Stellungnahme zum Gesetzesentwurf

 über die Zusammenlegung der Fächer Technisches und Textiles Werken.

 

 

Während Universitäten, Wirtschaftskammer und Gewerbe/ Industrie versuchen Initiativen zu betreiben, um die Technikbegeisterung unter Jugendlichen, speziell unter jungen Mädchen zu fördern, steuert die Regierung mit ihrem Gesetzesvorschlag just in die Gegenrichtung.

 

Die Gründe dafür sind sachlich in keiner Weise nachvollziehbar und wurden auch bisher nicht kommuniziert.

 

Die Fächer Technisches und Textiles Werken sind in der AHS wohl die letzten Gegenstände, in denen Schüler_innen wirklich praktische und erlebbare Erfahrungen mit Werkstoffen, Maschinen und Produktionsweisen machen und manuelle Fertigungsprozesse kennen lernen können.

Der Entstehungsprozess eines Produktes, von der ersten designerischen Idee, über Skizzen und Werkpläne bis hin zum individuell gestalteten Einzelprodukt ist für junge und mündige Konsumenten nicht nur eine spannende Reise sondern auch eine lustvolle  und ganzheitliche Erfahrung. Der individuelle Weg der Problemlösung und die kreativen persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten jedes einzelnen Jugendlichen stehen dabei absolut im Vordergrund und Bausätze nach Schema F sind dabei absolut fehl am Platz. Auch Geduld und Feinmotorik - wesentliche Voraussetzungen für zahllose Berufe – sind niemandem in die Wiege gelegt, sondern müssen erst erworben und trainiert werden. Erfindergeist und Innovationsdenken müssen im zarten Jugendalter bereits stimuliert und gepflegt werden.

All dies sind wahrscheinlich auch die Gründe dafür, dass diese Fächer bei den 10 bis 14-jährigen Schüler_innen großteils wirklich beliebt sind und die Lehrkräfte vergleichsweise selten mit Motivationsproblemen zu kämpfen haben.

Eine Halbierung der Inhalte bringt daher für die Schüler_innen im Alltag keine Entlastung sondern eine bedauerliche Verarmung des schulischen Angebotes.

Und das in einer Zeit da Lehrberufe und die Industrie über den massiven Mangel an handwerklich geschickten und interessierten Auszubildenden klagen.

 

Die Zusammenlegung der beiden Fächer in der NMS hat gezeigt, dass dadurch das Lehrziel beider früheren Fächer nicht mehr erreicht werden kann. Nachteile oder auch etwaige Vorteile der Zusammenlegung in diesem Schulzweig wurden weder ausführlich evaluiert noch kommuniziert.

Trotzdem will man jetzt im Schnellschussverfahren diese Einsparungsreform ab 2017 auch in der AHS zur Anwendung bringen, und das obwohl

 

derzeit für das neue Fach noch kein gültiger Lehrplan erstellt und keine Lehrziele formuliert worden sind,

derzeit keine ausgebildeten Lehrkräfte für das neue Fach zu Verfügung stehen,

derzeit noch keine Ausbildungsmöglichkeiten und Studienpläne für das neue Fach existieren 

derzeit an den Schulen noch keine brauchbaren Werkstätten oder Werkräume für ein kombiniertes

             Werken vorhanden sind, (Als Fachmann fragt man sich auch, wie in ein und demselben

             Raum ein gleichzeitiges Werken mit Plexiglas, Holz und Metall einerseits und mit Textilien

             andererseits möglich sein soll?)

derzeit dienstrechtlich noch in keiner Weise Klarheit herrscht, wer dieses Fach wird unterrichten

          dürfen und wie die Weiterverwendung der bisherigen Lehrkräfte bewerkstelligt werden soll.

 

All diese Punkte erscheinen mir als logische Eckdaten für jegliche Reform des Unterrichts und sind derzeitig völlig ungeklärt. Außerdem wurde auch gar nicht festgestellt, was die erklärten Ziel dieser Maßnahmen sein sollen.

 

Das einzige Argument, das bisher für die Zusammenlegung genannt wurde, ist das Gendern.

Ob die zwangsweise Zusammenlegung der Fächer für dieses Ziel irgendeinen positiven Effekt hat, wurde bis her in der NMS nicht erhoben, scheint niemanden zu interessieren und wirkt auf mich daher wie ein Scheinargument, denn bereits seit Jahrzehnten besteht für alle SchülerInnen, egal ob männlich oder weiblich, die absolut freie Wahlmöglichkeit, ob sie den Technischen oder den Textilen Werkunterricht besuchen möchten.

 

Wenn man eine Reform oder eine Modernisierung des Werkunterrichts für notwendig erachtet, sollte dies in einem wohldurchdachten und vor allem gut durchgeplanten Gestaltungsprozess durchgeführt werden. Dabei auf Expertisen zu verzichten und in einem „speed kills“ - Aktionismus ein funktionierendes System zu demontieren, ist nicht der richtige Umgang mit der Zukunft unserer Kinder. Außerdem könnte dabei der Eindruck entstehen, dass es sich bei der geplanten Novelle wieder nicht um eine Verbesserung der Ausbildung, sondern um eine Einsparung, sprich Kürzung handelt, wenn nicht gar um eine ideologische Weichenstellung auf Kosten unserer Jugendlichen.

 

Aus diesen Gründen ersuche ich dringendst um eine Verschiebung und eine gründliche Überarbeitung des Gesetzesentwurfes und weiß mich dabei eins mit dem Bund der Österreichischen Kunst- und Werkerzieher_innen, und mit einem großen Teil der österreichischen Schüler und Schülerinnen. 

 

 

Mag. Norbert Wachter

Wien 14