Wien, 8. Juni 2015

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

In Absprache mit vielen Organisationen und auch in meiner Funktion als Präsidentin des Fundraising Verbandes übermittle ich Ihnen die gemeinsam formulierte Stellungnahme zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 2015/2016:

 

Zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 2015/2016 (Ministerialentwurf des BMF vom 19. Mai 2015, GZ BMF-010200/0019 - VI/1/2015) dürfen wir wie folgt Stellung nehmen:

Mit der Änderung des ESTG sollen Spendenorganisationen (derzeit rund 1000) gesetzlich verpflichtet werden, laufend Spendendaten an das BMF zu übermitteln, um diese automatisch als Sonderausgaben bei der ArbeitnehmerInnen-Veranlagung berücksichtigen zu können. Als Ziel dieser neuen Regelung gibt das BMF u.a. die Entlastung der Finanzverwaltung an, die sich dadurch Bearbeitungs- und Überprüfungsaufwand ersparen soll. In den Erläuterungen zum Gesetz wird zynisch von Bürokratieabbau gesprochen, geht die Maßnahme doch zur Gänze auf Kosten eines Bürokratieaufbaues bei den Spendenorganisationen.  Dem Ziel der Steuerreform und den Empfehlungen der Steuerreformkommission zur Vereinfachung wird überhaupt nicht entsprochen. Die im Entwurf angesprochene Kostenneutralität ist nicht nachvollziehbar. Zusätzlich werden verfassungsrechtlich garantierte Rechte des Bürgers auf den Schutz seiner persönlichen Daten verletzt.

Der Fundraising Verband Austria - Dachverband der spendenwerbenden Organisationen - lehnt daher die automatische Datenübermittlung strikt ab und begründet dies wie folgt:

Fehlende Verwaltungsersparnis: Das BMF begründet den Entwurf mit Einsparungen in der Finanzverwaltung  - obwohl dadurch keine einzige Steuerprüfung weniger stattfindet. Allerdings stehen den vermuteten Einsparungen enorme Kosten auf Seiten der

 

Spendenorganisationen gegenüber, müssen doch von rund 5 Mio. ÖsterreicherInnen jährlich die Spenden-Daten wie Geburtsdaten, die bereichsspezifische Personenkennung und die Spendensumme gesammelt übermittelt werden. Erste Schätzungen gehen von zusätzlichen Kosten für die Spendenorganisationen von 25-30 Mio. Euro pro Jahr aus. Geld, das im Sozialbereich, im Umweltschutz oder der Forschung fehlen würde. Die rund 1000 spendenbegünstigten Organisationen müssen – um eine derartige, bislang nicht notwendige Datenerfassung und sichere Weitergabe dieser an Dritte umsetzen zu können - in eine erweiterte technische Infrastruktur sowie in zusätzliche Ressourcen für Erhebung und Aufbereitung der Daten sowie laufende Korrekturarbeit investieren. Bürokratie wird nicht ab, sondern zusätzlich aufgebaut.

Steigender Steuerausfall und fehlende Kostenersparnis: Auf das BMF kommen nicht weniger, sondern ebenfalls höhere Kosten zu, wird doch derzeit nur jede 4. Spende steuerlich geltend gemacht. Die Steuerreformkommission spricht von rund 600.000 Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen, die derzeit Spenden geltend machen. Eine Vollerhebung und Einmeldung in die Steuererklärungen aller ÖsterreichInnen würde den Steuerausfall bei den Lohnsteuerpflichtigen mindestens verdreifachen und zusätzlich ein Budgetloch von weiteren 50 bis 70 Mio. bedeuten.

