Stellungnahme der WKStA im Begutachtungsverfahren zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert wird

 

Unter Bezugnahme auf den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 7. April 2015, BMJ-S604.000/0005-IV 3/2015, wird zum Gesetzesentwurf in ausgewählten Bereichen Stellung genommen:

 

Zu §§ 2a Abs 3, 8 Abs 1, Abs 1a und  Abs 3:

Die WKStA begrüßt ausdrücklich die Intention des Entwurfs, die Berichtspflichten für alle Staatsanwaltschaften nach dem Vorbild der für die WKStA bereits jetzt geltenden Regelung einzuschränken. Diese eingeschränkte Berichtspflicht hat sich in der Praxis der WKStA grundsätzlich bewährt. Sie wird zweifellos die Verfahrensdauer berichtspflichtiger Ermittlungsverfahren im Sinne der Konzentration auf zielgerichtete Ermittlungen (ohne Kapazitätseinbußen durch Berichtsvorlagen und ohne Wartezeiten auf die Genehmigung von Vorhaben) positiv beeinflussen.

Dass ua die „Funktion des Verdächtigen im öffentlichen Leben“ Kriterium für das besondere öffentliche Interesse im Sinne des § 8 Abs 1 sein soll und nicht mehr auf die „Person des Tatverdächtigen“ abzustellen ist, stellt sich als systematisch richtige Einschränkung dar.

 

Zu § 2a Abs 6:

Nach Evaluierung des Probebetriebs des bei der WKStA eingerichteten internetbasierten anonymen Hinweisgebersystems kann das System als funktionierendes Werkzeug für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte beurteilt werden. Es fördert den Aufbruch der Heimlichkeit und damit die Aufklärung solcher strafbarer Handlungen und wird von der Gesellschaft angenommen und genützt. Die WKStA unterstützt daher ausdrücklich den Dauerbetrieb. Die vorgesehene gesetzliche Verankerung ist geeignet, datenschutzrechtlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

Zu §§ 8a Abs 1, 29a Abs 1 und Abs 1a:

Fachaufsicht braucht ein klar geregeltes Weisungsrecht. Durch die über die Hierarchieebenen unbeschränkte Kontrollfunktion und das damit einhergehende unbeschränkte Weisungsrecht wurde die auf dem Anschein politischer Einflussnahme basierende öffentliche Kritik lauter. Die Neuregelung dieses Bereichs wurde gefordert. Wird demnach als Ergebnis des Beratungsgremiums die gesamte Weisungskette grundsätzlich beibehalten, kann eine konkrete Determinierung des Weisungsrechts der Oberbehörden (Oberstaatsanwaltschaft und Bundesministerium für Justiz) – va in Verbindung mit der konkreten Ausgestaltung des Berichtswesens und den Transparenzregeln – gegenüber der kritischen Öffentlichkeit den sachgerechten Einsatz dieses Aufsichtswerkzeugs nachvollziehbar garantieren. Auch die Verfahrensdauer kann damit positiv beeinflusst werden. Wesentlich dazu erscheinen die klare Bindung an gesetzlich verankerte Voraussetzungen, in welchem Fall welche Art von Weisung erteilt werden darf. Liegt diese Voraussetzung vor und zeigt sich die sachgerechte Notwendigkeit, die Staatsanwaltschaft zu einem bestimmten Verhalten anzuhalten, soll die Weisung zum Einsatz kommen, ohne dass Spielraum für die Frage offen bleibt, ob überhaupt eine Weisung erlassen wurde. Eine solche Präzisierung und Determinierung des Weisungsrechts der einzelnen Hierarchieebenen wird daher ganz allgemein und grundsätzlich begrüßt.

