Sehr geehrte Damen und Herren,

trotz der Notwendigkeit, etwas gegen islamistische Einflüsse aus dem Ausland zu unternehmen, scheint es rechtsstaatlich bedenklich, eine Lex Islam zu schaffen und nur islamischen Glaubensgemeinschaften die Finanzierung ihrer Einrichtung aus ausländischen Quellen zu untersagen. Um die Auslandsfinanzierung von Glaubensgemeinschaften zu kontrollieren und gegebenenfalls zu unterbinden, wäre eine solche Sonderregelung auch gar nicht erforderlich. Norwegen hat eine smarte und verfassungskonforme Lösung gefunden, um den Einfluss von Ländern wie Saudi-Arabien auf die norwegischen Muslime einzuschränken: 2010 trat ein Gesetz in Kraft, das die Auslandsfinanzierung von Glaubensgemeinschaften (nicht nur der islamischen) nicht grundsätzlich verbietet, aber genehmigungspflichtig macht. Bei der Genehmigung greift Norwegen auf das Prinzip der direkten Reziprozität zurück. Zwei mit saudischem Geld geplante Moscheebauten wurden untersagt, weil der saudische Staat auf seinem Territorium keine Finanzierung von Kirchenbauten durch Norwegen duldet (er duldet überhaupt keine Kirchenbauten, ja nicht einmal die private Ausübung einer anderen Religion als der islamischen, aber das ist juristisch nicht der Punkt). Warum also sollte Norwegen Saudi-Arabien erlauben, Moscheen in Norwegen zu bauen? Dieses Verbot ist keine Bestrafung der norwegischen Muslime dafür, dass in Saudi-Arabien keine Religionsfreiheit herrscht. Die beiden Moscheen können jederzeit gebaut werden, solange sie nicht von Saudi-Arabien finanziert werden. Angelpunkt der Argumentation sind die rechtlichen Standards auf der Ebene zwischenstaatlicher Beziehungen. Ähnlich lässt sich auch gegenüber dem Ansinnen argumentieren, aus der Türkei bezahlte Imame in österreichischen Moscheen predigen zu lassen. Auch in der Türkei ist die freie Religionsausübung religiöser Minderheiten stark eingeschränkt, Kirchenbauten werden in der Regel nicht genehmigt, Priester, die in der Türkei arbeiten wollen, müssen entweder Diplomatenstatus besitzen oder türkische Staatsbürger sein.
Mit der Anwendung einer solchen Reziprozitätsregelung, die Staaten – nicht aber die hier lebenden Gläubigen – trifft, könnte zum einen der Einfluss des politischen Islam aus diesen Länder verringert, zum anderen aber auch Druck auf die entsprechenden Staaten ausgeübt werden, Minderheitenrechte und Menschenrechte, darunter jenes auf Religionsfreiheit, anzuerkennen.

Mit freundlichen Grüßen,

Heiko Heinisch, Historiker, Wien


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