An das

Bundeskanzleramt

Ballhausplatz 2

1010 Wien

 

per E-Mail:     v8a@bka.gv.at

sowie in Cc:  begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

Wien, am 18. März 2017

 

 

 

 

 

 

Betrifft: BKA-600.883/0003-V/8/2017

                 Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bundesvergabegesetz 2017 erlassen wird und das Bundesvergabegesetz 2017 sowie das Bundesvergabegesetz Verteidigung und Sicherheit 2012 geändert werden (Vergaberechtsreformgesetz 2017); Begutachtungsverfahren

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Behindertenanwalt dankt für die Übermittlung des vorliegenden Gesetzes­entwurfes und nimmt dazu wie folgt Stellung:

 

I.     Präambel

Der Behindertenanwalt ist zuständig für die Beratung und Unterstützung von Personen, die sich im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes oder des Behinderteneinstellungsgesetzes diskriminiert fühlen.

Darüber hinaus führt der Behindertenanwalt im Rahmen des § 13c Bundesbehinder­tengesetz Untersuchungen durch und gibt Empfehlungen und Berichte zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung ab.

II.    Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

Barrieren im baulichen, räumlichen und kommunikativen Bereich stellen für Menschen mit Behinderungen immer noch bedeutende Hindernisse auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft dar.
Aufgrund der zentralen Bedeutung für die Realisierung von Teilhabe wird Barrierefreiheit auch in der von Österreich 2008 ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention umfassend als eine notwendige Eigenschaft der physischen Umwelt ebenso wie von Informations- und Kommunikationsstrukturen beschrieben.

Dem Bund kommt bei der Umsetzung dieser Anforderungen eine besondere Vorbildwirkung zu, wie sich aus § 8 Abs 2 u. 3 Bundes-Behindertengleichstellungs­gesetz ergibt:

„(2) Der Bund verpflichtet sich, die geeigneten und konkret erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu seinen Leistungen und Angeboten zu ermöglichen. Insbesondere hat er bis zum 31. Dezember 2006 nach Anhörung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation einen Plan zum Abbau baulicher Barrieren für die von ihm genutzten Gebäude zu erstellen und die etappenweise Umsetzung vorzusehen (Etappenplan Bundesbauten). Alle Bundesministerien, der Präsident bzw. die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes, des Verwaltungsgerichtshofes, des Rechnungshofes, des Nationalrates und des Bundesrates sowie die Volksanwaltschaft haben den für ihren Zuständigkeitsbereich bis 31. Dezember 2010 erstellten Teiletappenplan auf ihrer Homepage kundzumachen. Wenn der Teiletappenplan kundgemacht ist, liegt eine mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 5 Abs. 2 wegen baulicher Barrieren in vom Bund genutzten Gebäuden nur vor, soweit die Beseitigung der Barrieren in diesem Teiletappenplan vorgesehen ist und bis zum 31. Dezember 2019 noch nicht umgesetzt wurde.

(3) Die Richtlinien über die Vergabe von Förderungen des Bundes haben vorzusehen, dass bei der Vergabe von Förderungen an natürliche oder juristische Personen die Beachtung dieses Bundesgesetzes sowie des Diskriminierungsverbots gemäß § 7b BEinstG durch die Förderungswerberin oder den Förderungswerber zu berücksichtigen ist, und sichergestellt ist, dass das geförderte Vorhaben den Grundsätzen dieses Bundesgesetzes nicht widerspricht.“

 


III.   Empfehlungen des Behindertenanwaltes

Im Zusammenhang mit der geplanten Vergaberechtsreform regt der Behinderten­anwalt folgende Nachschärfungen im Sinne der Barrierefreiheit gem. UN-Behindertenrechtskonvention sowie der Verpflichtung des Bundes im Sinne des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz an:

Zu § 275 Abs 2:

§ 275 Abs 2 benennt mögliche Ausnahmen von der Verpflichtung zur barrierefreien Zugänglichkeit für Beschaffungen im Oberschwellenbereich. Eine solche Ausnahme kann gem. Zif 1 vorliegen, wenn für den Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin keine Notwendigkeit zur Nutzung durch Menschen mit Behinderungen vorgesehen ist und kann gem. Zif 2 ebenso vorliegen, wenn die geschätzten (Zusatz-)Kosten zur Erfüllung barrierefreier Spezifikationen „unverhältnismäßig“ sind.

Unter Bezug auf Zif. 1 erachtet der Behindertenanwalt die Einschätzung der Nutzung durch Menschen mit Behinderungen anbetrachts einer durchschnittlichen Nutzungs­dauer von beispielsweise 50 Jahren im Bereich von Gebäuden als äußerst schwierig.
Gleichwohl wird darauf verwiesen, dass die Kosten der nachträglichen barrierefreien Ausstattung bzw. Implementierung jene einer a priori Berücksichtigung der maß­geblichen Anforderungen je nach Art der Leistung um ein Vielfaches übersteigen könnten.

Die unter Zif. 2 angeführte Ausnahme von der Verpflichtung zur Barrierefreiheit beim Vorliegen unverhältnismäßiger Kosten wird ebenfalls kritisch gesehen, stellt diese Regelung doch eine signifikante Abweichung von der Bestimmung des § 6 Abs 3 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz dar, derzufolge beim Vorliegen unver­hältnismäßiger Belastungen zumindest zumutbare Maßnahmen im Sinne der größtmöglichen Annäherung an die Gleichstellung betroffener Personen erfolgen müssen.

Der Behindertenanwalt regt daher an, von den Bestimmungen des § 275 Abs 2 Zif 1 abzusehen und Zif 2 bei Vorliegen von Unverhältnismäßigkeit um eine Formulierung analog zu § 6 Abs 3 BGStG zu ergänzen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Erwin Buchinger