An die
Österreichische Bundesregierung
An Herrn Bundesminister Dr. Josef Ostermayer
An Herrn Bundesminister Sebastian Kurz
An das Präsidium des Nationalrates

                                                                                              Wien, 05. November 2014

 

Stellungnahme von Emina Mujic Duro  zum Entwurf des neuen Islamgesetzes

 

Das österreichische Islamgesetz von 1912 ist eine historisch einzigartige Errungenschaft, welche bis dato eine Vorbildfunktion und ein Paradebeispiel für Egalität im europäischen Raum darstellt. Ein Beispiel welches sich, noch, in Österreich zu finden lässt.

Im Gegensatz zu anderen Religionen, kennt der Islam keine übergeordneten staatlichen sowie religiösen Institutionen, welche sich mit der Auslegung der Religionslehren beschäftigen.

Der „Generalverdacht“ welcher sich durchgehend aus dem Entwurf des novellierten Islamgesetzes entnehmen lässt und sich auf die muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bezieht, weißt eine gewisse Widersprüchlichkeit auf. Die Muslime haben noch nie gegen die in Österreich bestehende Ordnung gewirkt, sondern waren, wie man der Geschichte entnehmen kann, stets produktive und dem österreichischen Staat treue und zuträgliche Mitbürgerinnen und Mitbürger. Dem zu folge ist es uns völligunverständlich, warum die Bundesregierung durch den Entwurf des neuen Islamgesetzes dieses Vertrauensverhältnis ernsthaft beeinträchtigt und den Islam gewissermaßen unter einen „Generalverdacht“ stellt.

Wir sind erschüttert darüber, dass die, im Augenblick vorherrschende, von Boulevard Journalismus geprägte Berichterstattung, ein äußerst verzerrtes, der österreichischen Realität fernes, Islambild kreiert hat. Diese allgemeinen Ressentiments, gegenüber dem Islam und den österreichischen Musliminnen und Muslimen, haben bedauerlicher Weise, ihren Weg, in den Entwurf des novellierten Islamgesetztes gefunden.

Er enthält Bestimmungen und Beschränkungen, die in keinem anderen Religionsgesetz enthalten sind. Wie führende Verfassungs- und Religionsrechtsexperten nachgewiesen haben, widersprechen einzelne Paragraphen des Gesetzesentwurfes dem Gleichheitsgrundsatz, der Autonomie von Religionsgesellschaften, ja sogar der Religionsfreiheit – und damit sowohl der österreichischen Bundesverfassungals auch teilweise der Europäischen Menschenrechtskonvention. Genannt seien das Verbot der ausländischen Finanzierung, die Berufungsmodalitäten von Universitätsprofessorenfür ein künftiges islamisch-theologisches Studium, die Abberufung von Funktionsträgern oder die Aberkennung des Status als Religionsgemeinschaft. In diesen und anderen Punkten wird der Islam durch den Gesetzesentwurf im Vergleich zu den anderen anerkannten Religionsgemeinschaften eindeutig diskriminiert.

 

Unsere Kritikpunkte sind konkret:

Die Formulierungen sind einer Begegnung auf Augenhöhe nicht würdig. Sie stellen Muslime pauschal unter Generalverdacht. Eine Beibehaltung dieser Formulierung würde den Generalverdacht legitimieren. Formulierungen, wie in § 2 (1), dass nur solche Lehren, Einrichtungen und Gebräuche staatlichen Schutz genießen würden, „sofern sie nicht mit gesetzlichen Regelungen in Widerspruch stehen“, empfinden wir als Demütigung, da sie in vergleichbaren Gesetzen für andere Religionsgemeinschaften nicht vorkommen. Weiters gehen wir davon aus, dass solch eine Demütigung auf legislativer Ebene auch das soziale Klima des Landes gefährdet. Denn zum einen wird signalisiert, dass es legitim ist, Muslime zu verdächtigen und zum anderen, dass Muslime unter allen Umständen immer erst beweisen müssten, dass sie sich zu Österreich bekennen.

Der vorliegende Entwurf ermöglicht dem Staat ein Eingreifen in die inneren Angelegenheiten einer offiziell anerkannten Religionsgemeinschaft, was im Widerspruch zu § 15 StaatsGrG steht. Wir fordern eine Gleichbehandlung wie sie im Protestanten- und Israelitengesetz gewährleistet wird.

