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Bundesministerium  für Justiz

Museumstraße 7

1070 Wien

 

per E-Mail:     team.z@bmj.gv.at

                        begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

Wien, am 13. September 2016

 

 

 

Betrifft:  BMJ-Z4.973/0059-I 1/2016      
Ministerialentwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Erwachsenen­vertretungsrecht und das Kuratorenrecht im Allgemeinen Bürger­lichen Gesetzbuch geregelt werden und das Ehegesetz, das Einge­tragene Partnerschaft-Gesetz, das Namensänderungsgesetz, das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten, das Außer­streitgesetz, die Zivilprozessordnung, die Jurisdiktionsnorm, das Vereinssachwalter-, Patientenanwalts- und Bewohnervertretungs­gesetz, das Unterbringungsgesetz, das Heimaufenthaltsgesetz, die Notariatsordnung, die Rechtsanwaltsordnung, das Gerichtsgebühren­gesetz und das Gerichtliche Einbringungsgesetz geändert werden (2. Erwachsenenschutz-Gesetz – 2. ErwSchG); Begutachtungsverfahren

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Behindertenanwalt dankt für die Übermittlung des vorliegenden Entwurfes zum 2. Erwachsenenschutz-Gesetz und nimmt dazu wie folgt Stellung:

 

I.     Präambel

 

Der Behindertenanwalt ist zuständig für die Beratung und Unterstützung von Personen, die sich im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes oder der §§ 7a bis 7q des Behinderteneinstellungsgesetzes diskriminiert fühlen.

Darüber hinaus führt der Behindertenanwalt im Sinne des § 13c Abs. 2 Bundes­behinder­tengesetz Untersuchungen durch und gibt Empfehlungen und Berichte zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung ab.

 

II.    Gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Jahre 2008 hat die Republik Österreich ein klares und wichtiges Signal zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft gesetzt.

Die Novellierung des Sachwalterrechts stellt einen wichtigen Schritt auf dem Wege zur Umsetzung der Konvention dar. Tatsächlich sieht sich der Behindertenanwalt seit Bestehen der Funktion mit zahlreichen Beschwerden von besachwalteten Personen konfrontiert.

Im Sinne des Inklusionsgedankens wird der vorliegende Entwurf des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes daher ebenso wie der umfassend partizipativ geführte Entstehungsprozess ausdrücklich begrüßt.

Damit die intendierte Zielsetzung des Entwurfes auch in der Praxis effektiv zur Umsetzung gelangen kann, wird die begleitende Sensibilisierung und Schulung der besonders betroffenen Berufsgruppen (u.a. Rechtsanwälte/-innen, Notare/-innen, Richtern/-innen) angeregt.

Im Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention stellt der Behinderten­anwalt fest, dass die wichtige Forderung der Konvention nach der Implementierung von Mechanismen zur unterstützten Entscheidungsfindung im vorliegenden Entwurf nicht vorgesehen ist. Offenbar obliegt die Umsetzung dieser Maßnahme den Ländern, sodass von dieser Seite eine entsprechende Umsetzung notwendig sein wird.

 

III.   Anregungen und Empfehlungen des Behindertenanwaltes

Mit dem vorliegenden Entwurf des 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes wird eine um­fassende Novellierung des bestehenden Sachwalterschaftsrechts vorgenommen.

Durch die Erweiterung der Vertretungsarten sowie die jeweiligen Vertretungs­befugnisse ergeben sich mitunter Fragestellungen, in deren Zusammenhang der Behindertenanwalt fallweise Ergänzungen des vorliegenden Entwurfes anregt.

 


Stellungnahme zu den Artikeln 1 und 7


Zu Artikel 1, § 244:

§ 244 Abs. 2 normiert u.a., dass RechtsanwältInnen sowie Notare/-innen bzw. KandidatInnen, welche 25 Vorsorgevollmachten bzw. Erwachsenenvertretungen annehmen können. Unter den in Abs. 2 angeführten Bedingungen hinsichtlich „besonders geeigneter“ Rechtsanwälte/-innen und Notare/-innen ist eine größere – im vorliegenden Entwurf nicht näher bezifferte – Anzahl möglich.

