Stellungnahme der Universität für angewandte Kunst Wien zum Entwurf Schulrechtspaket 2016 (Ministerialentwurf 196 / ME XXV.GP)

4. Mai 2016

 

Die Universität für angewandte Kunst Wien, eine der inhaltlich und quantitativ wichtigsten Bildungsinstitutionen für die Vorbereitung von LehrerInnen in den künstlerischen Unterrichtsfächern,  appelliert dringend an die zuständigen politischen Instanzen, die im Entwurf zum Schulrechtspaket 2016 vorgesehene Zusammenlegung der Unterrichtsfächer „Technisches Werken“ und „Textiles Werken“ keinesfalls zu beschließen.

Wie die Erfahrungen der Zusammenlegung von technischem und textilem Werken in den Neuen Mittelschulen deutlich zeigen, führt diese Maßnahme in der schulischen Realität zu einer weiteren Verringerung des Unterrichts in Kreativ-Fächern.

Die Begründung, dass die Zusammenlegung dieser Fächer einen positiven genderpolitischen Effekt in Richtung Auflösung geschlechtsspezifischer Affinitäten hinsichtlich der Unterrichtsfächer Textiles Werken und Technisches Werken hätte, ist wissenschaftlich unhaltbar (geschlechtsspezifische Prägungen erfolgen viel früher als in der Sekundarstufe) und entlarvt sich in der Praxis der NMS als bloßes Scheinargument. Mit der gleichen Argumentation müsste man ganze Schultypen in der Sekundarstufe zusammenlegen und inhaltliche Schulschwerpunkte unterbinden ! 

Tatsache ist, dass angesichts der bevorstehenden dramatischen Veränderung des Arbeitsmarktes infolge von Digitalisierung und Automatisierung (40 % der heute vorhandenen Arbeitsplätze wird es in 20 Jahren nicht mehr geben) gerade creative skills zu unverzichtbaren Schlüsselqualifikationen für die Gesellschaft und Wirtschaft des 21. Jahrhunderts werden. Kreativität und Innovationskraft sind die Erfolgskriterien der Zukunft und bedürfen einer wesentlich stärkeren Grundlegung im Schulsystem.

In dieser Situation den Kreativunterricht faktisch weiter zu reduzieren, wäre verantwortungslos gegenüber der nächsten Schülergeneration. Gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch verantwortungsbewusst handeln würde bedeuten, den Unterricht in den Kreativfächern auszubauen und darüber hinaus mit anderen Fachbereichen zu verknüpfen.

Die im Schulrechtspaket 2016  vorgeschlagene Zusammenlegung der Unterrichtsfächer Textiles Werken und Technisches Werken ist planlos und konzeptlos: Es gibt weder Pläne, wie die „Zusammenlegung“ der beiden Fächer in der Unterrichtspraxis inhaltlich und personell umgesetzt werden soll, noch gibt es ein inhaltliches Konzept für ein neues, integratives Unterrichtsfach.

Mehrfache Anfragen und Angebote der Universität für angewandte Kunst Wien (die mit Abstand die meisten LehramtsstudentInnen und AbsolventInnen in den Unterrichtsfächern Textiles Werken und Technisches Werken hat) zur Einbindung in die inhaltliche Diskussion – auch über die Entwicklung weiterführender integrativer Konzepte, die über die bloße Zusammenlegung zweier Fächer hinaus geht,  wurden seitens des BM ignoriert oder sogar in einer Art und Weise hintertrieben, die eher an das Demokratieverständnis Nordkoreas erinnert, als an das einer aufgeklärten Unterrichtsverwaltung (Beispiele können bei Bedarf nachgeliefert werden).

Die Universität für angewandte Kunst Wien erneuert an dieser Stelle die Bereitschaft zur konstruktiven Teilnahme an der Entwicklung neuer inhaltlicher und strategischer Konzepte für einen Kreativunterricht im Sekundarschulbereich, die sich an den Erfordernissen der sich rasch verändernden Gesellschaft und Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts orientieren. Der Vorschlag zur bloßen Zusammenlegung der Unterrichtsfächer Textiles Werken und Technisches Werken wird nachdrücklich und vehement abgelehnt.

 

Gerald Bast

Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien