Stellungnahme des Bundesverbandes der

Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs

 

 

zum

 

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das EU-Polizeikooperationsgesetz und das Waffengebrauchsgesetz 1969 geändert werden (Präventions-Novelle 2016)

 

 

 

Verfasst von:

Dr.in Renate Hojas (Gewaltschutzzentrum Salzburg)

Dr.in Barbara Jauk (Gewaltschutzzentrum Steiermark)

Mag.ª Christina Riezler (Gewaltschutzzentrum Salzburg)

DSA Mag.a Maria Schwarz-Schlöglmann (Gewaltschutzzentrum OÖ)

 

 


 

 

 

 

 

 

Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs nimmt in offener Frist zum o.a. Gesetzesentwurf Stellung.

 

Mit dieser Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes sollen die präventiven Instrumente im Bereich des Schutzes vor Gewalt verbessert werden. Der Bundesverband begrüßt diese Gesetzesinitiative und nimmt in seiner Stellungnahme auf fehlende bzw. zu ergänzende Punkte Bezug. Darüber hinaus werden in einem zweiten Teil Vorschläge für weitere notwendig erachtete Modifikationen des Sicherheitspolizeigesetzes, die über den vorliegenden Entwurf hinausgehen, erstattet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I. Zum aktuellen Entwurf der Präventions-Novelle 2016

 

 

1.      Zu Artikel 1 (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes)

 

Zu Z 10 (§ 38a Abs 1 SPG)

 

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sollen laut Entwurf des § 38a Abs 1 ermächtigt sein, gegen eine Person ein Betretungsverbot auszusprechen, wenn von ihr aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass sie einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde. Diese Formulierung impliziert die Notwendigkeit einer höheren Bestimmtheit des Eintretens des gefährlichen Angriffs als dies der derzeitige Wortlaut nahelegt. Um den präventiven Charakter des § 38a SPG[1] auch vom Wortlaut her zu erhalten, wird eine Umformulierung vorgeschlagen, die die Möglichkeit der Tatbegehung stärker in den Vordergrund rückt.

 

Vorschlag

§ 38a Abs 1: „Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, … anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen könnte (Gefährder) …“

 

Der Entwurf sieht weiters vor, dass ein erweitertes Betretungsverbot für unmündige Minderjährige nunmehr unabhängig von einem Betretungsverbot für die Wohnung, in der die unmündige minderjährige Person wohnt, verhängt werden soll. Laut Erläuterungen zum Entwurf ist das Ziel dieser Neuausrichtung, den Schutz gefährdeter unmündiger Minderjähriger umfassend zu gewährleisten. Die Erforderlichkeit einer derartigen Erweiterung wird vor allem für Fälle gesehen, in denen der gefährdenden Person die Wohnadresse der unmündigen minderjährigen Person nicht bekannt ist. Die Tatsache, dass ein Betretungsverbot unabhängig vom Wohnungsverbot ausgesprochen werden kann, wird vom Bundesverband grundsätzlich begrüßt. Die Erfahrungen der Gewaltschutzzentren und

Interventionsstellen zeigen, dass es mitunter Fälle gibt, in denen die bisherige Verknüpfung eines Betretungsverbots für Wohnort und erweiterten Schutzbereich problematisch ist. Zu

 

 

 

 

 

 

denken ist etwa an den Umzug an eine dem Gefährder unbekannte Wohnadresse bei gleichzeitigem Verbleiben des Kindes am selben Schulort.

 

Der Entwurf zu § 38a Abs 1 schlägt vor, dass bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen Z 1 (Betretungsverbot für die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung) oder Z 2 (erweiterter Schutzbereich für Schulen ua) anzuordnen ist. Diese Formulierung kann zu Missverständnissen führen, da die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes davon ausgehen könnten, dass nur Z 1 oder Z 2, aber keine Verbindung von beiden, möglich sein soll. Wenn ein erweitertes Verbot beispielsweise für die Schule ausgesprochen wird, ist zu befürchten, dass auf ein notwendiges Verbot für die Wohnung „vergessen“ werden könnte. Da von einer derartigen Intention des Entwurfs nicht auszugehen ist und auch die Erläuterungen keine dementsprechenden Hinweise enthalten, regt der Bundesverband eine Klarstellung des Gesetzestextes an (vgl hinsichtlich der im Folgenden genannten Ziffer 3 Punkt II.A).

