Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großer Sorge und Bestürzung habe ich das Vorhaben im Rahmen der Bildungsreform gelesen, alle Zentren für Inklusion und Sonderpädagogik aufzulösen.

Ich bin als Psychagogin derzeit in drei Wiener Volksschulen tätig zur Unterstützung von Kindern mit Problemen und Entwicklungsrückständen im sozialen und emotionalen Bereich. Jeden Tag erlebe ich, wie sinnvoll diese Arbeit mit bedürftigen Kindern ist, genauso wie die individuelle Beratung von Eltern und Lehrern, die Begleitung von Krisen, präventive Arbeit sowie die Vernetzung mit relevanten Institutionen. Damit leisten wir Psychagoginnen und Psychagogen einen wesentlichen Beitrag zur Ermöglichung von Inklusion.

Das Angebundensein in der Struktur des Zentrums für Inklusion und Sonderpädagogik Rudolf Ekstein Zentrum als Kompetenzzentrum für ständigen fachlichen Austausch, Weiterbildung und Weiterentwicklung  ist zur Sicherstellung meiner fachlich hochwertigen Arbeit mit Kindern, die besonderes Augenmerk im sozialen und emotionalen Bereich brauchen, unerlässlich!

Die Sonderpädagogischen Zentren stellen fachlich hochkompetente, bewährte und vernetzte Unterstützungsstrukturen dar. Wertvoller Erfahrungsaustausch findet hier ebenso statt wie das gemeinsame Organisieren von Fortbildungen und Weitergabe relevanter Informationen über neue Entwicklungen, die unsere spezielle Aufgabe betrifft.  Ihre Auflösung würde eine Vereinzelung von Spezialistinnen und Spezialisten bedeuten, den Verlust gemeinsamer Identität und in weiterer Folge einen Qualitätsverlust fachlich kompetenter Betreuung für alle Pflichtschulkinder in Wien.

Gerade  wenn man inklusive Beschulung möglichst vieler Kinder anstrebt und dies auch pädagogisch sinnvoll und für alle Beteiligten nützlich geschehen soll, braucht es  gute, professionelle und miteinander vernetzte Supportsysteme.

In meiner Arbeit mit Kindern, die aus verschiedensten Gründen wenig emotionale und soziale Stabilität mitbringen, erlebe ich das Anbieten einer verlässlichen, haltgebenden und nährenden Beziehung im Rahmen der psychagogischen Betreuung für diese Kinder als wertvollen Anker. Die Zeit für persönliches Gespräch über Probleme, für das Arbeiten an Coping Strategien und das Einüben neuer sozialer Skills bedeutet für sie ein Lernfeld, das ihren Selbstwert und sozial- emotionale Kompetenzen stärkt und letztlich mit wirksam ist, dass Inklusion in der Klasse gelingen kann.

Inklusion bedeutet für mich, gleiche Chancen für alle anzustreben. Inklusive Pädagogik bemüht sich, individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen gerecht zu werden. Inklusion zu Einsparungszwecken heranzuziehen, halte ich für verantwortungslos allen Kindern gegenüber.

Ohne zusätzliche Supportsysteme wird die Qualität von Unterricht in einer inklusiven Schule für alle Kinder leiden und die Burnoutrate von Lehrern steigen. Für eine qualitativ hochwertige psychagogische Arbeit braucht es auch in Zukunft das Angebundensein an eine Struktur außerhalb meiner Einsatzschulen, die mir fachlichen Austausch und ständige Professionalisierung ermöglicht.

Ich ersuche daher dringend, im Sinne der Kinder von der Auflösung der Zentren für Inklusion und Sonderpädagogik Abstand zu nehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Michaela Knor