Abs.: DI Dr. techn. Rainer Reich, 69oo Bregenz, Kennelbacherstr. 18
( Zivilingenieur seit 1965, dzt. rhd.) 24. April 2o15
An das
Bundesministerium für Justiz
z. H. Frau Mag. Manuela Troppacher
Museumstr. 7
1o7o W i e n
Via Email: team.s@bmj.gv.at
Betr.: 98/ME Strafrechtsänderungsgesetz 2o15, Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf.
Sehr geehrte Frau Magister Troppacher !
Nach der Vorarlberger Landesverfassung 1984 haben Landesbürger das Recht zur Stellungnahme zu Gesetzesentwürfen des Landes,
ich nehme an, dass für Staatsbürger
kein Einwand gegen Stellungnahmen zu Entwürfen von Bundesgesetzen besteht. Zumindest ist die Liste bisheriger Stellungnahmen recht vielseitig.
Als Unterlage werden die Erläuterungen, E mit 36 Seiten, und der Gesetzesentwurf
G mit 2o Seiten verwendet.
a) Die Trennung der strafbaren Handlungen Verbrechen und Vergehen findet nach
§ 17 StGB bei einer Drohung von mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe statt.
Nun soll diese Grenze bei Vermögensdelikten wie schwerer Diebstahl, § 129 Abs. 2 StGB, Entziehung von Energie § 132 Abs 2 StGB, Veruntreuung § 133 Abs 2 StGB, schwerer Betrug, § 147 (3) StGB, Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch § 148 a Abs 2 StGB, Untreue
§ 153 (2) StGB, Betrügerischer Krida § 156 (2) StGB, Weitergabe oder Besitz nachgemachten oder verfälschten Geldes, § 233 StGB,
statt ab einer Schadenshöhe von 5o.ooo Euro erst bei einer Schadenshöhe ab 5oo.ooo Euro mit einer Strafdrohung von 1 bis 1o Jahren Freiheitsstrafe erreicht werden.
Ebenso beachtlich für die Strafgrenze sind natürlich Strafdrohungen von 6 Monaten bis 5 Jahren Freiheitsstrafe, wie bei Unterschlagung nach § 134 Abs 3 StGB, Dauernder Sachentziehung nach § 135, Abs 2 StGB, Förderungsmissbrauch nach § 153 b
Abs. 3 StGB, Hehlerei nach § 164 Abs 4 , StGB , Geldwäscherei nach § 165 Abs 4, StGB Weitergabe verringerter Geldmünzen nach § 234 Abs 2 StGB , etc., etc.
Womöglich will man diese Grenzen noch weiter nach oben verschieben um den Bereich bloßer Vergehen zu erweitern.
b) Nun gibt es die Besonderheit, dass Schäden in gigantischer Höhe bei Banken vorkamen, z. B. im Fall Hypo – Alpe – Adria mit Angaben von bis zu 2o Milliarden Euro, samt Haftungen von Bundesländern in dazu passender Höhe.
Bei 2o Milliarden ist gleich zwanzigtausend Millionen nützt es wenig, wenn die Grenze zwischen Verbrechen und Vergehen auf eine halbe Million angehoben wird. wird. Es steht dann noch immer 4o.ooo zu 1
Allein ein Schaden von 1oo Millionen Euro lag, etwa beim Verfahren über die BAWAG, beim 2ooo-fachen der damaligen Verbrechensgrenze von 5o.ooo Euro.
Es ist also eine Illusion, wenn man für die bei Banken unter allen möglichen Titeln vorkommenden Schäden ( falsche Berechnung von Zinsen wie beim Libor, beim Euribor, beim Goldpreisfixing, etc. etc. ) eine Entkriminalisierung durch Verschieben der Grenze erreichen wollte .
Stattdessen läuft das Geschäft so, dass Staaten wie USA oder Großbritannien, auf deren Börsen die Großbanken angewiesen sind, die Banken vor die Wahl stellen, Ersatzzahlungen anstelle strafgerichtlicher Verfolgung, Ausschluss von den Börsen, Verfolgung Verantwortlicher, auf Grund von Verhandlungen freiwillig zu leisten.
Das kann für eine Bank allein durchaus Beträge von über 2 Milliarden Euro bezw. Dollar erreichen.
Bei solchen Zahlungen von Banken zwecks Vermeidung von Gerichtsverfahren würde man meinen, es müssten danach Dutzende Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte, Direktoren als Verantwortliche, zumindest wegen unterlassener Aufsicht, den Hut nehmen. Das ist aber kaum sichtbar.
Die Vermutung könnte nicht abwegig sein, dass die Bank noch immer teilweise bereichert bleibt, die Zahlung daher nur eine Teilablieferung solcher Gewinne darstellt.
c) Dass man in Österreich trotzdem an das Modell einer Verschiebung der Grenze gleich auf das Zehnfache glaubt, hängt möglicherweise damit zusammen,
dass zwar insgesamt hohe Schäden bekannt sind, die strafrechtliche Verantwortung mangels Überblick und zahlreicher nur Teilberater aber verzettelt wird,
auf z. B. ca 15o Beschuldigte, mit Beweisführung bezw. Verurteilung eher erst für wenige und dann nur einstellige Millionenbeträge.
Daher ist der Vorschlag, gezielt zuerst nur den Hauptpfaden der Schädigung nachzugehen, sehr berechtigt.
Nachteilig ist aber, wenn z. B. zwar 1oo Verhandlungstage für die Bestrafung von BAWAG - Verantwortlichen eingeplant waren, die Aufgabe , auch dem verschwundenen Geld nachzuspüren, eher nicht als Aufgabe des Gerichts angesehen wurde.
Insofern gehen die Staatsanwälte in New York von umgekehrter Reihenfolge aus.
d) Man kann nun fragen, wo sich der Umstand, dass man je 45o.ooo Euro pro Fall aus dem Bereich Verbrechen in den Bereich Vergehen verschiebt, besonders auswirkt?
Dazu sollte der Bund abschätzen, wie sich die Verteilung von Vermögen in Österreich darstellt.
In je 45o.ooo Euro haben Eigentumswohnungen oder die Einfamilienhäuser, die Barwerte öffentlicher Pensionsansprüche oder auf Firmenpensionen, die Werte von ererbtem Grund, Barvermögen oder Wertpapiere, Platz,
sodass eine Vermögensverteilung auf z. B.
1 Million Österreicher mit je diesem Betrag 45o Milliarden Euro Gesamtvermögen ergäbe.
Wenn Studenten am Karlsplatz durch Modelle darstellen, dass man mit 2o Milliarden Euro einen neuen Stadtteil für 1oo.ooo Einwohner errichten könnte, würde man für 8 Millionen Einwohner das 8o- fache benötigen, d. h. 16oo Milliarden Euro.
Natürlich wäre das Durchschnittalter der bestehenden Bauten nicht neu, der aktuelle Buchwert hebt die seitherige Geldentwertung nicht auf , man läge also weit darunter.
Aber auch die Barwerte der Pensionsansprüche sind nicht durch Rückstellungen abgesichert, sondern nur Ansprüche gegen zukünftige Generationen, auch die Wertdifferenz von Baugrundstücken gegenüber Wiesen um das Zwanzig- oder Mehrfache hängt ja davon ab, ob der Ausbau des „Speckgürtels“ um jede Stadt und jedes Dorf wie bisher fortgesetzt werden wird oder an seine Umwelt – und Finanzgrenzen stößt.Auch liegt die Hand des Staates schon jetzt mit einem Viertel auf jedem zukünftigen Verkaufserlös, ebenso der öffentliche Zugriff zur Finanzierung von Pflege.
Was hier gezeigt werden soll ist allein das, dass die Verzehnfachung der Höhe der Trenngrenze zwischen Verbrechen und Vergehen den Effekt hat,
dass nicht die Schadensverantwortlichen von Banken oder Aktiengesellschaften befreit werden sondern dass der Staat sich aus dem Schutz des Vermögens seiner Bürger weitgehend zurückziehen und diese verunsichern würde.
Denn was sind die Auswirkungen:
Zuerst fällt die Festungsmauer einer staatlichen Verbrechensverfolgung mit Opferschutz sowie dem Angreifer angedrohter Freiheitsstrafe von bis zu 1o bezw. 5 Jahren,
wenn das Vermögen in diesem Bereich von 45o.ooo Euro ,bei z. B. bis zu 1 Million potentieller Opfer, durch schweren Diebstahl, Veruntreuung, schweren Betrug,, Untreue, Betrügerische Krida, Unterschlagung, Geldwäscherei etc. angegriffen wird.
Stattdessen geht es nur mehr um „Delikte“.
Das verlagert die Verteidigung mehr auf persönliche Zivilverfahren mit teuren Gerichts- und Anwaltskosten.
Wesentlich schneller kann Verjährung eintreten.
Statt Verjährungsfristen für die Strafbarkeit von 1o bezw. 5 Jahren ab Ende der mit Strafe bedrohten Tätigkeit kommen für den gesamten derzeitigen Vermögensstand nur mehr 5, oder 3 oder 1 Jahr in Frage.
Auch eine derzeit bestehende längere Verjährungsfrist kann, je nach Interpretation der Ausführungen auf E Seite 36, per „Rückwirkungsgebot“ bei der Verkürzung von Verjährungsfristen und milderer Strafsätze zugunsten der Beschuldigten durchschlagen
Auch nach Seite E 11 wird die Annahme der gewerbsmäßigen Begehung mit erhöhtem Strafrahmen nun an eine Bedingung geknüpft, wonach in den letzten 12 Monaten zumindest 2 solche Taten begangen sein müssen. Bedeutende Eingriffe sind aber im Jahresrhythmus eher zu erwarten als bei geringfügigen Ladendiebstählen.
Auf Seite E 17 wird erläutert, dass die Wertgrenzen seit über 1o Jahren nicht mehr geändert worden seien. Dafür hätte aber eine Erhöhung um 5o % gelangt, auf 75.ooo Euro. Tatsächlich habe die Arbeitsgruppe „ StGB 2o15“ dann die zweite Wertgrenze mit (einer Versechsfachung) auf 3oo.ooo Euro empfohlen.
In Abweichung von der Arbeitsgruppe werden aber 5oo.ooo Euro, gleich die Verzehnfachung, vorgeschlagen.
Herausragend ist die im Anschluss folgende Begründung, dass man bei Straftaten wie Verletzungen der Amtspflicht. Korruption und verwandten strafbaren Handlungen die Wertgrenzen nicht( auch nur um ein einziges Prozent )erhöhen wollte, weil dieser Bereich zu sensibel sei.
Immerhin wird auf Seite E 18 oben) darauf verwiesen, dass der durch die Tat erlangte Vorteil durch die Bestimmungen über Verfall ( § 2o ff StGB) ausgeglichen werden kann.
Insgesamt gibt es eine Reihe von Widersprüchen, die viel an rechtlicher Klärung verlangen werden.
Mit freundlichen Grüßen
DIDr. Rainer Reich sen.