 

Vorschlag

§ 38a Abs 1a SPG: Wenn ein Betretungsverbot nach Z 1 ausgesprochen wurde und die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Betretungsverbotes nach Z 2 und Z 3 vorliegen, ist ein weiteres Betretungsverbot für die in Z 2 genannten Einrichtungen und den in Z 3 genannten Arbeitsplatz auszusprechen.

 

Wenn es erklärtermaßen Ziel der Novelle ist, den Schutz gefährdeter Kinder und Jugendlicher „umfassend zu gewährleisten“, ist zu hinterfragen, warum dieser Schutz nach wie vor nur gefährdeten unmündigen Minderjährigen zukommen soll. Bereits in den Reformvorschlägen der vergangenen Jahre wurde von den Gewaltschutzzentren/ Interventionsstellen kritisch angemerkt, dass der Schutz eines erweiterten Betretungsverbotes nur für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 14 Jahren festgelegt ist. Jugendliche darüber hinaus bis zum Erreichen der Volljährigkeit sind dagegen von diesem Schutz nicht erfasst. Warum dies so angelegt und auch mit der vorliegenden Novelle nicht repariert werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Schon die UN-Kinderrechtekonvention stellt alle Kinder und Jugendliche unter den besonderen Schutz des Gesetzes. Auch das

 

 

 

 

 

 

Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz richtet sich an Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr und betont deren Schutzbedürftigkeit vor Gewalt.

 

Darüber hinaus bleibt auch der Entwurf für die Präventions-Novelle 2016 beim 2013 festgelegten Kreis der Betreuungseinrichtungen, auf die sich ein erweitertes Betretungs-verbot beziehen kann. Damit kann ein Betretungsverbot zwar für Schulen, institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen und Horte ausgesprochen werden, nicht aber für Personen/Einrichtungen mit Betreuungsvertrag (Tagesmütter, Krabbelstuben, Kinder-krippen). Viele berufstätige Eltern sind aber auf die Betreuung ihrer Kinder in derartigen Strukturen angewiesen, ein großer Teil der außerhäuslich betreuten Kinder besucht keine Einrichtungen, wie sie vom derzeitigen § 38a Abs 1 Z 2 SPG umfasst sind. Auch bei ihnen gilt das Argument, das die Erläuterungen zur SPG-Novelle 2013[2] in diesem Kontext ansprechen, nämlich dass unmündige Minderjährige u.a. aufgrund der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils regelmäßig dazu gezwungen seien, den durch das Betretungsverbot nach § 38a SPG geschützten Wohnbereich zu verlassen. Um der Lebensrealität einer Vielzahl von Eltern und ihrer Kinder gerecht zu werden, sollte die Auswahl der geschützten Orte auch auf diese Betreuungsmöglichkeiten ausgeweitet werden. Damit kann auch verhindert werden, dass Kinder wegen einer bestehenden Gefährdung aus Sicherheitsgründen die gewohnte Betreuungsumgebung verlassen müssen.

 

Vorschlag

Um alle Kinder und Jugendliche vor gewalttätigen Übergriffen im sozialen Umfeld schützen zu können, bedarf es

  1. der Erweiterung der geschützten Orte auf alle Einrichtungen und Personen mit Betreuungsvertrag und
  2. der Ausweitung auf alle Kinder und Jugendliche in § 38a Abs 1 Z 2 ohne Einschränkung auf unmündige Minderjährige.

 

Zu Z 12 (§ 38a Abs 6a SPG)

Die präventive Rechtsaufklärung, die bis dato erlassmäßig geregelt ist, wird mit dem Entwurf zur Präventions-Novelle 2016 in das SPG aufgenommen. Derzeit sind keinerlei

 

 

 

 

 

Konsequenzen damit verbunden, wenn die gefährdende Person nach Verhängung eines Betretungsverbotes der polizeilichen Aufforderung bzw. Bitte zu einem Gespräch nicht nachkommt. Dass dieses normverdeutlichende Instrument mit der Präventions-Novelle eine Aufwertung erfahren soll, ist zu begrüßen.

 

Laut Entwurf wird der Sicherheitsbehörde in zweierlei Hinsicht ein Ermessen über dessen Einsatz eingeräumt. Die Sicherheitsbehörde kann zukünftig die gefährdende Person vorladen, um sie nachweislich über rechtskonformes Verhalten zu belehren, sie muss dies aber nicht tun. Entscheidungskriterium für die Ausübung dieses Ermessens soll die Erforderlichkeit der Vorladung und der nachweislichen Belehrung aufgrund der Persönlichkeit der gefährdenden Person oder der Umstände beim Einschreiten sein.

