Abg.z.NR

Mag. Albert Steinhauser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst

Ballhausplatz 2

1010  Wien

 

Per Email: florian.herbst@bka.gv.at, slv@bka.gv.at

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                                                                                                                                     01.06.2016

 

ENTWURF EINES BG, MIT DEM DAS VERWALTUNGSGERICHTSVERFAHRENSGESETZ GEÄNDERT WIRD, MINISTERIALENTWURF BKA 602.040/0013-V/1/2016, Verfahrenshilfe

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zum ggst Ministerialentwurf nehme ich wie folgt Stellung:

 

Das VfGH-Erkenntnis zu § 40 VwGVG erging bereits am 25. Juni 2015. Um dem Gesetzgeber ausreichend Zeit zu geben, eine optimale Regelung zur Verfahrenshilfe auch für Verfahren vor dem Verwaltungsgericht jenseits von Verwaltungsstrafen zu schaffen, wurde § 40 VwGVG erst per 31. 12.2016 aufgehoben. Es ist bedauerlich, dass nun erst am 28.4.2016  ein Ministerialentwurf vorgelegt wurde.

 

Es ist zu sehr begrüßen, dass der Verfassungsgerichtshof – unter Berufung auf Art 6 Abs 1 EMRK - eine Verfahrenshilfe auch für allgemeine Verwaltungsverfahren für notwendig erachtet hat. Die im Ministerialentwurf gewählte Lösung lehnt sich sehr an die bisherige Regelung für Verwaltungsstrafsachen, welche ihrerseits nach dem Vorbild in der ZPO gestaltet wurde, an.

 

Drei Probleme möchte ich vorab – und vorbehaltlich weiterer Anmerkungen im Zuge der parlamentarischen Beratungen – aufzeigen:

 

1.    Die Ausbildung der Rechtsanwält/inn/en und die Tätigkeit der RA-Kanzleien sind sehr zivilrechtslastig. Konnte die Vertretung in Verwaltungsstrafsachen im Rahmen der Verfahrenshilfe noch „mitlaufen“, so stellen sich mit den anderen Verwaltungsmaterien doch ganz andere Herausforderungen. Nur wenige Kanzleien verfügen über das notwendige öffentlich-rechtliche Praxiswissen. Ist ein/e Beschwerdeführer/in anwaltlich vertreten, fällt die Manuduktionspflicht des Verwaltungsgerichts weg. Fehlt dem Anwalt/der Anwältin aber die Kenntnis und Praxis für diese spezielle Verwaltungsmaterie, kann dies unter dem Strich zu einer Verschlechterung für den/die Beschwerdeführer/in führen. Dieses Problem kann auch nicht durch die Regelung im ME gelöst werden, dass „die Partei zur Auswahl der Person eines Vertreters im Einvernehmen“ mit diesem „namhaft gemachten Rechtsanwalt“ einen Vorschlag erstatten kann, da sich aufgrund der fehlenden unmittelbaren ökonomischen Anreize nicht genügend Rechtsanwälte/

Rechtsanwältinnen zur Verfügung stellen werden (siehe auch Exkurs). Es sind daher gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Mittel und Wege zu finden, damit die Erwartungen, die mit einer Verfahrenshilfe in allgemeinen Verwaltungs-angelegenheiten einher gehen, auch tatsächlich eingelöst werden können.

 

Wie sehr der Aufwand und die Differenziertheit dieser Verwaltungsangelegenheiten unterschätzt wird, zeigt sich auch an der Tatsache, dass in den Erläuterungen zum ME bloß von einer Verdoppelung der Verfahrenshilfefälle und nur einer Verdoppelung der Pauschalvergütung (aktuell macht die Pauschalvergütung für Verfahrenshilfe in Verwaltungsstrafsachen jährlich € 31.000 € aus) an die Rechtsanwaltskammer ausgegangen wird.

 

Exkurs: Die Problemlage ist hier ähnlich wie beim Verfahrenshilfesystem nach der ZPO bzw der RAO: Beim Verfahrenshilfeantrag kann zwar ein/e bevorzugte/r Anwalt/Anwältin angegeben werden, da ein/e Anwalt/Anwältin für die Übernahme der Verfahrenshilfe im Regelfall aber nicht direkt vergütet wird, erklärt sich in der Praxis kaum jemand zur Übernahme bereit. Eine Lösung würde ein eigenes Tarifsystem für Vertretungen im System der Verfahrenshilfe bewirken. Langfristig könnte dadurch das derzeitige System der Pauschalvergütungen abgelöst werden.

 

2.    Eine der im Gesetz artikulierten Voraussetzungen für Verfahrenshilfe ist, dass die Beschwerde nicht offenbar mutwillig und aussichtslos ist. Der/die Verwaltungsrichter/in hat daher innerhalb kurzer Zeit die Erfolgsaussichten eines Falles einzuschätzen. Dies führt de facto zu einer Vorentscheidung des Falles im Eiltempo, die dann selten revidiert wird obwohl ausführlicheres Aktenstudium allenfalls anderes hervorgebracht hat. Der Antrag auf Verfahrenshilfe löst also eine Negativspirale aus und das Verwaltungsgericht hat mit der inhaltlichen Vorausprüfung eine Zusatzaufgabe.  Aus diesem Grunde sollte auf die Voraussetzung der Aussichtslosigkeit verzichtet werden. Sie ist ohnehin bereits in der Voraussetzung, dass der Rechtsschritt nicht mutwillig sein darf, zu einem gewissen Teil enthalten.

 

3.    In einigen Verwaltungsmaterien spielen Sachverständigen-Gutachten eine tragende Rolle. Ist der/die Beschwerdeführer/in mit den Gutachten von Amtssachverständigen bzw amtlich bestellten Gutachtern/Gutachterinnen nicht einverstanden, so muss er oder sie auf gleichem fachlichen Niveau entgegnen und „Privatgutachten“ vorlegen, auch vor dem Verwaltungsgericht (die SV-Regelung für die Verwaltungsgerichte wurde unlängst höchstgerichtlich bestätigt). Nicht selten verursachen der Verfahrenspartei die Sachverständigen mehr Kosten als die rechtsfreundliche Vertretung. Der ME schränkt jedoch die Verfahrenshilfe auf die Beigebung eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin ein. Eine solche Einschränkung ist aus der Judikatur des EGMR jedoch nicht ableitbar. Hingewiesen wird auch auf die Regelung in § 7 Abs 3 Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetz, welche auch die sachverständige Beratung miteinschließt. Diese geht auf die Entscheidudng VwGH 90/06/0211 vom 11.2.1993 zurück, welche auch auf Art 6 MRK gestützt war.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mag. Albert Steinhauser e.h.

Justiz-, Datenschutz-, Demokratie- und Verfassungssprecher