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                                        BSBV 67/Horvath                 3141                9.5.2015

                                       

 

Marktmissbrauchsrecht, Begutachtungsentwurf – Änderung Börsegesetz

 

Zu dem uns übermittelten Begutachtungsentwurf zum Marktmissbrauchsrecht (Änderung des Börsegesetzes) dürfen wir uns namens der österreichischen Kreditwirtschaft für die Möglichkeit zur Stellungnahme bedanken und gleichzeitig kritisch anmerken, dass die Frist für eine derart weitreichende Novelle deutlich zu kurz bemessen ist.

 

Erfreulich ist, dass der Gesetzesentwurf eine langjährige Forderung der Praxis, nämlich, dass das österreichische Goldplating in § 48d Abs 4 BörseG, wonach auch verbundene Unternehmen bei Director’s Dealings-Meldungen zu berücksichtigen sind, aufgehoben wird. Die in Österreich derzeit noch zur Anwendung kommende Definition verbundener Unternehmen ist strenger als in anderen Mitgliedstaaten und dadurch besteht ein Wettbewerbsnachteil, der im Rahmen dieser Novellierung beseitigt wird. Auch dass die Strafrahmen an der Untergrenze der EU-Vorgaben angesetzt wurden, ist anzuerkennen. Dennoch bestehen zu den strafrechtlichen Bestimmungen erhebliche Bedenken.

 

Generelle Anmerkungen zum Verwaltungsstrafrecht

Die europäischen Vorgaben zum Marktmissbrauchsrecht sehen bei eingeschränkten Sachverhalten die Möglichkeit zur Verhängung von Haftstrafen und Geldstrafen bis zu 15 Mio. €/15% des Jahresumsatzes vor. Bei der Umsetzung werden diese Befugnisse in das BörseG übernommen.

 

Die zuständige Verwaltungsbehörde erhält Befugnisse, die so in der österreichischen Verwaltungsstrafbarkeit nicht vorgesehen sind, wie etwa die Verhängung hoher Strafen für natürliche Personen (bis zu 5 Mio. €), das Aussprechen eines Berufsverbots, etc. Im Gegensatz zu einem Verfahren vor ordentlichen Gerichten ist ein Beschuldigter in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt.

 

Die FMA hat jede Sanktion und andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen zu veröffentlichen. Dabei könnte ein „Naming and Shaming“ noch vor der Verurteilung erfolgen. Das BMF selbst stellt sich die Frage der Verfassungskonformität bei Umsetzung dieser Maßnahmen in österreichisches Recht.

 

 

§ 48b BörseG

„(1) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 hat die FMA unbeschadet ihrer Befugnisse nach den sonstigen Verfahrensbestimmungen folgende besonderen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung:

1. Zugang zu jedweden Unterlagen und Daten in jeder Form zu haben und Kopien von ihnen zu erhalten oder anzufertigen;“

 

è Wir empfehlen folgende Formulierung: „in jeder verfügbaren“ Form. Ansonsten könnte man dies derart verstehen, dass die Normadressaten eine gewünschte Form für die Behörde herzustellen (bspw. gewünschte Datenformate, die die Behörde verwerten kann) hätten. Dies wird kritisch gesehen, weil wir sonst gezwungen werden könnten, unsere Daten in andere Formate zu konvertieren (bspw. Apple vs. Microsoft-Formate….etc.).

 

§ 48c BörseG

Die §§ 48c ff führen Verwaltungsstrafen iHv bis zu € 5 Mio für bestimmte Verstöße gegen Insidergeschäfte, Marktmissbrauch sowie organisatorische Anforderungen ein. Da im Verwaltungsstraffverfahren das VStG zur Anwendung kommt, das aufgrund der durchschnittlichen Strafhöhe im Verwaltungsverfahren keine so ausgeprägten Rechte für Verdächtigte/Beschuldigte vorsieht, sollten bei derartigen Strafhöhen die verfahrensrechtlichen Garantien für Verdächtigte/Beschuldigte an die Garantien der StPO angepasst werden, insbesondere sollten folgende Anpassungen vorgenommen werden:

§ 5 VStG sieht vor, dass (sofern die Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt) für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Dieses wird bei Verwaltungsübertretungen, zu deren Tatbestand der Eintritt eines Schadens nicht erforderlich ist, nicht vermutet. Dies scheint bei derartig hohen Verwaltungsstrafen nicht gerechtfertigt zu sein.

