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Wien, am 12. Juni 2015

Zl. B-026/120615/HA,SE

 

 

GZ: BMJ-Z8.119/0023-I 4/2015

 

 

Betreff: Bundesgesetz mit dem das Urheberrechtsgesetz und das Verwertungsgesellschaftengesetz 2006 geändert werden (Urheberrechts-Novelle 2015 – Urh-Nov 2015)

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführtem Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abgegeben wird:

 

Ad Begutachtungsfrist

Der Österreichische Gemeindebund stellt zunächst klar, dass die allgemeine Begutachtungsfrist von lediglich 14 Tagen in einer Angelegenheit, in der seit mehreren Jahren auch der Tragweite der vorgesehenen Änderungen wegen Verhandlungen geführt werden, zu kurz bemessen ist.

 

Deutlich wird darauf hingewiesen, dass es sich bei gegenständlichem Begutachtungsentwurf auch um ein Gesetzesvorhaben im Sinne der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus handelt. Gemäß Art. 1 Abs. 4 Z 1 dieser Vereinbarung sind Gesetzesentwürfe innerhalb einer angemessenen Frist, die vier Wochen nicht unterschreiten darf, zur Stellungnahme zu übermitteln.

 

 

Ad „Neue Vergütung“ gemäß § 42g

Gemäß § 42 Abs. 6 Urheberrechtsgesetz dürfen unter anderem Schulen schon derzeit für Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre in dem dadurch gerechtfertigten Umfang Vervielfältigungsstücke in der für eine bestimmte Schulklasse beziehungsweise Lehrveranstaltung erforderlichen Anzahl herstellen (Vervielfältigung zum eigenen Schulgebrauch) und verbreiten; dies gilt auch für Musiknoten. Auf anderen als den im Abs. 1 genannten Trägern (Papier oder ähnlichen Trägern) ist dies aber nur zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke zulässig. Hierfür haben die Gemeinden als Schulerhalter die sogenannte Betreibervergütung („Reprographievergütung“) zu leisten.

 

Gemäß § 56c Urheberrechtsgesetz dürfen unter anderem Schulen für Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre in dem dadurch gerechtfertigten Umfang Werke der Filmkunst und die damit verbundenen Werke der Tonkunst öffentlich aufführen. Für die öffentliche Aufführung steht dem Urheber ein Anspruch auf angemessene Vergütung zu (Vergütung für Filmaufführungen). Eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung wurde in den letzten Jahren bereits abgeschlossen.

 

Neben der Betreibervergütung (für die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke) und der Vergütung für die Aufführung von Filmen an Schulen müssen Gemeinden auch die Gerätevergütung bei Ankauf von Vervielfältigungsgeräten (etwa Drucker, Kopierer) leisten. Gemeinden sind daher bereits mit insgesamt drei Vergütungen konfrontiert.

 

Geht es nach dem nunmehrigen Vorschlag sollen Schulerhalter künftighin zwei weitere Vergütungen leisten, jene der Speichermedienabgabe (erweiterte Leerkassettenvergütung) bei Ankauf von Festplatten, PC, Tablets etc. sowie die neu eingeführte „Intranetvergütung“, so urheberrechtlich geschützte Werke (einschließlich Filmwerke) auf eine Intranet- bzw. Lernplattform gestellt werden.

 

Im Falle urheberrechtlich geschützter Werke der Literatur bedeutet dies, dass Schulerhalter für ein und dasselbe Werk, für ein und denselben Zweck und für ein und denselben Personenkreis (Schülerklasse, Schülergruppe) insgesamt vier Vergütungen zu leisten haben:

-       Gerätevergütung bei Ankauf eines Vervielfältigungsgerätes,

-        Betreibervergütung aufgrund der Vervielfältigung,

-       Speichermedienabgabe bei Ankauf von PC, Tablets etc. und

-       „Intranetabgabe“, so die Werke auf eine Lernplattform für Schüler abrufbar gestellt werden.

Abgesehen davon, dass die schon bisher eingehobenen Vergütungen (Betreibervergütung, Vergütung für Filmaufführungen) kaum administrierbar sind und einen immensen Aufwand sowohl auf Seiten der Verwertungsgesellschaften als auch und im Besonderen auf Seiten der Schulerhalter verursachen, entbehrt die nunmehr zusätzlich vorgesehene Vergütung für die „Zurverfügungstellung für Unterricht und Lehre“ (Intranetabgabe) jeglicher sachlicher Rechtfertigung.

 

Ob nun die Filme der Schulöffentlichkeit im Rahmen des Unterrichtes gezeigt werden oder aber zu Lern- und Lehrzwecken für Schüler in einer digitalen Lernplattform für kurze Zeit bereitgehalten werden, kann und darf keinen Unterschied machen. All jenes Filmmaterial, das dem Schüler zu Lern- und Lehrzwecken auf eine e-learning-Plattform gestellt wird, wird nicht im Unterricht gezeigt und umgekehrt. In gleicher Weise verhält es sich mit der Vergütung für die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke der Literatur. All jene Literatur, die auf die Plattform abrufbar bereitgestellt wird, wird nicht für den Unterricht vervielfältigt und umgekehrt.