Fehlende Treffergenauigkeit der Maßnahme: Nur rund 3,3 Mio. ÖsterreicherInnen unterliegen der Lohnsteuerpflicht, d.h. jeder zweite Spender kann seine Spende so gar nicht absetzen. Von den Spendenorganisationen wird aber verlangt, jeden Spender von dem die erforderlichen Daten vorliegen, zu melden - unabhängig davon, ob er steuerpflichtig ist oder nicht. Gänzlich absurd wird der Vorschlag durch den Umstand, dass nur die Daten der Lohnsteuerpflichtigen - nicht aber der Einkommensteuerpflichtigen, die rund ein Drittel der abgesetzten Spenden ausmachen  - gemeldet werden sollen. Wie die NPOs dies herausfinden sollen, ist dem Gesetzesentwurf nicht zu entnehmen! Für spendenbegünstigte Körperschaften aus anderen EU Ländern - sie können in Österreich genauso auf die Spendenliste - gilt die Datenübermittlung wiederum gar nicht, was zu einer weiteren Verkomplizierung für den Spender führt.

Der gläserne Spender: Während strengere Datenschutzbestimmungen für Private den Bürger vor unzulässiger Durchleuchtung schützen soll, wird der Staat zum immer größeren Datensammler.

 

Der gläserne Spender wird durch die Novelle realisiert. Ob jemand für Tierschutz, Menschenrechte, für bestimmte seltene Erkrankungen (aus persönlicher Betroffenheit) oder für kirchliche Einrichtungen spendet, wird zukünftig für das BMF per Knopfdruck abrufbar sein. Mit weitreichenden Konsequenzen: Spenden ist Vertrauenssache. Kommt diese neue gesetzliche Datensammelvorschrift wirklich, wird die hohe österreichische Spendenbeteiligung zurückgehen - mit einem Schaden für die gesamte Gesellschaft.

Fehlende Daten: Von 5-10% der Spenden kennen die NPOs die Person schlichtweg nicht. Bargeldspenden in Sammelboxen, Überweisungen von Konten von Ehepaaren, Überweisungen per Kreditkarte oder SMS Spenden beinhalten keine Daten zur eindeutigen und rechtlich absicherbaren Zuordnung des Gebers. Selbst die wichtigste Spendenart - die IBAN-Zahlungsüberweisung - garantiert nicht eine eindeutige Identifikation des Spenders. Da keine Information über die Adresse des Spenders, den vollständigen Namen oder das Geburtsdatum des Spenders mitgeliefert wird, wäre dies für jeden Spendenvorgang zu erfragen. Eine gesetzliche Verpflichtung der Banken und Zahlungsdienstleister, diese Daten weiterzuleiten, steht nicht im Gesetz.

Spendenbeirat für die Beibehaltung: In seiner Sitzung vom 17.2.15 hat der im BMF angesiedelte Spendenbeirat auf die Evaluierung der Spendenabsetzbarkeit mit folgendem Beschluss reagiert: "In Kenntnis der in der Studie (der WU) dargestellten positiven Effekte und trotz der Mitnahmeeffekte sieht der Spendenbeirat derzeit keinen Anlass, eine Änderung bezüglich der Absetzbarkeit von Spenden zu empfehlen."

 

Der Fundraising Verband ersucht die klare Ablehnung zur vorgeschlagenen Datenweiterleitung zu berücksichtigen. 

 

Monica Culen
Gründerin und CEO
ROTE NASEN Clowndoctors International

Erläuterungen zu den Datenschutzbedenken (Beilage):

 

 

Zur Frage des Datenschutzes führen wir wie folgt aus:

§ 1 Datenschutzgesetz beinhält als Verfassungsbestimmung das Grundrecht auf Datenschutz. Der harte Kern des Datenschutzgesetzes ist die grundsätzliche Unzulässigkeit der Übermittlung von Daten. Die Verwendung (und damit auch Übermittlung) von personenbezogenen Daten (Name, Geburtsdatum, etc.) darf nur soweit erfolgen, als diese lebenswichtige Interessen des Betroffenen betrifft oder dieser seine Zustimmung dazu gegeben hat. Beschränkungen dieses Anspruches sind nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig.

1.   Beschränkungen durch staatliche Eingriffe (z.B. durch das Finanzamt) dürfen ausschließlich aufgrund von Gesetzen erfolgen, die lediglich aus dem Grund erlassen werden, dass dadurch die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung oder die Verhinderung von strafbaren Handlungen, der Schutz der Gesundheit und der Moral bzw. der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer verwirklicht wird (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Bei Erlassung dieser Gesetze ist immer darauf zu achten, ob die beabsichtigten Ziele nicht auch durch gelindere Mittel erreicht werden können.