Das Gesetz kennt „Weisungen zur Sachbehandlung“, worunter regelmäßig (aber nicht ausschließlich) Weisungen verstanden werden, die auf die Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung oder auf Anklageerhebung abzielen. Darüber hinaus kennt das Gesetz „Weisungen“ (ohne jeden Zusatz), aber auch „erforderliche Anordnungen“ (§ 8a Abs 1 alt). Die unterschiedliche Bezeichnung fördert Missverständnisse, birgt aber auch die Gefahr der Intransparenz, wird doch in jedem Fall der Staatsanwaltschaft ein bestimmtes Verhalten aufgetragen. Wenn Oberstaatsanwaltschaft und Bundesministerium für Justiz erforderliche Anordnungen treffen (und sei es nur, einen Bericht anzufordern), eine alternative Rechtshandlung anheimstellen, Rechtsauffassungen eröffnen, die einer Rechtshandlung zugrunde zu legen (und daher in das Verfahren einzubringen sind) oder bestimmte Rechtshandlungen zur Erwägung stellen (beispielsweise zur Durchführung weiterer oder bestimmter ergänzender Ermittlungen), üben sie ihre Fachaufsicht durch Weisungen aus, die deutlich als solche zu kennzeichnen wären. Für klare und unmissverständliche Kommunikation zwischen den drei Ebenen werden Berichte vorgelegt und Weisungen erlassen. Das Anliegen sollte demnach auch sein, das StAG in dieser Hinsicht zu überarbeiten und Weisungen gleichartig als solche zu bezeichnen. Die angestrebte Transparenz greift dann, wenn kein Zweifel am Charakter der in Ausübung der Fachaufsicht ergangenen Erlässe als Weisungen besteht. Schriftliche Begründungen sichern die sachliche Grundlage ab.

Der Gesetzesentwurf bring hier keine Klarheit. Vielmehr werden in § 8a Abs 1 und § 29a Abs 1a zusätzliche termini eingeführt, indem der Entwurf nun auch von „Aufträgen zur Verbesserung“, von „inhaltlichen [sic] Weisungen zur Sachbehandlung“ und von „Ersuchen um Aufklärung“ spricht.

Soweit § 8a Abs 1 das Weisungsrecht der Oberstaatsanwaltschaften beschränken will, kann diese Intention begrüßt werden. Allerdings bietet die Formulierung des Abs 1 Raum für Unklarheit; der in den Erläuterungen zu § 29a Abs 1 angeführte Einklang mit der Formulierung des § 8a Abs 1 scheint nicht erreicht. Sind „erforderliche Anordnungen“ Weisungen? Warum spricht das Gesetz nicht von erforderlichen Weisungen? Sollen als „Mängeln der vorgelegten Berichte“ allenfalls (die Erläuterungen beschreiben sie nicht näher) bloß Unvollständigkeiten der Schriftsätze, beispielsweise durch fehlende Zitierung der Fundstellen im Akt oder fehlende Ausführungen zu den einzelnen in § 8 Abs 1a Z 1-3 (neu) aufgelisteten Elementen von Berichten in Frage kommen? Die Definition der Mängel scheint erforderlich, wenn eine klare Determinierung des Weisungsrechts angestrebt ist. Im Sinne dieser Interpretation wird unter Berücksichtigung des oben Gesagten in § 8a Abs 1 erster Satz die Wortfolge „... gegebenenfalls die erforderliche Weisungen zu erteilen.“ und im zweiten Satz die Wortfolge „Diese haben sich … auf bloße Aufträge zur Beseitigung von Unvollständigkeiten der vorgelegten Berichte (§ 8 Abs 1a) zu beschränken.“ angeregt.

Die Ergänzung im zweiten Satz „und keine inhaltlichen Weisungen zur Sachbehandlung zu enthalten“ wirft Fragen auf. Es ist davon auszugehen, dass keine neue „Kategorie“ von Weisungen durch das Wort „inhaltlichen“ geschaffen werden soll, was sonst wohl den Erläuterungen zu entnehmen wäre. Damit könnte allerdings der zweite Satzteil entfallen, weil die Einschränkung auf Weisungen, die sich auf bloße Aufträge zur Beseitigung von Unvollständigkeiten der vorgelegten Berichte unter Bezugnahme auf § 8 Abs 1a zu beschränken haben (siehe oben), andere Weisungen ausschließt.

Wenn aber die Einschränkung auf „bloße Aufträge“ in diesem vorgenannten Sinn nicht die gesetzliche Intention sein soll, wäre die Neufassung grundsätzlich zu überdenken. „Bloße Aufträge zur Beseitigung von Mängeln der vorgelegten Berichte“ sind dann nämlich Weisungen zum Beispiel zur Vornahme der erforderlichen ergänzenden Ermittlungen. Wäre das nicht eine „inhaltliche“ Weisung? Jedenfalls wäre aus Sicht der WKStA auch in diesen Fällen eine schriftliche und begründete Ausfertigung der Weisung vorzusehen.

