Sigi Gierzinger

Pflichtschullehrer und Personalvertreter

 

23. April 2017

Bundesministerium f Bildung

Minoritenplatz 5

1010 WIEN

per E-Mail begutachtung@bmb.gv.at

Zahl (Bitte im Antwortschreiben anführen)

2017-04-23/priv/01

 

Betreff

Bildungsreformgesetz 2017 - STELLUNGNAHME

Bezug

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zum Begutachtungsentwurf betreffend das Bildungsreformgesetz 2017 erlaube ich

mir folgende Stellungnahme:

 

Allgemeines

Bei dem unter dem Begriff „Autonomiepaket“ vorgelegten Paket zur Bildungsreform

handelt es sich -anders als von der Politik der Öffentlichkeit vermittelt- in weiten

Teilen um ein Struktur- und Verwaltungspaket, dessen Maßnahmen unter dem Diktat

der Kostenneutralität stehen. In kaum einem Bereich ist ersichtlich, wie sich durch

dieses Paket die Lernsituation der Schüler/innen verbessern soll.

In zahlreichen Punkten (etwa Evaluation und Dokumentationsaufwand) ist

noch mehr Verwaltungsaufwand als bisher zu erwarten bzw. zu befürchten.

Mit keiner Zeile des Entwurfes wird der bisher schon belastende

Verwaltungsaufwand reduziert.

Zur Lösung der Probleme, mit denen Schule tagtäglich konfrontiert ist, tragen die

vorgesehenen Gesetzesänderungen nicht bei.

Österreichs Schulwesen ist unverständlicher Weise massiv unterfinanziert.

Innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten wurde der Anteil des Brutto-

Inlandsprodukts, der dem Schulwesen zur Verfügung steht, drastisch, nämlich von

4,3 % auf 3,2 %, gekürzt.

Im selben Zeitraum wurde in den Niederlanden, einem oft zitierten Vorzeigeland

für Schulautonomie, der BIP-Anteil von 3,1 % auf 3,8 % erhöht.

Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen

brauchen, um effektiv autonom gestalten zu können

Beispielsweise sei folgendes erwähnt:

Mehr Freiheit in der Methodik und Pädagogik am Standort

für guten Unterricht durch weniger Verwaltung und Bürokratie

durch Support für Leiter/innen, Lehrer/innen und Schüler/innen

durch eine Vielfalt hochwertiger Fortbildungsangebote

durch mehr Ressourcen für zusätzliche Unterrichtsangebote

durch verlässliche Rahmenbedingungen

Die Gesetzgebung sowie die Schulverwaltung haben im Schulbereich aber bislang

die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und zusätzliche Ressourcen nicht

bereitgestellt. Dennoch haben engagierte Pädagogen/innen die Herausforderungen

angenommen und so gut es geht bewältigt.

Damit Österreichs Schulwesen über Ressourcen verfügt, die dem OECD-Mittelwert

(3,8 %) entsprechen, müssten ihm jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich zur

Verfügung gestellt werden.

Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen brauchen,

um Autonomie tatsächlich leben zu können.

Ich lehne eine „autonome Mangelverwaltung“ -wie sie hier vorliegt- ab.

Das Bildungsreformgesetz 2017 gefährdet die wertschätzende, erfolgreiche und vor

allem am Kind orientierte Arbeit von Lehrern/innen.

Ich halte es für einen Irrglauben, dass eine Struktur- und Verwaltungsänderung den

Unterricht direkt am Kind verbessert.

Was es für guten Unterricht braucht, sind motivierte Lehrerinnen und Lehrer,

ausreichend Mittel und Personalressourcen, respektvoller und achtsamer Umgang,

Eingehen auf individuelle Bedürfnisse, und dergleichen mehr.

Autonome Schulen, die nur autonom die Mangelressourcen verwalten dürfen, ein

wenig flexibler die Dauer der Unterrichtsstunden einteilen dürfen (viele Schulen

haben schon lange die Pausenglocken abgeschafft) oder den Unterrichtsbeginn nach

vorne oder hinten verlegen dürfen, verdienen diesen Namen meines Erachtens

nicht.

Autonomie bedeutet für mich auch, einen gesetzlichen wie auch finanziellen

Handlungsspielraum zu haben, wo je nach Bedarf z.B. Assistenzpersonal wie

Schulsozialarbeiter/innen zusätzlich angestellt werden kann und nicht anstelle von

Lehrpersonal.

Es ist für mich völlig ungeklärt, wie die versprochene Autonomie mit den

bestehenden bescheidenen Ressourcen umsetzbar sein soll.

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in weiten Teilen keine Bildungsreform,

sondern eine Verwaltungs- und Organisationsreform. Doppelgleisigkeiten zwischen

Bundes- und Landesverwaltung bleiben weiterhin bestehen.

Der bereits existierende hohe Verwaltungsaufwand wird nicht reduziert, sondern

vielmehr weiter ausgebaut.

Die gesetzten Maßnahmen lassen für mich keine positiven Effekte für das einzelne

Kind erkennen.

Ich fordere, dass die Ressourcenzuteilung sowohl nach den individuellen

Bedürfnissen der einzelnen Schüler/innen als auch nach der Anzahl der Klassen

(Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, …) gewährleistet sein muss. Die

Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der Schüler/innen entspricht

nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

Die oftmals geforderte und angekündigte Verwaltungsvereinfachung kann ich durch

die Schaffung von Bildungsdirektionen keinesfalls erkennen.

Bildungsdirektoren/innen werden Leiter/innen der größten Dienststellen in ganz

Österreich. Es können daher wohl nur machtstrategische Überlegungen von Bund

und Länder sein, dass diese hohe Funktion nicht nach den Regeln des

Ausschreibungsgesetzes besetzt werden soll, das bei der Besetzung aller anderen

hohen Bundesfunktionen zur Anwendung gelangt.

Ich fordere deshalb die sinngemäße Anwendung des Ausschreibungsgesetzes bei der

Besetzung der Bildungsdirektion.

Unter der Prämisse der Kostenneutralität für das gesamte Paket ist zu befürchten,

dass zusätzliche Kosten für die Bildungsdirektionen zu Lasten der Schulen gehen.

Das lehne ich entschieden ab.

Die verpflichtende Einrichtung eines elektronischen Postfaches, „welches die

Information der Bediensteten und deren Erreichbarkeit ermöglicht“ erscheint mir

wenig sinnvoll, solange in den Schulen nicht eigene Computerarbeitsplätze für

alle Lehrer/innen zur Verfügung stehen.

Ich befürchte mit der Besetzung des Präsidialabteilung durch Juristen eine massive

Verlagerung der Schwerpunktsetzung weg von pädagogischen, hin zu juristischen

Sichtweisen.

Meine Meinung ist, dass juristische statt pädagogischer Sichtweisen nicht den

Bedürfnissen der Kinder entsprechen.

Für einen offenen Dialog, der der Verbesserung unseres Schulsystems dient und den

Schülern/innen Perspektiven eröffnet, stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

Die dringende Notwendigkeit, zusätzliches Supportpersonal bedarfsgerecht an die

Schulen holen zu können (Sozialarbeiter/in, mehr Schulpsycholog/innen, …), wird

nur über die Einsparung von Unterrichtsstunden und nur in Clusterschulen

ansatzweise möglich und daher von mir abgelehnt.

Die plakativ angekündigte Verringerung der politischen Einflussnahme lässt sich aus

dem Gesetzesentwurf nicht herauslesen, etwa erfolgt die Bestellung des

Präsidenten/der Präsidentin der Bildungsdirektion ohne Objektivierungsverfahren.

Die politische Vertretung hat ein Weisungsrecht gegenüber der Bildungsdirektion.

Die politische Einflussnahme auf den einzelnen Schulstandort ist daher leicht

möglich.

Der vorliegende Gesetzesentwurf wäre im Allgemeinen zu begrüßen, wenn es hier

um echte Autonomie und den wirklichen Wunsch nach Veränderungen gehen würde.

Doch werden hier lediglich Titel und Aufgaben umbenannt, die oft genannten

Bildungsdirektionen sind hierbei nur ein Beispiel.

Zusätzlich vermisse ich den notwenigen Bürokratieabbau in Sachen

Kompetenzzersplitterung auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.

Bei der Konzeption des nun vorgelegten Schulrechtspakets werden umfassende

Organisations- und Verwaltungsänderungen vorgesehen, welche tief in

schulorganisatorische Verfassungsbestimmungen eingreifen. Zugleich wurde

verabsäumt, die betroffenen Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern gebührend

einzubeziehen.

Durch die mangelnde Teilhabe kann keinesfalls von der Treffsicherheit und auch

nicht von der Bereitschaft der Betroffenen zur Umsetzung der vorgegebenen

Gesetzesmaßnahmen ausgegangen werden.

Direktoren/innen, die in den letzten Jahren mit viel Einsatz ihre Schulen durch alle

Notwendigen (und auch weniger notwendigen) Entwicklungen geführt haben, sind

die großen Verlierer der Reform und werden zum „Auslaufmodell“.

Zugunsten einiger „Clusterdirektoren/innen“ werden geschätzte zwei Drittel aller

Schulen ohne Direktion auskommen müssen (stattdessen werden Lehrer/innen als

„Bereichsleiter/in“ eingesetzt). Die dadurch erzielten Einsparungen finanzieren die

Schulautonomie.

Es ist besonders bedenklich und auch enttäuschend, dass mit der

aktuellen Reform ausdrücklich nicht ins Bildungssystem investiert wird.

Aus pädagogischer Sicht bringt das vorliegende Gesetzespaket den Schülern/innen

und Lehrern/innen nicht die erwarteten Hilfestellungen für die Hauptanliegen der

Schulen und bietet nicht das Vertrauen und die Freiräume für eine gelingende

Schulentwicklung.

Zudem werden in den nächsten Jahren zusätzliche große Kraftanstrengungen zur

Umsetzung einer in den pädagogischen Wirkungen höchst zweifelhaften Reform

erforderlich.

Es gehen Kräfte verloren, die das Schulsystem zur Bewältigung der bestehenden

Aufgaben dringend braucht.

Ich lehne das in dieser Fassung vorliegende Gesetzespaket in seiner

Gesamtheit ab.

Clusterbildung

BM Mag. Dr. Sonja Hammerschmid hat in den Medien wiederholt betont, der

Zusammenschluss von Schulen zu einem Schulcluster erfolge ausschließlich

freiwillig. Der Gesetzesentwurf hingegen erlaubt auch eine Verclusterung gegen

den Willen der Betroffenen (§ 8f Abs. 3 und Abs. 4 SchOG), was von mir strikt

abgelehnt wird.

Ich lehne Schulverclusterung ab, weil sie nur zusätzlichen Administrationsaufwand

bringt und die Kommunikation zwischen den neuen Leiter/innen und den

unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrern deutlich verschlechtert.

Bei derart großen Einheiten ist eine Leitung jedes Einzelbereichs weiterhin

unabdingbar, die Cluster-Leiter/innen stellen daher nur eine weitere zusätzliche

Verwaltungsebene dar. Sie werden zudem viel schwerer erreichbar sein als die

Direktor/innen bisher. Verbesserungen sind im Vergleich zur Ist-Situation für mich

nicht erkennbar.

Die Einrichtung eines Clusters gegen den Willen der Betroffenen halte ich

für gänzlich inakzeptabel. Der schwammige Begriff „zweckmäßig“ öffnet einer

willkürlichen Interpretation in Zukunft Tür und Tor.

An den zum Cluster gehörenden Schulstandorten können die durch Reduktion ihrer

Unterrichtsverpflichtung (von der Clusterleitung allenfalls per Weisung)

eingesetzten Bereichsleiter/innen in den wenigen Stunden nicht im ausreichenden

Maße verantwortungsvoll den schulischen Tagesablauf organisieren und

koordinieren, wichtige Ansprechperson vor Ort sein oder Probleme und Konflikte

am Standort lösen.

Das alles ist aber das Alltagsgeschäft eines/r Leiters/in. Zudem haben sie keinen

Anspruch auf administratives Personal, wie dies eine Clusterleitung hat.

Es ist zu befürchten, dass ein Großteil der Verwaltungsaufgaben von ohnehin schon

mit einer Vielzahl an administrativen Arbeiten belasteten Lehrern/innen

übernommen werden muss.

Die eingesparten Schulleitungsstunden können dann die Clusterleitungen in

Verwaltungspersonal umwandeln.