Eine Änderung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafverfahren ist zwar derzeit im Gespräch, der Ausgang ist zurzeit jedoch noch nicht absehbar. Sollte das Kumulationsprinzip auf die Verwaltungsstrafen im neuen Börsegesetz anwendbar sein, kann dies auch für größere Institute zu Verwaltungsstrafen führen, die existenzgefährdend sein können. Es sollte daher klargestellt werden, dass dieses nicht zur Anwendung kommt.

 

è Wir ersuchen um Klärung dieser verfassungsrechtlichen Vorfrage vor der nationalen Umsetzung.

 

§ 48d BörseG

Am Ende wird auf eine Z 6 verwiesen (Strafdrohung max EUR 50.000,--). Z 6 existiert aber im Gesetzesentwurf nicht. Da auch in der MAR die Maximalstrafe von EUR 50.000,-- nicht existiert, scheint es sich wohl um ein Versehen zu handeln.

 

§ 48e BörseG

Es wäre auch günstig, statt nur auf "Z1 bis 7 der Anlage 2 zu § 43 BWG", auf "Z1 bis 7 der Anlage 2, Teil 2, zu § 43 BWG" zu verweisen.

 

§ 48e Abs 4 BörseG

„(4) Der jährliche Gesamtnettoumsatz gemäß Abs 3 ist bei Kreditinstituten der Gesamtbetrag aller in Z 1 bis 7 der Anlage 2 zu § 43 BWG angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen; handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Tochtergesellschaft, ist auf den jährlichen Gesamtnettoumsatz abzustellen, der im vorangegangenen Geschäftsjahr im konsolidierten Abschluss der Muttergesellschaft an der Spitze der Gruppe ausgewiesen ist. Bei sonstigen juristischen Personen ist der jährliche Gesamtumsatz maßgeblich. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.“

 

è Wir ersuchen den Gesetzestext so zu formulieren, dass er klar im Einklang mit Art 30 Abs 2 lit j letzter Absatz der MAR steht. Der Text der Verordnung sieht vor, dass das konsolidierte Jahresergebnis der Muttergesellschaft zur Berechnung der Strafe heranzuziehen ist, wenn es die Muttergesellschaft selbst betrifft, oder eine Tochtergesellschaft die einen „konsolidierten Abschluss… aufzustellen hat“.

 

§ 48j BörseG

Grundsätzlich unterscheidet das BWG (§ 99c) zwischen rechtskräftigen Geldstrafen (Abs. 2, „hat zu veröffentlichen“) und sonstigen Maßnahmen, z.B. Maßnahmenverfahren etc. (Abs. 1, „kann veröffentlichen“). Diese Unterscheidung wird im Vorschlag zu 48j BörseG nicht getroffen („hat die FMA jede Entscheidung über die Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion oder verwaltungsrechtlichen Maßnahme…“). Somit existiert im BWG eine „kann“-Bestimmung, die der Aufsichtsbehörde einen Ermessensspielraum einräumt. Es ist schwer nachvollziehbar, warum dies nicht auch für das BörseG gelten solle.

 

In der Marktmissbrauchsverordnung selbst ist in den Erwägungsgründen (73) davon die Rede, dass veröffentlicht werden „soll“ und die zuständigen Behörden nicht verpflichtet sein sollten, Maßnahmen zu veröffentlichen, die als geringfügig erachtet werden und bei denen eine Veröffentlichung unverhältnismäßig wäre. Die Normierung einer generellen Verpflichtung zur Veröffentlichung widerspricht wohl auch diesen Erwägungen.

 

Dies würde auch einen beträchtlichen Mehraufwand für die Behörde darstellen, da sie nahezu gezwungen würde zu veröffentlichen, unabhängig davon, ob es sich um eine rechtskräftige Entscheidung oder eine Maßnahme handelt, außer sie rechtfertigt sich durch Evaluierung des Vorliegens einer der Voraussetzungen des § 48j Abs 3.

 

Grundsätzlich wäre daher eine mit dem BWG harmonisierte Formulierung, sprich eine „kann“-Bestimmung anzustreben, um inflationäre Veröffentlichungen zu vermeiden.

 

§ 48m Abs 1 und Abs 2 BörseG   
Mit der Kursveränderungsschwelle von mindestens 35 % und dem Gesamtumsatz von mindestens € 10 Mio hat der Gesetzgeber versucht, das Tatbestandsmerkmal von "schwerwiegenden Fällen" zu erfüllen. Der Gesetzgeber interpretiert die Richtlinie dahingehend, dass durch das Verbot des Insiderhandels vorwiegend die Marktintegrität geschützt werden soll. Die genannten Schwellenwerte sind jedoch Folgen einer strafbaren Handlung, auf die sich der Vorsatz jedenfalls nicht beziehen kann. Wir sehen diese Bestimmung daher kritisch und regen an, dass - wie schon im geltenden Börsegesetz - auf den Schaden abgestellt wird.

