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Wien, am 02. März 2016

Zl. B,K-026/020316/HA,SE

 

 

GZ: BMJ_Z8.150/0001-I 4/2016

 

 

Betreff: Bundesgesetz über Verwertungsgesellschaften (Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 – VerwGesG 2016); Stellungnahme

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich mitzuteilen, dass zu obig angeführtem Gesetzesentwurf folgende Stellungnahme abgegeben wird:

 

Der Österreichische Gemeindebund hat bereits in seiner Stellungnahme zur Novelle des Urheberrechtsgesetzes 2015 auf die derzeitigen Probleme im Zusammenhang mit der öffentlichen (nicht-kommerziellen) Aufführung von Filmen und deren Lizenzierung aufmerksam gemacht. So sind Gemeinden häufig mit urheberrechtlich relevanten Tatbeständen befasst (Betreuungseinrichtungen, Schulen, Gemeindeeinrichtungen, Veranstaltungen etc.). Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei die „öffentliche Filmaufführung“.

Noch bevor auf das Verwertungsgesellschaftengesetz und die Komplexität bei öffentlichen Aufführungen von Filmwerken selbst einzugehen ist, ist zu betonen, dass die Frage, wann etwas „öffentlich aufgeführt“ ist und demnach grundsätzlich lizenzierungspflichtig ist, nach wie vor ungeklärt ist. Aus Sicht der Gemeinden (aber auch vieler anderer Nutzer) kann diese Frage, wann etwas öffentlich aufgeführt ist, nur in seltenen Fällen einwandfrei beantwortet werden.

So stellt sich die Frage, ob ein Film öffentlich aufgeführt wird, wenn ein Jugendlicher in einem von der Gemeinde bereitgestellten Jugendzentrum mit seinen besten Freunden einen Film ansieht. Sind Filme, die sich eine Mannschaft von vier oder fünf freiwilligen Feuerwehrleuten in einem Aufenthaltsraum der Feuerwehr ansehen, öffentlich aufgeführt? Ist ein Filmabend der örtlichen Jugend in einer Gemeindeeinrichtung öffentlich? Sind Filme öffentlich aufgeführt, die sich ein Pflegling mit seinen langjährigen Wegbegleitern in Altenbetreuungseinrichtungen ansieht? Sind die Filme öffentlich aufgeführt, wenn sie nicht zum Inventar der Einrichtung, sondern (etwa von Angehörigen) mitgebracht werden? Sind Filme öffentlich aufgeführt, wenn nicht nur die Filme, sondern auch der Fernseher selbst mitgenommen wird und nicht von der jeweiligen Einrichtung bereitgestellt wird?

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Firmen, die nicht Verwertungsgesellschaften sind, in den Verwertungsmarkt eintreten und Urheberrechtsabgaben für ein bestimmtes Repertoire an Filmen einzuheben versuchen, sollten diese Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten umgehend durch eine klare Definition des Öffentlichkeitsbegriffes beseitigt werden.

 

Allgemeines:

Der in Begutachtung befindliche Gesetzesentwurf wird von Seiten des Österreichischen Gemeindebundes insofern kritisch gesehen, als die Komplexität insbesondere im Zusammenhang mit der öffentlichen Aufführung von Filmwerken keineswegs beseitigt wird. Wie nachstehend erläutert, wird die unbefriedigende Situation nicht nur nicht gelöst, sondern sogar noch gesetzlich verankert.

Nutzer wie Gemeinden, die öffentlich einen Film aufführen (im Rahmen einer Veranstaltung) oder aber Einrichtungen unterhalten, in denen Filme „öffentlich“ aufgeführt werden, stehen derzeit schon vor dem Problem, nicht in Erfahrung bringen zu können, an wen sie sich wenden müssen, wer Rechteinhaber (des Filmwerkes, der vorbestehenden Werke, allenfalls auch der Filmmusik) ist und bei wem sie was zu lizenzieren haben.

Das Problem wird dadurch verschärft, dass (derweil zumindest) eine Firma, die keine Verwertungsgesellschaft ist, an die Gemeinden mit dem Ersuchen herantritt, den Lizenzierungsbedarf für öffentlich aufgeführte Filme bekanntzugeben, da ihr von Seiten zahlreicher (Urheber-)Rechtsinhaber die Verwertungsrechte übertragen wurde. Diese Firma bildet aber nicht das gesamte Spektrum der Filme ab, sondern nur ein bestimmtes Repertoire. Überdies unterhält diese Firma in erster Linie nur die Rechte am Film, nicht aber an der Filmmusik oder an den vorbestehenden Werken (wie etwa dem Drehbuch oder der Romanvolage).