Die Bereichsleitung an Schulstandorten steht im Dilemma, Führungsaufgaben zu

übernehmen, aber selbst Teil des Lehrkörpers zu sein. Die geplanten Aufgaben der

Bereichsleitung reichen bei weitem nicht aus, um den täglichen Anforderungen an

einem Schulstandort gerecht zu werden. Die im Alltag tatsächlich anfallenden

Aufgaben in wenigen Stunden pro Woche zu leisten, ist nicht möglich

Die Einführung der ebenfalls gelobten "Schulcluster" führt viel mehr zu einem

Zentralismus, der verwaltungstechnisch (z.B. Fahrtkosten bei Einsätzen eines/r

Lehrers/in an mehreren Schulen) und pädagogisch( z.B. ständiger Wechsel des

Lehrumfeldes) vieles komplizierter machen würde.

Außerdem geht die Individualität der einzelnen Schule als Qualitätsmerkmal im

Sinne einer gesunden Konkurrenz gegenüber anderen Schulstandorten verloren

Allgemein ist zum Reformpaket zu sagen, dass es überhaupt nicht auf die

tatsächlichen Probleme des Schulalltags eingeht.

Durch Einsparung von Schulleitern/innen administrative Hilfskräfte zu finanzieren,

wird von mir abgelehnt.

Der wichtigen Funktion der Schulleiter/innen als kompetente Entscheidungsträger

vor Ort, als Ansprechpartner für Erziehungsberechtigte und Schüler/innen sowie als

Support für Lehrkräfte wird im vorliegenden Gesetzesentwurf in keiner Weise

Rechnung getragen.

Die Arbeit von Schulleitern/innen ist durch administrative Hilfskräfte nicht zu

ersetzen. Allerdings benötigen Schulleiter/innen Unterstützung durch

professionelle administrative Hilfskräfte, um sich zeitlich für fundamentale

Aufgaben wie Schulentwicklung und Qualitätssicherung freizuspielen.

Meine Forderung ist daher zusätzliches administratives Personal für alle Schulen.

Ich fordere zudem eine gesetzliche Gleichstellung von Schulleitung und

Clusterleitung, im Hinblick auf administrative Unterstützung.

Mit der Zusammenfassung von bis zu acht Schulen zu Clustern (mit einer

Clusterleitung) wird eine Rezeptur aus der Wirtschaft zu Fusions- und

Rationalisierungsmaßnahmen in die Schule hineingetragen, die aber

pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Gesichtspunkten zuwider

läuft. Einen pädagogischen Nutzen kann ich daraus nicht ableiten.

Die Clusterung der österreichischen Schullandschaft mit der Schaffung von überund

unterrangigen Schulstandorten bedeutet eine deutliche Schwächung der

kleinen Schulen und führt über kurz oder lang zur Schließung von Kleinschulen (77%

aller Pflichtschulen und 16% aller Bundesschulen haben weniger als 200

Schüler/innen und gelten im Reformpaket sinngemäß als „Kleinschulen“). Aus

wirtschaftlicher Sicht mag das ein gewünschter Effekt sein, es ist keinesfalls eine

pädagogische Maßnahme! Die Maßnahme läuft auch eindeutig dem Bestreben

zuwider, den ländlichen Raum zu beleben und zu erhalten und wird daher von mir

massiv abgelehnt. Ich sehe den vorliegenden Entwurf als einen massiven Anschlag

auf das bestehende Salzburger Schulwesen mit seinen durch die regionalen

Gegebenheiten erforderlichen kleinen Schuleinheiten.

Ausweitung der Beaufsichtigung durch „Änderung des Schulzeitgesetzes

§3 Abs. 3: „Der Schulleiter oder die Schulleiterin kann nach den beruflichen

Erfordernissen der Erziehungsberechtigten und nach infrastrukturellen

Gegebenheiten vorsehen, dass vor Beginn des Unterrichts und nach dem Ende

des Unterrichts sowie an den gemäß § 2 Abs. 5 schulfrei erklärten Tagen eine

Beaufsichtigung von Schülerinnen und Schülern in der Schule durch geeignete

Personen gemäß § 44a des Schulunterrichtsgesetzes erfolgt.“

Die Ausweitung der Beaufsichtigung wird von mir abgelehnt, da das gesamte Paket

als aufkommensneutral bezeichnet wird und es nicht erkennbar ist, wie zusätzliche

Beaufsichtigungen ohne zusätzliche Ressourcen organisiert werden können. Hier

werden den Schulleiter/innen Verantwortlichkeiten auferlegt, ohne dass ihnen die

erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Klassen- und Gruppengröße

Die Aufhebung der Klassenschülerhöchstzahlen und der Eröffnungs- und

Teilungszahlenverordnung wird von mir abgelehnt.

