Betrifft:

Stellungnahme zum Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 hinsichtlich des Schulwesens, das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz, das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz

und das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert werden, ein Bundesgesetz über die Einrichtung von Bildungsdirektionen in den Ländern erlassen wird, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Schulorganisationsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz, das Schulzeitgesetz 1985, das Minderheiten-Schulgesetz für das Burgenland, das Minderheiten-Schulgesetz für Kärnten, das Bundesgesetz BGBl. Nr. 420/1990, das Schulunterrichtsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge, das Hochschulgesetz 2005, das Schulpflichtgesetz 1985, das Berufsreifeprüfungsgesetz, das Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, das Schüler-beihilfengesetz 1983, das Privatschulgesetz, das Religionsunterrichtsgesetz, das Bildungs-dokumentationsgesetz, das Schülervertretungengesetz, das BIFIE-Gesetz 2008 sowie das Bildungsinvestitionsgesetz geändert werden und das BundesSchulaufsichtsgesetz

aufgehoben wird (Bildungsreformgesetz 2017 – Schulrecht);

 

Begutachtungs- und Konsultationsverfahren Bezug: AZ BMB-12.660/0001-Präs.10/2017

 

Mit der Veröffentlichung meiner Stellungnahme erkläre ich mich ausdrücklich einverstanden!

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Mein Name ist Lisa Schlager und ich bin Volksschullehrerin in der Wiener Sprachheilschule im 3. Bezirk. An einem Standort, der aufgelöst werden soll. Ein Vorhaben mit gravierenden Folgen, wenn man mich fragt. Ich nutze hiermit mein Recht als Bürgerin meine Meinung zu diesem Gesetzesentwurf bzw. Begutachtungsentwurf zu äußern, da ich, wie sehr viele meiner Kollegen, von diesen Änderungen betroffen bin.

Ich möchte Ihnen ein bisschen über meine Klasse, meine wertvolle und unersetzbare Sonderschulkollegin und meine Arbeit erzählen – über meinen ganz normalen Arbeitsalltag, der Ihnen vielleicht ein bisschen vor Augen führen soll, wie ein Alltag in einer Integrationsklasse tatsächlich aussieht und wie unabdingbar Sonderschulpädagogen sind, da Sie bzw. die Herrschaften, die diesen Entwurf gestaltet haben, keinen Einblick in den Schulalltag einer Integrationsklasse haben.

 

In unserer Klasse sind 21 Kinder, davon ist ein Kind ein Autist und 5 Kinder haben einen SPF-Sprache. Zwei dieser Kinder haben einen Sonderschullehrplan, einer wird vermutlich sogar auf den Schwerstbehindertenlehrplan umgestellt werden. Der Rest der Kinder teilt sich dann noch in gute, durchschnittliche und schwache Arbeitsgruppen auf. Wie man hier erkennen kann, ist viel Differenzierung und Individualisierung gefragt und notwendig, damit jedes Kind so gefördert und gefordert wird, wie es benötigt.
In unserem Team kümmert sich jeder um jedes Kind – wir unterscheiden nicht zwischen einem „normalen“ Volksschulkind und einem Integrationskind, jeder bekommt dieselbe Aufmerksamkeit und Unterstützung. Jedoch bin ich nicht in der Lage meine Integrationskinder sprachlich richtig zu fördern, da ich nicht die Ausbildung dazu habe. Meine Kollegin fördert und unterstützt die Kinder, die Schwierigkeiten bei Lautbildungen, Aussprache, uvm. haben, wunderbar und vorbildlich. Neben der SPF-Kinder gibt es ja noch Kinder, die einen anderen Lehrplan haben. Da ich schon für 19 Kinder differenzierte und individuelle Wochenpläne erstellen und schauen muss, dass ich dem Druck des Lehrplans gerecht werde, kann ich mich nicht noch um die Lehrplanumsetzung bei Kindern mit einem anderen Lehrplan kümmern. Hier geht es nicht um das Wollen, sondern um das Können. Es ist einfach nicht machbar. Ich merke das, wenn meine Kollegin krankheitsbedingt ausfällt: hier werden diese Kinder mit Stoff konfrontiert, den sie bereits erarbeitet und gelernt haben. Aber trotzdem brauchen diese Kinder Unterstützung und Hilfe bei der Bewältigung ihrer Arbeit, zusätzlich zu 19 anderen Kindern, denen ein neuer Stoff vermittelt werden oder bei der Lösung kleiner Probleme geholfen werden muss. Aber das schaffe ich als Volksschullehrerin alleine nicht. Ich würde mich da gerne in mehrere Teile teilen, aber das ist leider unmöglich.

Die Arbeit der Sonderschulpädagogen ist nicht zu unterschätzen und auch in keinster Weise qualitativ wertvoll zu ersetzen!

