergaben von Aufträgen sowie alle Privatisierungen öffentlich gemacht werden, sobald diese Verfahren abgeschlossen sind. Ein überwiegendes Interesse an Öffentlichkeit gilt insbesondere für ausgewählte Bereiche wie Korruption und Menschenrechtsverletzungen.[5]

 

Falls Teile von angeforderten Informationen/Dokumenten sensible Informationen enthalten, die aufgrund der definierten Ausnahmen nicht zur Veröffentlichung geeignet sind, sollten die übrigen angeforderten Informationen dennoch veröffentlicht werden (hoch sensible Teile könnten etwa geschwärzt werden).

 

Ich ersuche Sie höflich um Berücksichtigung dieser Stellungnahme.

 

Mit freundlichen Grüßen,

 

Mathias Huter

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[1] Serbien: Law on Free Access to Information of Public Importance, http://www.rti-rating.org/files/pdf/Serbia.pdf; Slowenien: Access to Public Information Act, http://www.rti-rating.org/files/pdf/Slovenia.pdf.

[2] Schweiz: Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter, http://www.edoeb.admin.ch/index.html?lang=de, Vereinigtes Königreich: UK's Information Commissioner's Office, http://ico.org.uk/;

[3] Irland: Büro des Informations Kommissars, http://www.oic.gov.ie/en/.

[4] Siehe auch: Privacy International: Freedom of Information Around the World 2006, http://www.freedominfo.org/documents/global_survey2006.pdf.

[5] Siehe: AccessInfo: RTI Legislation Rating Methodology, Indikator 31, http://www.rti-rating.org/Indicatorsfinal.pdf.