§ 8a SchOG (Festlegung der Klassen- und Gruppengrößen durch die Schulleitung für

das nächste Schuljahr) soll mit 1. September 2018 in Kraft treten, also erstmals für

das Schuljahr 2018/2019 gelten. Ich fordere, dass entsprechende legistische

Vorkehrungen getroffen werden, damit das in § 8a Abs. 2 SchOG vorgesehene

Prozedere (Befassung des Schulgemeinschaftsausschusses spätestens vier Wochen

vor Ende des Unterrichtsjahres) schon im Juni 2018 wirksam wird und dass neben

dem Einvernehmen mit dem Schulforum / SGA auch das Einvernehmen mit dem

Dienststellenausschuss notwendig ist.

Die Streichung etwa der Klassenschüler-Höchstzahl von 25 stellt keine Verbesserung

der Betreuungssituation dar.

Durch die Abschaffung der gesetzlichen Regelung der Klassenschülerhöchstzahlen

und Klassenteilungszahlen wird tief in die Strukturen jeder Schule eingegriffen.

Durch diese Deregulierungsmaßnahmen ergibt sich aber nicht eine Stärkung der

Eigenverantwortung und Autonomie an den Schulstandorten, sondern die

Abhängigkeit von einer neuen zusätzlichen Verwaltungsebene „Clusterleitung“.

Flexibilisierung der 50-Minuten-Stunde

§ 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 6 Schulzeitgesetz sieht die „Flexibilisierung der 50-Minuten-

Stunde“ im Bundesschulbereich vor. Im Ministerratsvortrag vom 18. Oktober 2016

heißt es dazu wörtlich:

„Die 50-Minuten-Stunde soll pädagogisch geöffnet werden und sie bleibt

Berechnungsgröße für die Personalbewirtschaftung und Ressourcenzuteilung. Für

eine entsprechende Öffnung bedarf es der Zustimmung des

Dienststellenausschusses.“

Die Zustimmung des Dienststellenausschusses ist im Gesetz zu verankern.

Ganztägige Schulformen

Die in § 5 Abs. 6 Schulzeitgesetz vorgesehene Änderung (Unterrichts- und

Lernzeiten an Freitagen sowie an einem weiteren Wochentag nur bis 13 Uhr)

bewirkt, dass Schüler/innen an anderen Tagen 8 Stunden Unterricht haben und an

diesen Tagen keine Freizeit bleibt, was zu einer erheblichen Mehrbelastung für die

Schüler führt.

Dadurch wird auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Unverbindlichen Übungen

stark eingeschränkt.

Ich halte es für geradezu skurril, derart einschränkende Bestimmungen in ein

„Autonomiepaket“ aufzunehmen und fordere daher, diese einschränkende

Bestimmung zu streichen oder „13.00 Uhr“ durch „14.00 Uhr“ zu ersetzen.

Schulpartnerschaft

Ich lehne die Eingriffe in die Entscheidungsbefugnisse der Schulpartner

ab. Sowohl die Rechte als auch das Verfahren sollen unverändert bestehen bleiben

Die Verantwortung wird auf die Schulcluster und Schulleiter/innen abgewälzt und

die Schulpartnerschaft entdemokratisiert.

Einer Beschneidung der Kompetenzen der Schulpartner stehe ich ablehnend

gegenüber.

Wegfall § 27a SchOG – Wegfall der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik

Die Streichung des §27 a SchOG bewirkt, dass die Zentren für Inklusiv-und

Sonderpädagogik aufgelöst werden. Diese Aufgaben werden von den neuen

Bildungsdirektionen wahrgenommen werden. Damit werden juristische

Entscheidungen getroffen und die Pädagogik wird ihren Stellenwert verlieren.

Ein wichtiges und gut funktionierendes Supportsystem wird nicht mehr existieren.

Dies betrifft nicht lediglich die Kinder mit sonderpädagogischem

Förderbedarf sondern alle Schulkinder.