 

Ziel der präventiven Rechtsaufklärung ist es laut Erläuterungen zur Präventions-Novelle, die persönliche Gesamtsituation der gefährdenden Person gemeinsam zu betrachten und eine Verdeutlichung der Normen und vor allem der im Wiederholungsfall zu erwartenden Konsequenzen herbeizuführen. Angesichts dieser Zielvorgabe stellt sich die Frage, warum es spezieller Kriterien bedarf, die auf ein erhöhtes Gefahrenpotential hinweisen[3], bei deren Auftreten die Sicherheitsbehörde laut Gesetz gehalten sein soll, die Erforderlichkeit zu prüfen und erst bei deren Bejahung die gefährdende Person vorzuladen. Um möglichst viele gefährdende Personen mit einem normverdeutlichenden Gespräch zu erreichen und als Polizei präventiv tätig werden zu können, erscheint es zu wenig, nur mit der sicht- und erkennbar gefährlichen Spitze der GefährderInnen in Kontakt zu treten. Dies würde einem Rückschritt hinter die erlassmäßig geregelte präventive Rechtsaufklärung nahekommen, da hier mit jeder gefährdenden Person, wenn dies notwendig und sinnvoll erscheint (so der Erlass ohne Einschränkung[4]), ein Gespräch zu führen ist (also ohne Ermessensspielraum).

 

 

 

 

 

 

Der Bundesverband spricht sich daher für die verpflichtende Durchführung von präventiven Rechtsaufklärungsgesprächen nach einem Betretungsverbot ohne Handlungsermessen der Sicherheitsbehörde und ohne Prüfung der Erforderlichkeit nach bestimmten Gefährdungskriterien aus.

 

Ein weiterer Ermessensspielraum wird der Sicherheitsbehörde im Rahmen der Präventions-Novelle durch die Art der Vorladung eingeräumt. Zunächst ist festzuhalten, dass die bloße Tatsache, dass zu einem präventiven Rechtsaufklärungsgespräch formell vorgeladen werden kann, sehr zu begrüßen ist. Nunmehr soll die Sicherheitsbehörde die Wahl haben, einfach und ohne bestimmte Formerfordernisse zu laden (also telefonisch, schriftlich oder mündlich) oder mittels Vorladungsbescheid unter Androhung eines konkreten Zwangsmittels zu eigenen Handen zuzustellen. Um hier eine durchgängige und konsequente Vorgangsweise der Sicherheitsbehörden sicherzustellen, sollte diese grundsätzlich nach § 19 AVG vorzugehen haben.

 

Vorschlag

§ 38a Abs 6a SPG: „Ist das Betretungsverbot nach Abs. 6 nicht aufzuheben, so ist der Gefährder von der Sicherheitsbehörde während eines aufrechten Betretungsverbotes (Abs. 8) in der gemäß § 19 AVG vorgesehenen Art vorzuladen, um über rechtskonformes Verhalten nachweislich belehrt zu werden (präventive Rechtsaufklärung)…“

 

Zu Z 13 (§ 38a Abs 7 SPG)

Der vorgeschlagene Gesetzestext impliziert, dass nur in Fällen, in denen ein Betretungsverbot nach Abs 1 Z 2 in Verbindung mit einem Betretungsverbot nach Abs 1 Z 1 verhängt wird, ersteres für den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Sicherheitsbehörde angeordnet werden kann. Die Änderung der derzeit geltenden Gesetzeslage, die die Vorgangsweise regelt, wenn in einem Betretungsverbot mehrere Schutzbereiche in unterschiedlichen örtlichen Wirkungsbereichen definiert werden (z.B. bezüglich Wohnung und Ferienwohnung) ist nicht nachvollziehbar, da diese Fälle nach wie vor auftreten werden und einer Regelung bedürfen.