Auch die Determinierung des als Ergebnis des Beratungsgremiums beibehaltenen ministeriellen Weisungsrechts in Einzelstrafsachen unter Bindung an rechtliche Kategorien (Fomalmängel) ist grundsätzlich zu begrüßen. Bedenken bestehen gegen das im Entwurf konkret vorgesehene Prozedere. Soweit nämlich der Bundesminister für Justiz im Zuge der formalen Prüfung der Berichte (§ 29a Abs 1a) die Anforderung von Strafakten als notwendig erkannt hat, scheint die ihn treffende Verpflichtung [„hat“], um Aufklärung und neuerliche Berichtsvorlage zu ersuchen (sollte lauten „... mit Weisung um Aufklärung dieser Umstände...“ - [Das „Ersuchen“ indiziert immer eine Weisung, was aber Abs 1a vierter Satz widerspricht]), überzogen und der raschen Erledigung hinderlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die aufklärungswürdigen Umstände schon allein auf Basis dieser Akten entweder aufgeklärt werden können und/oder eben eine Weisung (beispielsweise zu weiteren Ermittlungen, zur Einstellung oder Anklageerhebung) indizieren und die neuerliche Berichtsvorlage das Verfahren nur wesentlich verlängert. Darüber hinaus sieht das Gesetz den Ausschluss der Wiederholung dieses Vorgangs nicht vor, was uU erhebliche Verfahrensstockung mit sich bringen kann.

 

Zu § 29b:

Die Kontrolle der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft ist durch ein weitverzweigtes Netz an Kontrolleinrichtungen hervorragend und zielgerichtet abgesichert. Zunächst herrscht innerhalb der Staatsanwaltschaft das Vier- oder Sechs - Augenprinzip durch Revision seitens Gruppenleiter/in und Leiter/in der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Fachaufsicht. Diese Fachaufsicht wird aber auch seitens der Oberstaatsanwaltschaften (dort unter Einhaltung des Vier-Augenprinzips durch Referent/in und Leiter/in) ausgeübt. Die Fachaufsicht des Bundesministers für Justiz (Mehr-Augenprinzip durch Referent/in, Abteilungsleiter/in, Sektionsleiter/in rundet diese Aufsichtsschiene innerhalb der staatsanwaltschaftlichen Hierarchie ab. Außerhalb dieser Struktur besteht die im Ermittlungsverfahren mit der StPO-Reform 2008 erheblich erweiterte Kontrolle der Staatsanwaltschaften durch die Gerichte als besonders wertvolle Verrechtlichung dieses Verfahrens. Gerichtliche Bewilligungen von Anordnungen der Staatsanwaltschaft, Einsprüche wegen Rechtsverletzung von jeder in einem subjektiven Recht verletzten Person, Einstellungsanträge der Beschuldigten, mannigfache Beschwerderechte, nun auch Überprüfung der Höchstdauer des Ermittlungsverfahrens lösen gerichtliche Entscheidungen über das Wirken der Staatsanwaltschaft und damit ihre gerichtliche Kontrolle aus. Die Kompetenz der Generalprokuratur zur Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes auch bereits im Ermittlungsverfahren dient gleichermaßen der Kontrolle der Staatsanwaltschaften wie auch der Gerichte. Zur Abrundung der Kontrolle wurde der Rechtsschutzbeauftragte mit weiteren Aufgaben betraut. Kontrollfunktion übt auch die Volksanwaltschaft aktiv aus. Nicht unerwähnt bleiben soll die Kontrolle der Staatsanwaltschaften durch den Rechnungshof. Die Amtshaftung sichert die Kontrolle weiter ab. Rechtsanwälte nehmen über die Vertretung in Einzelstrafsachen hinaus mit ihrer Darstellung im Wahrnehmungsbericht wesentliche Kontrollfunktion war. Eine ebenso wesentliche Kontrollfunktion nimmt die Lehre ein, die ihre kritische Auseinandersetzung mit Entscheidungen öffentlich macht. Nicht zuletzt die Medien kontrollieren als public-watch-dog die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft. Selbstverständlich ist die parlamentarische Kontrolle ein wesentlicher Eckpfeiler der Demokratie.

