S.g. Damen und Herren,

als kleinstes Rädchen im System, nämlich als Lehrerin (Sonderpädagogik) - stehe ich dennoch näher an der Realität, und zwar jeden Tag, als es viele Politiker tun.

Tagtäglich erlebe ich Schüler/Innen mit besonderen Bedürfnissen, die sich auch eine besondere Betreuung verdient haben - denn würden sie in einer Integrations/Inklusionsklasse bestehen, wären sie nicht bei uns in einem ZIS.

Es ist ein unglaublicher Irrtum, dass jedes Kind in einer Großgruppe (inklusiv) beschult werden kann. Viele Kinder und Jugendliche fühlen sich sehr viel wohler, wenn sie auf sie speziell zugeschnittene Rahmenbedingungen sowie einen intensiven Beziehungsaufbau erleben dürfen, eine individuelle Betreuung erfahren dürfen, ein antidiskriminierendes Umfeld ihr Eigen nennen dürfen, spezielle Förderung erhalten und dadurch ihr Selbstwertgefühl wieder steigt.

So werden aus langjährigen Schulverweigerern schlussendlich doch noch Arbeitnehmer und vor allem eigenständige Menschen trotz Behinderungen/Beeinträchtigungen, so werden aus frustrierten Kindern dann doch lebensfrohe Jugendliche. Dies ist doch sicher auch ein Ziel in der Politik? Arbeitnehmer statt Arbeitslose zu haben.

Viele Aufgaben die das Elternhaus versäumt hat, holen wir oft mühevoll nach. Müssen dabei gegen teils harte Fronten kämpfen zum Wohle der Kinder, bedenke ich Missbrauch, Vernachlässigung und Verwahrlosung - welches zu unserem Jobbild genauso dazugehört, wie die Portion Idealismus, gerne dagegen anzukämpfen und engmaschig mit sozialen Institutionen und dem Jugendamt zusammenzuarbeiten.

Blicke ich näher auf die verschiedenen Behinderungsarten und ihre jeweils spezifischen Bedürfnisse, so macht es einen massiven Unterschied zB zwischen einem Down-Syndrom Kind und einem autistischen. Die Förderung wie der Umgang mit ihnen ist ein gänzlich anderer. Doch auch die Lehrerausbildung wurde bereits so umgestellt, dass dieses Spezialwissen immer weniger vermittelt wird. Ich fürchte um die adäquate Förderung dieser Menschen - da mir meine lange Berufserfahrung zeigt, dass es genau jene sind, die so "speziell" sind, dass sie im Regelsystem untergehen werden ohne genau jenes sonderpädagogisches Fachwissen seitens der Lehrer.

Integration und Inklusion - eine wichtige Sache... doch nicht für alle Kinder passend!

 

Jeder Mensch ist anders - zählt das Menschenrecht denn gar nicht, anders sein zu dürfen?

 

Muss man denn Zwang ausüben auf die ohnehin schon ärmsten Kinder - oft am untersten Rande der gesellschaftlichen Sozialschicht?

Wir, die mit Sonderschülern/Innen arbeiten, haben keine große Lobby - denn genau unser Schülerklientel ist es teils im Großraum Wien, welches kaum Eltern hat - die sich in der Art um ihre Kinder kümmern, dass sie für sie Partei ergreifen und sich politisch wehren könnten. Viele dieser Kinder schützen WIR vor Vernachlässigungen - und so ist es anscheinend auch wieder an uns Lehrern, für diese Kinder zu sprechen, denn sonst haben sie leider manchmal nicht einmal mehr Menschen, die sich ihrer Sorgen, Probleme und Ängste annehmen. Das Elend welches vielen Kindern begegnete ist wie eine Bürde für uns zu tragen - und doch machen wir dies jeden Tag mit Leidenschaft und Hingabe. WENN MAN UNS LÄSST!


 

Die Dankbarkeit und Herzlichkeit die uns andererseits von Eltern mit behinderten Kindern begegnet, da ihre Kinder in Großklassen untergehen würden, zeigt uns wie wichtig ein ZIS auch in Zukunft sein wird.

Mit freundlichen Grüßen, Nora L.