 

 

 

 

 

 

 

Vorschlag

§ 38a Abs 7 SPG: „Soweit ein Betretungsverbot auch für den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Sicherheitsbehörde (§§ 8 und 9) angeordnet wird, ist diese unverzüglich zu verständigen. Dies gilt auch, wenn ein Betretungsverbot nach Abs. 1 Z 1 gemeinsam mit einem Betretungsverbot nach Abs 1 Z 2 oder Z 3 verhängt wird….“

 

 

II. Vorschläge zur Erweiterung des vorliegenden Entwurfs der Präventions-Novelle 2016

 

A.     Betretungsverbot am Arbeitsplatz

Wenn im Rahmen häuslicher Gewalt ein Betretungsverbot für die Wohnung ausgesprochen wird, stellt sich für gefährdete Personen häufig die Frage, ob auch der Arbeitsplatz vom Betretungsverbot umfasst ist. Derzeit sind Opfer darauf zu verweisen, dass ein Aufenthaltsverbot für den Arbeitsplatz frühestens mit Entscheidung über eine einstweilige Verfügung in Geltung gesetzt wird. Dies bedeutet, dass der Arbeitsplatz bis zu einem Zeitraum von vier Wochen ab Verhängung des Betretungsverbots auch bei einer hier bestehenden Gefährdung nicht geschützt werden kann (außer durch ein informelles Hausverbot des Arbeitgebers). Wenn die nötige Sicherheit vor weiterer Gewalt nicht gewährleistet ist, kann dies letztlich bedeuten, dass gefährdete Personen bis zur Gerichtsentscheidung Urlaub nehmen oder sogar die Arbeit aufgeben müssen.

Die Erfahrungen der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen zeigen, dass Gewalt auch in anderen Konstellationen im sozialen Nahraum des Arbeitsplatzes zu thematisieren ist. Zu denken ist hier beispielsweise an soziale Einrichtungen, in denen eine betreute Person gegenüber dem Betreuungspersonal gewalttätig wird oder umgekehrt Betreuungspersonen Gewalt gegenüber betreuten Menschen ausüben. Zu denken ist aber auch an Gewalt unter ArbeitskollegInnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bisher lässt die gesetzliche Lage die Verhängung von Betretungsverboten am Arbeitsplatz nicht zu, da es sich hierbei in aller Regel nicht um eine Wohnung, in der die gefährdete Person iSd § 38a Abs 1 SPG wohnt, handelt. In der Praxis wurden zwar von der Polizei in derartigen Fällen Betretungsverbote für den Arbeitsplatz verhängt, dies jedoch ohne Rechtsgrundlage. Bis dato ist das Problem nur arbeitsplatzintern zu behandeln, indem die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin greift und die gewalttätige oder die gefährdete Person verlegt oder versetzt wird.

 

Mit dem Entwurf zur Präventions-Novelle 2016 wird der legistische Schritt getan, ein Betretungsverbot für einen erweiterten Bereich unabhängig vom Betretungsverbot für eine Wohnung zu installieren. Die Erläuterungen erörtern die Frage der Verknüpfung von Wohnungsverbot mit erweiterten Schutzbereich bzw. warum diese Verknüpfung in Hinblick auf den erweiterten Schutzbereich für institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen nun aufgelöst wird, nicht. Die Präventions-Novelle nimmt damit eine wichtige Ausweitung des Konzepts des § 38a SPG vor, die auch für die Regelung eines Betretungsverbots für den Arbeitsplatz relevant ist.

 

Der Bundesverband regt hiermit die Normierung eines Betretungsverbotes für den Arbeitsplatz im Rahmen des § 38a SPG unter Bedachtnahme auf das Verhältnismäßigkeitsgebot des § 29 SPG an.

 

Vorschlag

§ 38a Abs 1 SPG: Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen könnte (Gefährder),

1.      das Betreten einer Wohnung, … und deren unmittelbarer Umgebung

oder

2.      sofern es sich bei dem Gefährdeten um einen Minderjährigen handelt, das Betreten …

oder

3.      das Betreten des Arbeitsplatzes der gefährdeten Person und dessen unmittelbarer Umgebung

zu untersagen.

 

 

 

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B.    Erweiterung des § 25 Abs 3 SPG

 

Im Jahr 2006 wurde § 25 Abs 3 SPG dahingehend erweitert, dass das Bundesministerium für Inneres ermächtigt wurde, geeignete Opferschutzeinrichtungen damit zu beauftragen, auch Menschen, die von beharrlicher Verfolgung gemäß § 107a StGB bedroht sind, zum Zweck ihrer Beratung und immateriellen Unterstützung anzusprechen. Damit sollte laut Erläuterungen ermöglicht werden, auch Opfern beharrlicher Verfolgung professionelle Hilfe zukommen zu lassen.