Ein weiterer Punkt, warum dieser Entwurf abzulehnen und gänzlich neu zu bearbeiten ist, stellt die Regulierung des islamischen Vereinslebens dar. In der vorliegenden Fassung wird dieses Vereinsleben behindert oder gar zerstört. Die Pluralität des islamischen Vereinslebens wird somit stark eingeschränkt.

Wir begrüßen die Etablierung der islamischen Theologie an der Universität Wien grundsätzlich. Es ist jedoch unbegreiflich, dass die Besetzung der besagten Lehrstellen nicht im Einvernehmen mit der Glaubensgemeinschaft erfolgen soll, sondern diese nur mit einem Recht auf eine – rechtlich keineswegs verbindliche – „Stellungnahme“ übergangen wird. Ebenso ist es nicht nachvollziehbar, dass AnwerberInnen, für die Professur der islamischen Theologie an der Universität Wien,nichtmuslimischen Bekenntnisses sein müssen. Wir fordern hier eine Klarstellung, die § 15 (2) des Protestantengesetzes entspricht.

Der Zeitpunkt für die Fertigstellung und Veröffentlichung des Entwurfes zum neuen Islamgesetz ist für uns ebenfalls ein wichtiger Kritikpunkt. Unabhängig davon, dass die Verhandlungen im Hintergrund der unerträglichen Lage im Nahen Osten stattfanden, sehen wir keinen Grund, diese jetzt – in einer sehr angespannten Atmosphäre – zu beenden. Ist es wirklich Zufall, dass dieser Entwurf vor dem Hintergrund der schockierenden Ereignisse im Nahen Osten veröffentlicht wird? Soll dumpfer, islamophober Populismus ein Gesetz diktieren, das weitere 100 Jahre Geltung haben dürfte.

 

 

 

Unsere Forderungen

Wir fordern, dass auf unsere oben angeführten Kritikpunkte gewissenhaft eingegangen wird, um auch ein demokratiepolitisches Signal an die Gesamtgesellschaft zu senden.

Mit Nachdruck fordern wir eine eindeutige Ablehnung dieses Entwurfes und einen alsbaldigen Neustart der Verhandlungen auf Augenhöhe. Diese Verhandlungen sollen unter Einbeziehung der muslimischen Öffentlichkeit stattfinden. Dazu gehört auch, dass die Zwischenergebnisse dieser Verhandlungen transparent dargestellt werden. Hierbei fordern wir sowohl die staatlichen Stellen als auch die IGGiÖ auf, die Basis in jeder Situation über den Fortgang der Verhandlungen zu informieren.

Wir wünschen uns und fordern eine sachliche und seriöse Diskussion jenseits von parteipolitischen Interessen. Diese stellt eine Grundvoraussetzung für ein gesundes mit einander dar. Wir betonen, dass das neue Ergebnis dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsprinzip zu entsprechen hat.Wir verstehen demokratische Gesetze so, dass sie den Realitäten der Gesellschaft zu entsprechen haben. In Anlehnung daran fordern wir, dass die Unabhängigkeit muslimischer Vereinigungen auch weiterhin gewährleistet wird.

Im Interesse eines friedlichen Für- und Miteinander rufen wir zu kühler Nüchternheit und Besonnenheit auf! Es sei festgehalten, dass wir die Entscheidungsträger der IGGiÖ, insbesondere den Obersten Rat, in ihrer Ablehnung des Gesetzesentwurfs unterstützen. In diesem Zusammenhang fordernwir abschließend eine noch deutlichere Formulierung der Ablehnung seitens der IGGiÖ, um den Wünschen der muslimischen Basis zu entsprechen.

 

Den vorliegenden Entwurf lehnen wir daher ab, da er die Tradition der Unabhängigkeit der muslimischen Lehre ausgerechnet in Österreich aufhebt (§6) und das Selbstbestimmungsrecht der Muslime untergräbt.

Nochmals fordern wir, dass auf unsere oben angeführten Kritikpunkte gewissenhaft eingegangen wird, um auch ein demokratiepolitisches Signal an die Gesamtgesellschaft zu senden.

 

Emina Mujic Duro

Refiz Duro