Keineswegs ausgeschlossen, sondern vielmehr anzunehmen ist es, dass künftig weitere Firmen in den Verwertungsmarkt eintreten und für einzelne Repertoires an Filmen (Indischer Film; Chinesischer Film) Lizenzen vergeben möchten. Ebenso nicht ausgeschlossen ist es, dass künftig einzelne Verwertungsfirmen ausschließlich für die vorbestehenden Werke (Drehbuch, Romanvorlage) eigene Vergütungsansprüche geltend machen (Vergütung von Romanvorlagen chinesischer Filme, Vergütungen für die Filmschauspieler von Bollywood-Filmen, etc.).

Für einen Nutzer (Gemeinde) ist die derzeitige Situation, dass vor Aufführung eines Filmes zunächst die Rechteinhaber (des Filmwerkes, der Filmmusik und der vorbestehenden Werke) mühsam ausfindig gemacht werden müssen und hernach mit mehreren Verwertungsgesellschaften und weiteren Verwertungsfirmen die Vergütungs- und Lizenzierungsfrage zu klären ist, schlicht unzumutbar.

Besonders problematisch wird es überall dort, wo etwa eine Gemeinde gar keinen oder nur einen beschränkten Einfluss darauf hat, ob, welche und wie viele Filme gezeigt bzw. angesehen werden (Jugendeinrichtung, Seniorenheim, Betreuungseinrichtungen).

 

Unabhängige Verwertungseinrichtungen

In Umsetzung der diesem Entwurf zugrundeliegenden EU-Richtlinie (RL 2014/26/EU) soll es künftighin neben den klassischen Verwertungsgesellschaften sogenannte unabhängige Verwertungseinrichtungen geben. Diese sollen wie Verwertungsgesellschaften kollektiv Rechte wahrnehmen dürfen, so sie (anders als Verwertungsgesellschaften) auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind und nicht von den Rechteinhabern kontrolliert werden. In Verfolgung der Mindestvorgaben der umzusetzenden EU-Richtlinie werden die unabhängigen Verwertungseinrichtungen (bis auf wenige Transparenz- und Offenlegungspflichten) jedoch kaum einem Regulativ unterworfen.

Da es keinen ersichtlichen Grund gibt, weswegen unabhängige Verwertungseinrichtungen anders zu behandeln sind wie Verwertungsgesellschaften, fordert der Österreichische Gemeindebund, dass das Verwertungsgesellschaftengesetz in seiner Gesamtheit (allenfalls mit den wenigen berechtigten Ausnahmen) auch auf unabhängige Verwertungseinrichtungen anzuwenden ist.

 

Begriff „Kollektive Rechtewahrnehmung“

Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass es bislang keine Definition des Begriffs „kollektive Rechtewahrnehmung“ bzw. „Rechtewahrnehmung in gesammelter Form“ gibt (weder in der Richtlinie noch im vorliegenden Entwurf). Vor dem Hintergrund, dass künftighin parallel zu Verwertungsgesellschaften auch unabhängige Verwertungseinrichtungen „kollektiv“ tätig werden dürfen, ist eine Definition geradezu unabdingbar.

Ebenso ist (mittels Definition) eine exakte Abgrenzung der „individuellen“ von der „kollektiven“ Rechtewahrnehmung durchzuführen, widrigenfalls das unter Punkt „Allgemein“ geschilderte Problem der Lizenzierung von öffentlich aufgeführten Filmen noch gravierender wird. Bis heute ist nicht geklärt, ob eine Firma, die Rechte zahlreicher Rechteinhaber wahrnimmt und an mehrere Gemeinden zwecks Lizenzierung von Filmaufführungen in Gemeindeeinrichtungen herantritt, „kollektiv“ oder doch nur „individuell“ tätig wird.

Ohne genaue Abgrenzung und Definition würde dies dazu führen, dass es künftighin neben Verwertungsgesellschaften, unabhängigen Verwertungseinrichtungen und der unmittelbaren Rechtewahrnehmung durch den Urheber weitere Firmen geben wird, die Verwertungsrechte mehrerer Rechteinhaber wahrnehmen. In Wahrheit führt dies zu einer weiteren Zersplitterung der Rechtewahrnehmung, die dem eigentlichen Sinn und Zweck des Verwertungsgesellschaftengesetzes (effiziente Verwaltung, konzentrierte Rechtewahrnehmung, einheitliche Anlaufstelle) völlig zuwiderläuft und weder im Interesse der Rechteinhaber noch der Nutzer gelegen sein kann.

Der Österreichische Gemeindebund fordert daher eine unmissverständliche Definition des Begriffs „kollektive Rechtewahrnehmung“ bzw. „Rechtewahrnehmung in gesammelter Form“ sowie eine exakte Abgrenzung der individuellen von der kollektiven Rechtewahrnehmung.