Somit ist jedenfalls ein Argument hinsichtlich der einzuräumenden Befugnisse an Dritte wohl kaum eines durch Artikel 8 EMRK genannten Ziele notwendig, umso weniger, als es sich bei der Absetzung von Spenden um einen Vorteil für den einzelnen Spender handelt, der auch anderes (beispielsweise durch die bisherige Regelung) gesichert werden kann.

Es ist nicht ersichtlich, dass allenfalls Abgabenhinterziehung oder ein sonstiges der Allgemeinheit dienendes Ziel dadurch verwirklicht werden könnte, sondern handelt es sich schlicht um ein „Mehr an Daten“, das das Finanzamt ohne ausreichende überwiegende Interessen, die durch gesetzliche Grundlagen im Sinne des Art 8 EMRK abgedeckt wären, unter Beeinträchtigung des Geheimhaltungsinteresses der einzelnen Betroffenen verwenden kann.

Auch im Fall zulässiger Beschränkungen des Geheimhaltungsrechts darf der Eingriff in dieses Grundrecht, wie oben ausgeführt, nur in der gelindesten zum Ziel führenden Art vorgenommen werden – wir gehe davon aus, dass dies auch der Grund ist, warum von der Angabe der Sozialversicherungsnummer wieder abgegangen wurde. Aus unserer Sicht ist die Vorlage von jeweiligen Belegen jedenfalls die gelindere Art tatsächlich geleisteten Spenden nachzuweisen gegenüber der Sammlung von Daten, die natürlich (trotz entsprechender Sicherungsmaßnahmen) immer einem gewissen Missbrauch ausgesetzt sein wird.

Wir halten daher die Verpflichtung des Spenders abseits des beleghaften Nachweises der Spende sein Geburtsdatum bekannt zu geben, entgegenstehend dem im Datenschutzrecht zuerkannten Grundrecht auf größtmögliche Geheimhaltung der Daten!

Wie bereits ausgeführt, sind die staatlichen Interessen, die eine Einschränkung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Geheimhaltung (auch des jährlichen Spendenvolumens), rechtfertigen würden, unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK zu sehen, der – wie oben ausgeführt – keine ausreichende Substanz im gegenständlichen Fall bietet.

 

 

2.    Keine eindeutige Personenkennung: Aus unser Sicht ist die Anforderungen eines bereichsspezifischen Personenkennzeichens auf Basis des Geburtsdatums und des Vor- und Zunamens ermöglicht nicht immer eine eindeutige und fehlerlose Zuordnung der Spendensumme zu den tatsächlichen Spendern.

Wie dazu bereits ausgeführt, besteht aufgrund allfälliger Namens- und Geburtsdatengleichheit durchaus in manchen Fällen Verwechslungsgefahr, weshalb vor allem die Grundsätze des Datenschutzgesetzes, dass Daten jedenfalls im Hinblick auf den Verwendungszweck im Ergebnis sachlich richtig sein müssen sowie gesichert werden muss, dass durch die Übermittlung der festgelegte Zweck erreicht wird, nicht eingehalten werden können.

In der erläuternden Bemerkungen selbst ist darauf nur in einem Nebensatz abgestellt, in dem festgehalten wird, dass für den Steuerpflichtigen gewährleistet bleibt, dass der von ihm glaubhaft gemachten Beträge im Rahmen der Veranlagung auch berücksichtigt werden können, wenn eine Übermittlung trotz diesbezüglicher Bemühungen durch die Organisation scheitert, weil ein bereichsspezifisches Personenkennzeichen nicht vergeben werden kann. - Offensichtlich ist daher auch dem Gesetzgeber klar, dass eine tatsächlich richtige und zweckentsprechende bzw.- erfüllende Übermittlung bzw. Verwendung der Daten seitens der Spendenorganisation nicht gewährleistet werden kann.