 

§ 48m Abs 6 BörseG:       
Dieser Straftatbestand ist von der Richtlinie nicht vorgegeben und die Erweiterung der Strafbarkeit auch auf fahrlässige Handlungen erscheint überschießend.

 

§ 48n BörseG (Gerichtlich strafbare Marktmanipulation)

In § 48n Abs 1 Börse G wird in Umsetzung des Art 5 MAD zur gerichtlich strafbaren Markmanipulation der Zusatz "wenn auch nur grob fahrlässig (§ 6 Abs 3 StGB)" aufgenommen. Art 5 MAD sieht allerdings als Mindeststandard ("zumindest") Marktmanipulation als Vorsatzdelikt vor ("bei Vorliegen von Vorsatz") vor.

 

Es besteht hier zwar ein legistischer Spielraum der Mitgliedstaaten, in der Umsetzung eine strengere Regelung zu treffen (also auch den Verschuldensgrad der Fahrlässigkeit mit einzubeziehen). Zwingend ist dies aber nicht. Von dieser verschärften Umsetzung des Art 5 MAD sollte schon deswegen Abstand genommen werden, weil bei Marktmanipulation - in Abweichung zur bisherigen Rechtslage - erstmals eine gerichtliche Zuständigkeit vorgesehen und dessen Tatbestand unscharf ausgestaltet ist. Auch den EB zu § 48n BörseG ist keine stichhaltige Begründung für die Notwendigkeit dieses verschärften Vorgehens durch den österreichischen Gesetzgeber zu entnehmen.

§ 48s BörseG
Diese Bestimmung sind schon im geltenden Börsegesetz vorhanden. § 48s Abs 2 Z 1 sieht vor, dass die FMA im gleichen Umfang wie die Staatsanwaltschaft gerichtliche Entscheidungen und die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verlangen kann. Unseres Erachtens wäre es sachgerecht, wenn die FMA Kompetenzen erhält, die in Teilen denjenigen der Staatsanwaltschaft entspricht, dass sie diesbezüglich auch den Disziplinarvorschriften der Staatsanwaltschaft unterstellt wird.

 

Art 19 Abs 3 der MAR

„(3) Der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate stellt sicher, dass die Informationen, die im Einklang mit Absatz 1 gemeldet werden, unverzüglich und spätestens drei Geschäftstage nach dem Geschäft so veröffentlicht werden, dass diese Informationen schnell und nichtdiskriminierend im Einklang mit den in Artikel 17 Absatz 10 Buchstabe a genannten Standards zugänglich sind.

Der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate greift auf Medien zurück, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Informationen tatsächlich an die Öffentlichkeit in der gesamten Union weiterleiten, und gegebenenfalls ist das in Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG amtlich bestellte System zu nutzen.

Das nationale Recht kann abweichend davon auch bestimmen, dass eine zuständige Behörde die Informationen selbst veröffentlichen kann.“

 

è Wir ersuchen, dass das BMF hier vom eingeräumten nationalen Wahlrecht Gebrauch macht und die Informationen nach dem für alle Marktteilnehmer bekannten und bewährten System wie bisher von der FMA veröffentlicht werden.

 

Art 19 Abs 9 MAR

„(9) Eine zuständige Behörde kann beschließen, den in Absatz 8 genannten Schwellenwert auf 20 000 EUR anzuheben, und sie setzt die ESMA von ihrer Entscheidung, einen höheren Schwellenwert anzunehmen, und der Begründung für ihre Entscheidung unter besonderer Bezugnahme auf die Marktbedingungen in Kenntnis, bevor sie diesen Schwellenwert anwendet. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website die Liste der Schwellenwerte, die gemäß diesem Artikel anwendbar sind, sowie die von den zuständigen Behörden vorgelegten Begründungen für diese Schwellenwerte.“

 

è Wir empfehlen, dass die FMA hier vom eingeräumten Wahlrecht Gebrauch macht und den Schwellenwert auf 20.000 € erhöht, da, wie auch in der österreichischen Judikatur nachzulesen ist, Transaktionen in kleineren Beträgen für die betreffenden Personen nicht wirtschaftlich ausschlaggebend sein können. Demnach sehen wir den Informationsgehalt einer Veröffentlichung von derart geringfügigen Transaktionen für die Öffentlichkeit als beschränkt ein.

 

 

Wir ersuchen um Berücksichtigung unserer Ausführungen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Franz Rudorfer

Geschäftsführer

Bundessparte Bank und Versicherung