Weil das Vertrauen der Gesellschaft in die Tätigkeit der Gerichtsbarkeit insgesamt und damit auch der Staatsanwaltschaft durch dieses engmaschige Kontrollnetz gefördert wird, wird die bestehende weitreichende Kontrolle als international vorbildhaft und optimal beurteilt. Das Ergebnis des Beratungsgremiums zur Reform des ministeriellen Weisungsrechts brachte den Vorschlag zur Einrichtung eines „Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich“ unter Beibehaltung des ministeriellen Weisungsrechts in Einzelstrafsachen.. Auch gegen die Einrichtung dieses weiteren Kontrollorgans bestehen aus den angeführten Gründen keine  Bedenken. Nach den dargestellten Stufen der Fachaufsicht in dieser (erweiterten) staatsanwaltschaftlichen Struktur soll nun dieser Beirat zur Beratung des Bundesministers für Justiz mit der Kontrolle der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Fachaufsicht befasst sein. Die damit einhergehende Verlängerung der Prüfungsdauer durch die Einbindung von drei weitere Prüfern kann uU durch den Vorteil aufgewogen werden, die mit einem Anschein politischer Beeinflussung von Entscheidungen begründete öffentliche Kritik am ministeriellen Weisungsrecht zu entkräften. Die bisherige Regelung über die Veröffentlichung von Einstellungsbegründungen in der Ediktsdatei nach § 35a StAG, die verpflichtende Aufnahme von Weisungen in die Akten und die verpflichtende Veröffentlichung der ministeriellen Weisungen gegenüber Nationalrat und Bundesrat haben diese Kritik bislang nicht verstummen lassen.

Angesichts der dargestellten Kontrolleinrichtungen bestehen gegen die vorgeschlagene notwendige Qualifikation der Mitglieder dieses Beirats (§ 29b Abs 5) Vorbehalte. Die Prüfungsaufgaben erfordern nämlich nicht nur besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Straf- und Strafverfahrensrechts und die entsprechend lange Berufserfahrung im Bereich des Strafrechts, sondern es sollte auch die Befähigung zum Richteramt vorgesehen werden, die RichterInnen und StaatsanwältInnen auszeichnet. Weil sogar besonders erfahrene RechtsanwältInnen vor ihrem Wechsel in die Gerichtsbarkeit die Richteramtsprüfung (als Ergänzungsprüfung) absolvieren müssen, um  StaatsanwältInnen (oder RichterInnen) zu werden, sollten diese Anforderungen umso mehr an die unmittelbaren Kontrollorgane dieser StaatsanwältInnen im Zuge der Fachaufsicht gestellt werden.

Die Einbeziehung der Lehre und der Advokatur in die Kontrolle der Staatsanwaltschaften ist bereits durch mögliche Bestellung als Rechtsschutzbeauftragter und die oben dargestellten weiteren externen Kontrollfunktionen aus diesen Bereichen gewahrt. Innerhalb des Fachaufsichtszugs über die Instanzen wird aber das Tätigwerden von Personen aus dem unmittelbaren Berufsfeld, die ausreichende Erfahrungen als Entscheidungsträger in der Gerichtsbarkeit gewonnen haben, als zielführend, sinnvoll und sachgerecht erachtet.  Innerhalb der Fachaufsicht geht es nämlich um die Bildung der Überzeugung der Staatsanwaltschaft, während Personen aus anderen Berufsfeldern mit dem notwendigen Blick von außen eben die externe Kontrolle wahrnehmen.

Demnach sollten die Mitglieder mindestens fünfzehn Jahre als StaatsanwältInnen oder RichterInnen in Strafsachen tätig gewesen sein.

Die Möglichkeit der Veröffentlichung der Entscheidungen des Weisenrats (Abs 7) bietet erfreuliche zusätzliche Gewähr für Transparenz und weiterführende Kontrolle.

 

Zu § 34a Abs 2:

Die Bestrebung zur Einführung der digitalen Akten- und Verfahrensführung wird uneingeschränkt befürwortet.

 

Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption

Wien, 30. April 2015

Leitende Staatsanwältin Hofrätin Mag. Ilse-Maria VRABL-SANDA eh

 

elektronische Ausfertigung

gemäß § 79 GOG