 

Monopolgrundsatz

Zwar verfolgt das neue Verwertungsgesellschaftengesetz auch weiterhin den Monopolgrundsatz, wonach die Wahrnehmung eines bestimmten Rechts nur einer einzigen Verwertungsgesellschaft genehmigt werden darf, dieser Grundsatz würde aber durch das Bestehen von parallel agierenden unabhängigen Verwertungseinrichtungen, die nicht dem Monopolgrundsatz unterliegen, geradezu konterkariert werden. Darüber hinaus sieht der Entwurf auch keinen eigenen Monopolgrundsatz für unabhängige Verwertungseinrichtungen vor, was letzten Endes dazu führen kann und vermutlich auch führen wird, dass etwa im Bereich öffentlicher Filmaufführungen (allenfalls auch hinsichtlich der vorbestehenden Werke) gleich mehrere unabhängige Verwertungseinrichtungen kollektiv tätig werden – freilich neben bereits bestehenden Verwertungsgesellschaften.

Der Österreichische Gemeindebund ersucht daher eindringlich, den für Verwertungsgesellschaften geltenden Monopolgrundsatz auch auf unabhängige Verwertungseinrichtungen zu erweitern; allenfalls einen eigenen Monopolgrundsatz für unabhängige Verwertungseinrichtungen gesetzlich zu verankern.

 

Wahrnehmungsgenehmigung

Gemäß § 3 Abs. 1 des vorliegenden Entwurfes dürfen Rechte nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde „in gesammelter Form“ im Interesse mehrerer Rechteinhaber wahrgenommen werden. Wenngleich diese Bestimmung vermuten lässt, als ob auch unabhängige Verwertungseinrichtungen (die ebenso in gesammelter Form Rechte wahrnehmen) einer Wahrnehmungsgenehmigung bedürften, so lässt sich aus den Folgebestimmungen ableiten, dass dies nicht der Fall ist. So ist in § 4 („Voraussetzungen der Wahrnehmungsgenehmigung“) nur mehr von Verwertungsgesellschaften die Rede. Darüber hinaus wird die Geltung einzelner Bestimmungen für unabhängige Verwertungseinrichtungen explizit in diesem Entwurf angeführt (so etwa in § 43 Abs. 5). Schlussendlich lässt sich auch aus den Veröffentlichungspflichten in § 44 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 eindeutig ableiten, dass unabhängige Verwertungseinrichtungen ohne Genehmigung tätig werden dürfen, da für diese die Veröffentlichung der Wahrnehmungsgenehmigungen nicht gilt.

Daraus folgt aber - mit Verweis auf die Ausführungen zum vorangegangenen Punkt - dass die Bemerkung in den Erläuterungen zu § 3 nicht schlüssig ist, wonach ohne des Erfordernisses einer Betriebsgenehmigung der Monopolgrundsatz nicht abgesichert werden könnte.

Damit der Monopolgrundsatz tatsächlich abgesichert werden kann, fordert der Österreichische Gemeindebund eine Genehmigungspflicht für alle „kollektiv“ wahrgenommenen Rechte, sohin auch jener, die von unabhängigen Verwertungseinrichtungen wahrgenommen werden.

Resümee:

Der Österreichische Gemeindebund drängt einmal mehr auf Vereinfachungen und ersucht, die aufgeworfenen Bedenken in der Überarbeitung dieses Gesetzesentwurfes zu berücksichtigen. Zwar wird mit diesem Entwurf in erster Linie bezweckt, die Vorgaben der bis 10. April 2016 in nationales Recht umzusetzenden EU-Richtlinie (RL 2014/26/EU) zu erfüllen, und sind zahlreiche Probleme, die dieser Entwurf verursacht, auf die Richtlinie zurückzuführen. Hinzuweisen ist aber darauf, dass die Richtlinie keineswegs strengere Regelungen (etwa im Bereich der Genehmigungspflicht, der Offenlegungspflichten, der Aufsicht, aber auch im Zusammenhang mit dem Monopolgrundsatz) unterbindet oder verbietet.

Ein deutliche Vereinfachung im Zusammenhang mit (der Lizenzierung von) öffentlich aufgeführten Filmwerken bestünde darin, festzulegen, dass ausschließlich Verwertungsgesellschaften (in eventu unabhängige Verwertungseinrichtungen) Vergütungen im Bereich der öffentlichen Aufführungen von Filmen (Film, Filmmusik, vorbestehende Werke) einheben dürfen.

Zudem erschiene es sinnvoll, die Vergütung (Lizenzierung) für alle Rechte im Zusammenhang mit der Filmaufführung einer Verwertungsgesellschaft zu übertragen, die das Inkasso für die anderen in Frage kommenden Verwertungsgesellschaften übernimmt. Beides wäre EU-rechtlich zulässig, würde tatsächlich zu einer Steigerung der Effizienz der Verwertung von Urheberrechten führen und würde sowohl im Interesse der Urheberrechtsinhaber als auch im Interesse der Nutzer liegen, die auf diese Weise eine einheitliche Anlaufstelle hätten.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Für den Österreichischen Gemeindebund:

 

Der Generalsekretär:

Der Präsident:

 

 

Leiss e.h.

Mödlhammer e.h.

 

Dr. Walter Leiss

Prof. Helmut Mödlhammer

 

 

 

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