 

Der Österreichische Gemeindebund stellt daher mit aller Vehemenz klar, dass die Bereithaltung von urheberrechtlich geschützten Werken in schulischen e-learning-Plattformen in keinster Weise eine weitere Vergütung rechtfertigt.

 

Es ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, dass das in den Erläuterungen kolportierte Gesamtaufkommen der „Intranetabgabe“ in Höhe von 200.000 Euro (so dies die Zahl für Österreich ist) eine unvergleichbare Bürokratie und einen einzigartigen Administrationsaufwand verursachen würde, der völlig unverhältnismäßig wäre. Zu bedenken ist, dass es österreichweit mehrere tausend Erhalter von Bildungseinrichtungen gibt. Diese müssten mit bis zu acht Verwertungsgesellschaften (!) in Verhandlungen treten – für einen (offenbar) geschätzten Betrag von insgesamt 200.000 Euro.

 

Der Österreichische Gemeindebund fordert daher eine gänzliche Streichung des § 42g Urheberrechtsgesetzes sowie eine unmissverständliche Klarstellung in den §§ 42 Abs. 6 und 56c (allenfalls in den Erläuterungen), dass die Bereithaltung urheberrechtlich geschützter Werke in e-learning-Plattformen der Vervielfältigung (der Verbreitung) literarischer Werke sowie der Aufführung von Filmen gleichzuhalten ist und daher von den derzeit entrichteten Vergütungen mit umfasst ist.

 

Abschließend wird darauf aufmerksam gemacht, dass (jedenfalls hinsichtlich Werke der Literatur) die derzeit geltende Fassung des § 42 Abs. 6 insoweit ausgelegt werden kann, dass die Bereitstellung von Werken auf e-learning-Plattformen von der bereits eingehobenen (Betreiber-)Vergütung mit umfasst ist:

§ 42 Abs. 6 spricht von Vervielfältigung und Verbreitung, die auch auf anderen als den im Abs. 1 genannten Trägern (sohin anderen als Papier oder ähnlichen Trägern) zulässig ist, wenn damit nicht kommerzielle Zwecke verfolgt werden. Da Schulen mit der Bereithaltung von Werken auf Intranet-Plattformen keinen kommerziellen Zweck verfolgen, sind andere Träger, und damit auch Intranet-Plattformen für die Verbreitung zulässig.

 

 

Ad Öffentliche Filmaufführungen

Der Österreichische Gemeindebund nimmt diesen Gesetzesentwurf sogleich zum Anlass, auf ein bereits in der Vergangenheit dem Ministerium mehr fach aufgezeigtes Problem aufmerksam zu machen.

Ungelöst ist nach wie vor die Komplexität bei öffentlichen Aufführungen von Filmwerken, so etwa in gemeindeeigenen Einrichtungen (Kindergarten, Jugendzentrum etc.) oder aber auch im Zusammenhang mit im Sommer vielerorts veranstaltetem „Kino unter Sternen“.

Die derzeitige Situation, dass vor Aufführung eines Filmes zunächst die Rechteinhaber (des Filmwerkes, der Filmmusik und der vorbestehenden Werke wie etwa Drehbuch) mühsam ausfindig gemacht werden müssen und hernach mit bis zu vier Verwertungsgesellschaften die Vergütungsfrage zu klären ist, ist untragbar. Hinzukommt, dass seit einigen Jahren Firmen (so etwa MPLC) in den Verwertungsmarkt eintreten, die nicht Verwertungsgesellschaften (gemäß Verwertungsgesellschaftengesetz) sind und Urheberrechtsabgaben für ein bestimmtes Repertoire an Filmen einzuheben versuchen (jedoch nur für die Rechte am Film selbst, nicht jedoch für die Filmmusik bzw. die vorbestehenden Werke!).

Der Österreichische Gemeindebund drängt einmal mehr auf Vereinfachungen. Möglichkeiten bestünden darin, festzulegen, dass ausschließlich Verwertungsgesellschaften Vergütungen einheben dürfen. Noch sinnvoller erscheine die Vergütung für alle Rechte im Zusammenhang mit dem Film einer Verwertungsgesellschaft zu übertragen, die das Inkasso für die anderen Verwertungsgesellschaften übernimmt.  

Ad Begriffe

Mangelnde Begriffsdefinition erschweren zunehmend Verhandlungen mit Verwertungsgesellschaften (und anderen Firmen, die mit der Wahrnehmung der Urheberrechte beauftragt sind) über Vergütungsvereinbarungen. So kann die Frage, wann etwas öffentlich aufgeführt ist, in nur seltenen Fällen tatsächlich beantwortet werden. So stellt sich aus Sicht der Gemeinden die Frage, ob ein Film öffentlich aufgeführt wird, wenn ein Jugendlicher in einem von der Gemeinde bereitgestellten Jugendzentrum mit seinem besten Freunden einen Blockbuster ansieht. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten sollten durch eine klare Definition umgehend beseitigt werden.

Fraglich bleibt auch, ob unter Zugrundelegung dieses Gesetzesentwurfes Kindergärten ebenso „Bildungseinrichtungen“ sind. Auch hier bedürfte es einer Klarstellung.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Leiss e.h.

Mödlhammer e.h.

 

Dr. Walter Leiss

Prof. Helmut Mödlhammer

 

 

 

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