Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in weiten Teilen keine Bildungsreform, sondern eine Verwaltungs- und Organisationsreform. Doppelgleisigkeiten zwischen Bundes- und Landesverwaltung bleiben bestehen. Die gesetzten Maßnahmen machen keine positiven Effekte für das einzelne Kind erkennbar. Der bereits existierende hohe Verwaltungsaufwand wird nicht reduziert, sondern ausgebaut.

Als Mutter und Lehrerin lehne ich deshalb die geplante Bildungsreform ab, insbesondere folgende Punkte:

Änderung Schulzeitgesetz:

Der vorliegende Gesetzesentwurf bedeutet für beide Modelle der ganztägigen Volksschulen in Wien das Ende. Die verschränkte Form der Ganztagsschule (GTVS) ist nicht mehr umsetzbar, und die nicht verschränkte Form (OVS), wird zur Verschränkung gezwungen.

10. § 5 Abs.  „(6) An ganztägigen Schulformen ist der Betreuungsteil bzw. der Unterrichts- und Betreuungsteil an allen Schultagen mit Ausnahme des Samstags bis mindestens 16.00 Uhr und längstens 18.00 Uhr anzubieten, wobei Unterrichts- und Lernzeiten nur bis 16.00 Uhr und am Freitag sowie an einem weiteren Tag, den der Schulleiter oder die Schulleiterin schulautonom festzulegen hat, nur bis 13.00 Uhr vorgesehen sein dürfen. Während der Unterrichtsstunden (einschließlich der dazugehörigen Pausen) für die zum Betreuungsteil angemeldeten Schüler entfällt die Betreuung. Eine Stunde des Betreuungsteiles umfasst 50 Minuten und die Dauer einer allenfalls vorangehenden Pause. Aus Gründen der pädagogischen Zweckmäßigkeit oder aus organisatorischen Gründen kann die Dauer einzelner oder aller Stunden des Betreuungsteils durch den Schulleiter oder die Schulleiterin an einzelnen oder allen Unterrichtstagen unter Beachtung der lehrplanmäßig für den Betreuungsteil vorgesehenen Wochenstundenzahl auch mit weniger oder mit mehr als 50 Minuten festgelegt werden.“

§ 45 1 bis 6 SchUG: „Das Fernbleiben vom Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen ist nur zulässig .... wird ergänzt um Abs.7 lit c) auf Verlangen der Erziehungsberechtigten, wenn es sich um Randstunden handelt, die Freizeitstunden sind.“

Die Veränderung des Schulzeitgesetzes trägt in keinster Weise zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei, sondern im Gegenteil macht aus der OVS eine „Zwangstagsschule“ ohne einer adäquaten kindgerechten Betreuung und Gestaltung der Freizeit. Es macht es Eltern unmöglich flexibel ihr Kind von der Schule abzuholen und so wertvolle Zeit mit ihrem Kind zu verbringen. Unregelmäßige Dienstzeiten (z.B Schichtdienst, Saisonale Arbeit, auch der Lehrberuf!!,…) der Eltern werden nicht berücksichtigt.

Das neue Schulzeitgesetz stellt für Wiener ganztägige Schulformen (GTVS, Campus und OVS) eine Einschränkung der autonomen Gestaltungsmöglichkeiten dar und führt zu einer qualitativen Verschlechterung.

Für die nicht verschränkte Form - OVS - ergibt das eine notwendige Erweiterung des Unterrichts auf mindestens einen Nachmittag oder an einem Tag Unterrichtsschluss um 11:00, da derzeit Essen plus Lernzeit als „Paket“ gebucht werden müssen. Auch in dieser Schulform ist das gesamtpädagogische Konzept (siehe Leitfaden „Betreuungspläne ganztägige Schulen“ BMB 2.5) nicht mehr durchführbar.

Für die Praxis bedeutet dies, dass in GTVS, Campus und OVS räumliche, zeitliche und personelle Engpässe (Turnsäle, Speisesäle, LehrerInnen mit mehreren Schulstandorten,…) entstehen. Zudem ergeben sich zwangsweise pädagogisch wertlose Stundenpläne für die SchülerInnen.

 

Sonderpädagogik

Zu Z 29 (II. Hauptstück Teil A Z 3 lit. c, § 27a – Zentrum für Inklusiv- und Sonderpädagogik):

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen die Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik aufgelöst und deren Aufgaben unmittelbar von den Bildungsdirektionen wahrgenommen werden.

Die SchulleiterInnen befürchten mit der Besetzung der Bildungsdirektion eine Verlagerung- weg von Pädagogik, hin zu juristischen, verbeamteten Entscheidungen.

Der sonderpädagogische Förderbedarf soll abgeschafft werden. Das bewährte System unter Einbindung des schulpsychologischen Dienstes und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, Kindern mit besonderen Bedürfnissen Unterstützung angedeihen zu lassen, wird nicht mehr existieren.
Es wird ein qualitiativ hochwertiges Supportssytem abgeschafft und hoch qualifizierte SonderpädagogInnen sollen durch billige Assistenzkräfte („Hilfslehrer“) ersetzt werden. Sowohl Erziehungsberechtigte, als auch LehrerInnen und SchulleiterInnen verlieren dadurch ihre fachlich hochkompetenten AnsprechpartnerInnen in der Region. Leidtragende sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, da die derzeit individuell abgestimmte Beschulung und Betreuung verloren gehen.

Diese qualitative Verschlechterung für die SchülerInnen kann nicht unterstützt werden. Die SchulleiterInnen lehnen die Auflösung der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik ab.

 

Ressourcenzuteilung:

Die Zuteilung von LehrerInnenstunden für Zusatzangebote sind in der Gesetzesvorlage auf die Zahl der SchülerInnen, das Bildungsangebot, den sozio-ökonomischen Hintergrund, den Förderbedarf, den Gebrauch der Bildungssprache und die regionalen Bedürfnisse beschränkt. Dafür bedarf es einer klaren, transparenten Definition.

Wir fordern, dass die Ressourcenzuteilung sowohl nach den individuellen Bedürfnissen der SchülerInnen, als auch nach der Anzahl der Klassen (Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, …) gewährleistet sein muss. Die Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der SchülerInnen entspricht nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

 

Es handelt sich bei dieser Reform um keine durchdachte Sache, sondern viel mehr um eine Sparmaßnahme auf dem Rücken von Kindern, Eltern und LehrerInnen.

Ich lehne diese Reform massiv ab.

 

Cornelia Möbius BEd