Stellungnahme des Bundesverbandes der

Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs

 

 

zum

 

Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (SPG-Novelle 2016)

 

 

 

Verfasst von:

Dr.in Barbara Jauk (Gewaltschutzzentrum Steiermark)

DSA Mag.a Maria Schwarz-Schlöglmann (Gewaltschutzzentrum OÖ)

 

 

 

 

 

 

 

Der Bundesverband der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen Österreichs nimmt in offener Frist (7.6.2016) zum o.a. Gesetzesentwurf Stellung.

 

Mit dieser Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes sollen u.a. die präventiven Instrumente im Bereich des Schutzes vor Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sowie unter Anwendung von Gewalt verbessert werden. Der Bundesverband begrüßt die Gesetzesinitiative und merkt Folgendes an:

 

Zu Z 6 (§ 38b SPG)

Die in § 38b des Entwurfes beschriebene Meldeverpflichtung zur Normverdeutlichung wird von den Gewaltschutzzentren/Interventionsstelle begrüßt. Damit wird über die in der Präventions-Novelle 2016 vorgesehene Regelung hinausgegangen, die sich auf Fälle der Verhängung eines Betretungsverbotes im Sinn des § 38a SPG im Rahmen der präventiven Rechtsaufklärung bezieht.

 

Bei der Präventionsnovelle wurde vom Bundesverband die Sinnhaftigkeit zweierlei möglicher Formen von Ladung angezweifelt: jener der einfachen Ladung ohne bestimmte Formerfordernisse und jener durch formalen Bescheid. Es wurde vorgeschlagen, eine einheitliche Vorgangsweise mittels Bescheid vorzusehen. Der jetzige Entwurf sieht die Ladung durch Bescheid vor, was demzufolge begrüßt wird.

 

Mit der SPG-Novelle 2016 soll eine sanktionierbare Meldeverpflichtung zur Norm-verdeutlichung eingeführt werden, die vom Kreis der möglichen Straftaten her breit angelegt ist. Dass gefährliche Angriffe gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung impliziert werden, weist darauf hin, dass die Diskussion um sexualisierte Gewalt, wie sie in den letzten Monaten vor allem hinsichtlich Gewaltausübung im öffentlichen Raum geführt wurde, nun auch legistische Auswirkungen nach sich zieht. Selbstverständlich unterscheidet der Entwurf nicht zwischen gefährlichen Angriffen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung im öffentlichen und im privaten Bereich. In dieser Hinsicht sind positive Auswirkungen auch auf jene Opfer sexualisierter Gewalttaten zu gewärtigen, die Gewalt im sozialen Nahbereich und in der Familie nach wie vor und in einem hohen Ausmaß hinter geschlossenen Türen erleben.

 

Neben gefährlichen Angriffen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung soll auch ein gefährlicher Angriff, der unter Anwendung von Gewalt begangen wurde, die Meldeverpflichtung auslösen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, eine Person werde zukünftig gefährliche Angriffe begehen. Ob die Aufzählung der Rechtsgüter hier vergessen oder bewusst weggelassen wurde, um die Meldeverpflichtung möglichst breit und ohne Einschränkung anzulegen, ist fraglich und geht auch nicht aus den Erläuterungen hervor. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass es sich um die Rechtsgüter Leben, Gesundheit und Freiheit handelt, gegen die sich der gefährliche Angriff unter Anwendung von Gewalt richtet.

 

Darüber scheint es der Vollständigkeit halber geboten, zusätzlich zur “Anwendung von Gewalt“ die Gewaltformen der  Gefährlichen Drohung, der Beharrlichen Verfolgung sowie der Fortgesetzten Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder Computersystems („Cybermobbing“) explizit im 38b Abs 1 SPG zu verankern.

 

Generell möchte der Bundesverband darauf hinweisen, dass es dringend erforderlich ist, den die Normverdeutlichung durchführenden PolizeibeamtInnen eine  adäquate und umfassende Schulung zukommen zu lassen, die es ihnen ermöglicht, diese herausfordernde Belehrungstätigkeit sinnvoll und gesetzeskonform vornehmen zu können. Insbesondere die Aufgabe, Fremde über die Grundwerte des Zusammenlebens in einem demokratischen Staat und seiner Gesellschaft sowie über das gesellschaftliche Leben in Österreich aufzuklären, wird wohl einer speziellen und differenzierten Schulung bedürfen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass PolizistInnen derartige Fähigkeiten im Zuge der Grundausbildung und der berufsbegleitenden Weiterbildung erwerben.

Wichtig erscheint weiters in der Umsetzung auf allfälligen Dolmetschbedarf zu achten und die Normverdeutlichung entsprechend verständlich zu kommunizieren.

 

Zu Z 8 (§ 67 SPG)

Die vorgeschlagene Möglichkeit, alle Straftaten gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung bei vorliegender Prognose ohne Einschränkung auf eine Mindeststrafdrohung einer erkennungsdienstlichen Behandlung, bei der die DNA eines Menschen ermittelt werden kann,  zuzuführen, wird vom Bundesverband ausdrücklich begrüßt. Die Beweislage bei sexualisierten Gewaltdelikten kann damit grundsätzlich und ohne Einschränkung auf Delikte ab einer bestimmten Strafdrohung verbessert werden.