Hinsichtlich der Überprüfung der zur Übernahme von Erwachsenenvertretungen und Vorsorgevollmachten besonders geeigneter Rechtsanwälte/-innen und Notare/-innen geht der Behindertenanwalt davon aus, dass in den Rechtsanwalts- und Notariatskammern entsprechende harmonisierte Instrumente zur Qualitätssicherung gem. den in § 10b RAO und § 134a NO errichteten Bestimmungen implementiert werden.

Anzunehmen ist außerdem, dass die Anzahl der Vertretungen und deren Umfang aufgrund der Zielsetzung des Gesetzes grundsätzlich reduziert werden soll.

Aufgrund des reduzierten Bedarfs regt der Behindertenanwalt daher an, im Sinne qualitativ einheitlicher Standards in Bezug auf beide Berufsgruppen ausschließlich Rechtsanwälte/-innen und Notare/-innen mit besonderer Eignung als Erwachsenen­vertreterInnen vorzusehen.

 

Zu Artikel 1, § 262:

§ 262 bestimmt, dass eine Vorsorgevollmacht vor einem Notar, einem Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein errichtet werden kann.

Dies hat zur Folge, dass Vorsorgevollmachten nicht mehr bei Gericht errichtet werden können. Um weiterhin einen niederschwelligen Zugang zur Errichtung von Vollmachten zu gewährleisten, regt der Behindertenanwalt an, die Möglichkeit einer kostenlosen Errichtung der Vorsorgevollmacht unabhängig von der ermächtigten Stelle zu normieren.

Insbesondere für Menschen mit Behinderungen, welche statistisch gesehen einem signifikant höheren Armutsrisiko unterliegen, wird die vorgeschlagene Anpassung als notwendig erachtet.

 

Zu Artikel 1, § 276:

§ 276 Abs. 1 legt fest, dass der oder dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter/in eine Entschädigung in Höhe von fünf Prozent aller Einkünfte der oder des Vertretenen bis zu einem Vermögenswert von Euro 15.000,-- gebührt.

Darüber hinausgehendes Vermögen wird der jährlichen Entschädigung im Ausmaß von zwei Prozent zugerechnet.

Die vorliegende Berechnung der Entschädigung steht in unmittelbarem Zusammen­hang mit dem Vermögen der zu vertretenden Person und kann – unbeschadet den Ausführungen des Abs. 5 – zu einem Interessenskonflikt für den/die Erwachsenen­vertreter/in führen.

Tatsächlich sieht sich der Behindertenanwalt in seiner Beratungstätigkeit immer wieder mit Beschwerden besachwalteter Personen konfrontiert, welche eine – möglicherweise zu – restriktive Finanzgebarung beklagen. Daher regt der Behinder­tenanwalt an, die zweifellos berechtigten Entschädigungsansprüche gerichtlicher ErwachsenenvertreterInnen nicht in Zusammenhang mit dem zu verwaltendem Vermögen zu stellen.

 

Zu Artikel 7, § 1:

Mit der Ergänzung des § 1 Abs. 2 Zivilprozessordnung soll normiert werden, dass in jenen Fällen keine Prozessfähigkeit einer vertretenen Person vorliegt, sofern diese in den Wirkungsbereich eines/-r Erwachsenenvertreters/-in oder einer vorsorgebe­vollmächtigten Person im Zuge des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht fällt. Demgemäß ist zur Vertretung im Zivilverfahren einzig der bzw. die gesetzliche/-r Vertreter/-in befugt.

Der Behindertenanwalt erkennt in dieser Formulierung eine deutliche Abweichung von der in § 265 Abs. 2 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch gewählten Vorgangsweise in zivilrechtlichen Angelegenheiten und in Verwaltungsverfahren, wonach die Möglichkeit des Einvernehmens zwischen Erwachsenenvertreter/in und vertretener Person als Voraussetzung für rechtswirksame Vertretungshandlungen vorgesehen werden kann.

Der Behindertenanwalt regt daher im Sinne der Zielrichtung des Gesetzes, die Selbstbestimmung von vertretenen Personen zu erhöhen, an, die Zivil­prozessordnung analog zum vorgesehenen § 265 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch hinsichtlich der Möglichkeit des Einvernehmens zwischen Erwachsenen­vertreter/-in und vertretener Person als Voraussetzung rechtsverbindlicher Handlungen anzupassen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Erwin Buchinger