Ich befürchte, dass es in Zukunft sehr schwer für Volksschulpädagogen wird, wenn wir alleine für so viele Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen verantwortlich sind. Vor allem bedenklich und zusätzlich erschwert wird das Ganze noch durch die freiwählbare Klassenhöchstzahlen, die ja auch im Entwurf thematisiert werden. Wie sollen die zuvor geschilderten Situationen von einem Volksschullehrer getragen werden, der dann vielleicht mit 30 Kindern in der Klasse ist? Würde dann, zusätzlich zum VS-Lehrer, sporadisch anderes Personal in der Klasse sein und mit Kindern arbeiten, zu denen sie keinen Bezug haben, die sie gar nicht kennen? Wie sollen Kinder Vertrauen zu demjenigen aufbauen, wenn er nicht immer bzw. regelmäßig im Unterricht dabei ist? Wechselndes Personal löst bei den betroffenen Kindern sehr viel Unruhe aus und erschwert das Arbeiten erneut. Die Kinder müssen sich auf den Lehrer verlassen können, aber das würde mit der angedachten Umstrukturierung nicht funktionieren!

 

Wenn dieser Entwurf so im Parlament angenommen wird, vermute ich, dass

1. entweder der Druck des Lehrplans dann so groß wird, dass der Volksschullehrer seinen Stoff durchpeitschen muss, ohne auf Differenzierung und Individualisierung Rücksicht zu nehmen und nur die Kinder mitkommen, die von zuhause die notwendige Unterstützung erhalten und der Rest wird auf der Strecke bleiben, oder dass

2. der Volksschullehrer das Level seines Unterrichts an die Schwächsten anpasst, damit alle dieselben Voraussetzungen und Chancen haben. Das Level wäre für die schwachen bzw. durchschnittlichen Kinder ideal, die guten würden komplett unterfordert sein und sich langweilen.

Es wird die Qualität des Unterrichts massiv leiden und das wäre ja hoffentlich im Sinne niemandes. Ich hoffe wirklich nicht, dass es so sein wird, aber es wäre leider durchaus vorstellbar. Diese beiden Bilder sind sicher nicht in Ihrem Interesse und möchten Sie genau so wenig wie ich vorgezeichnet bekommen – sie lösen bei mir Unbehagen und Unsicherheit aus. Deswegen appelliere ich für den Erhalt der ZIS-Standorte und der Sonderschulpädagogen!

 

Diese Bildungsreform stellt eine Strukturreform dar, die aufgrund der Auflösung der ZIS-Standorte, den Verlust von fachlich hoch kompetenten, bewährten und dringend benötigten pädagogisch unverzichtbaren Betreuungsstrukturen für SchülerInnen mit erhöhtem Förderbedarf.

Das bedeutet den Verlust von hoch kompetenten dringend notwendigen und bewährten Supportsystemen auch für ALLE Regelschulkinder in Wien in den folgenden Jahren!!!!

 

Alle ambulanten , wie Sonderpädagogische Beraterinnen und Berater, Psychagoginnen und Psychagogen, Beratungslehrerinnen und –lehrer, Sprachheillehrerinnen und -lehrer, Heilstättenlehrerinnen und -lehrer, Intensivpädagoginnen und –pädagogen, Autistenmentorinnen und –mentoren, Stützlehrerinnen und –lehrer, mobile Lehrerinnen und Lehrer für sinnes- und körperbehinderte Kinder sind davon gefährdet.

Es werden 78 % aller SchülerInnen inklusiv betreut!

 

Es bedeutet für die Wiener Sprachheilschule mit jährlich rund 4500 ambulant, inklusiv und niederschwellig betreuten SchülerInnen die Ausdünnung der fachlichen Kompetenzen, damit eine Gefährdung des Schriftspracherwerbs, daraus resultierende Dauerdefizite und damit eine Bildungspolitik 2. Klasse !

 

Eine kurzsichtige, nur auf Kostenneutralität hin ausgerichtete Bildungspolitik führt zur Notwendigkeit (lebens)langer Unterstützungsmaßnahmen für beeinträchtigte Menschen. Diese Kosten werden die jetzt eingesparten Beträge bei weitem übersteigen.

 

Wie Sie gemerkt haben, ist mir der Erhalt der ZIS-Standorte ein großes Anliegen und ich hoffe sehr, dass meine Resolution irgendwo ein Gehör findet und das ein oder andere Vorhaben abgeändert wird. Ich kann mit meinem Schreiben vermutlich nichts ändern, aber ich kann einen kleinen Anstoß zum Nachdenken geben.

 

Ich verbleibe mit hoffnungsvollen Grüßen,

Lisa Schlager, BEd