 

Diese Erweiterung wird in Bezug auf § 107 b StGB (Fortgesetzte Gewaltausübung) und § 107c StGB (Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems)[5] ebenfalls vorgeschlagen.

 

Vorschlag

§ 25 Abs 3 SPG: Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen vertraglich damit zu beauftragen, Menschen, die von Gewalt einschließlich beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB), fortgesetzter Gewaltausübung (§ 107b StGB) und fortgesetzter Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB) bedroht sind, zum Zwecke ihrer Beratung und immateriellen Unterstützung anzusprechen (Interventionsstellen). …

 

C.   Datenübermittlung bei Stalking, Fortgesetzter Gewaltausübung und Fortgesetzter Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems

 

Aktuell ist die Datenübermittlung an die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen in Fällen einer Anzeige nach § 107a StGB im Erlass des Bundesministeriums für Inneres vom 19.12.2014 (GZ:BMI-EE1500/0114-II/2/a/2014) geregelt. Erlassgemäß ist das mit der gefährdeten Person angefertigte Vernehmungsprotokoll zu übermitteln, wobei alle personenbezogenen Daten, die nicht die gefährdende Person und die gefährdete Person

 

 

 

 

 

betreffen, unlesbar zu machen sind. In der Praxis werden kaum Vernehmungsprotokolle übermittelt, wenn doch, erfolgt die Übermittlung nach wie vor sporadisch, uneinheitlich und oft sehr verspätet. Somit werden Stalkingbetroffenen wesentliche Rechte wie Prozess-begleitung und Schadenersatzansprüche verwehrt.

Es bedarf einer gesetzlich normierten Regelung der Datenübermittlung bei Anzeigen wegen beharrlicher Verfolgung (§ 107a StGB), bei Anzeigen wegen fortgesetzter Gewaltausübung (§ 107b StGB) und bei Anzeigen wegen fortgesetzter Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB) an die Gewaltschutz-zentren, sodass eine proaktive Kontaktaufnahme zu den betroffenen Personen ermöglicht wird. Festzuhalten ist, dass im Fall einer fortgesetzten Gewaltausübung gemäß § 107b StGB jedenfalls ein Betretungsverbot zu verhängen ist, wenn die Voraussetzungen des § 38a SPG gegeben sind. Dahingehend sollten PolizistInnen in Grund- und Weiterbildung geschult werden. 

 

Vorschlag

§ 56 Abs 1 Z 3 SPG: … an geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs 3), soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen erforderlich ist, wobei personenbezogene Daten nur zu Gefährder und gefährdeten Personen sowie die Dokumentation (§ 38a Abs 5) zu übermitteln sind. Dies gilt auch für personenbezogene Daten zu Gefährder und gefährdeten Personen hinsichtlich Anzeigen gemäß §§ 107a, 107b, 107c StGB;

 

 

 

 



[1] Der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen inhärente Präventivcharakter wurde in Bezug auf § 38a    SPG vom VwGH in seinem Erkenntnis vom 24.2.2004, 2002/01/0280, festgestellt.

[2] 526/ME XXIV.GP – Ministerialentwurf, S 6, ad § 38a.

[3] Laut Erläuterungen ist die Erforderlichkeit aufgrund der Gesamtsituation bei Verhängung des Betretungsverbots oder in Hinblick auf die Persönlichkeit des Gefährders zu prüfen. Zur Gesamtsituation gehören demnach das Verhältnis von gefährdeter Person und Gefährder sowie bekannte Gefahrenmomente. Zur Persönlichkeit des Gefährders werden das Verhalten bei der Wegweisung, erkennbare Gewaltbereitschaft, Gefährdungsprognose und einschlägige Vorfälle in der jüngsten Vergangenheit gezählt.

[4] Erlass des BMI, Exekutiv- und Einsatzangelegenheiten, Kriminaldienst, Erlass für die Organisation und die Umsetzung im Bereich „Gewalt in der Privatsphäre“ („Gewaltschutz“) vom 19.12.2014, Zl. BMI-EE1500/0114-II/2/a/2014

[5] Befürwortet wird die Erweiterung um den § 107c StGB jedenfalls von den Gewaltschutzzentren Burgenland, Oberösterreich, Steiermark und Salzburg.