ZIS und Sonderschulstandorte müssen wegen ihrer administrativen und

pädagogischen Agenden in sonderpädagogischer Kompetenz autonom bleiben und

dürfen daher nicht in einem Clusterverband aufgelöst werden. Im vorliegenden

Gesetzesentwurf sehe ich keine markante, beim einzelnen Kind ankommende

Verbesserung, sondern die Vernichtung der effizienten und hochwertigen Arbeit,

die bisher geleistet wurde.

Ich fordere die Beibehaltung des Paragraphen 27a SchOG. Nur so kann die regionale

Verantwortung für alle inklusiven und sonderpädagogischen Maßnahmen

gewährleistet bleiben.

Im Land Salzburg werden zahlreiche Schülerinnen und Schüler von ambulanten

Supportsystemen betreut.

Diese hochprofessionelle Tätigkeit muss im Sinne der betroffenen Kinder weiterhin

von diesen Experten/innen ausgeübt werden.

Alle Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS) müssen daher in ihrer jetzigen

Form als Kompetenzzentren erhalten bleiben.

Gerade auch bei der Bereitstellung und Koordination sonderpädagogischer

Maßnahmen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ist eine besondere Kenntnis

der jeweiligen Situation vonnöten, weshalb die zentrale Ansiedelung auf

Bildungsdirektionsebene bei gleichzeitiger Auflösung der ZIS in den

Bildungsregionen abzulehnen ist.

Derzeit arbeiten in diesem Bereich Experten/innen aus dem Bereich

Sonderpädagogik mit überdurchschnittlich hohen und sehr differenzierten

Qualifikationen. Diese Pädagogen/innen unterliegen dem Dienstrecht der

Lehrer/innen.

Verantwortungsvolle Arbeit in der Sonderpädagogik und Inklusion ist ohne

pädagogische Kompetenz nicht qualitätsvoll umzusetzen!

Ziel der „Reform“ ist, die Anzahl der SPF-Kinder zu senken durch Änderung und

Verschlankung des Feststellungsverfahrens, nicht durch Frühförderung oder bessere

Betreuung! Das halte ich für zynisch und befürchte, dass es in diesen Verfahren zu

rein juristischen bzw. dem Spar-Aspekt dienenden Entscheidungen kommen wird.

Eine Senkung der SPF-Zahlen bei deutlich steigenden erhöhten Bedürfnissen bei

vielen Kindern ignoriert die Realität und gleicht einer „Vogel-Strauß-Politik“

Der sonderpädagogische Förderbedarf soll in dieser Reform offenkundig abgeschafft

werden. Das bewährte System unter Einbindung des schulpsychologischen Dienstes

und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, Kindern mit besonderen

Bedürfnissen Unterstützung angedeihen zu lassen, wird nicht mehr existieren.

Es wird damit ein qualitativ hochwertiges Supportssytem abgeschafft und hoch

qualifizierte Sonderpädagogen/innen sollen durch kostengünstigere Assistenzkräfte

(„Hilfslehrer“) ersetzt werden.

Sowohl Erziehungsberechtigte, als auch Lehrer/innen und Schulleiter/innen

verlieren dadurch ihre fachlich hochkompetenten Ansprechpartner/innen in der

Region.

Leidtragende sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, da die derzeit individuell

abgestimmte Beschulung und Betreuung verloren geht. Diese qualitative

Verschlechterung für die SchülerInnen kann von mir nicht unterstützt werden.

In den letzten Jahrzehnten wurde mit viel Behutsamkeit ein funktionierendes

System der sonderpädagogischen Förderung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen

aufgebaut, wobei für Eltern eine Wahlmöglichkeit zwischen Sonderschulen und

inklusiver Förderung besteht.

Ich spreche mich unmissverständlich gegen die Abschaffung der Sonderschulen und

der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik aus. Das bewährte System der

individuellen sonderpädagogischen Förderung und die Wahlmöglichkeit für

Eltern müssen erhalten bleiben.

Der vorliegende Entwurf erfüllt für mich nicht im Mindesten den Anspruch an eine

seriöse Bildungspolitik und der damit einher gehenden Verbesserung der

Rahmenbedingungen für Eltern, Schüler/innen und Lehrer/innen und wird daher

von mir abgelehnt.

Mit freundlichen Grüßen,

Sigi Gierzinger

 

In Kopie an:

Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

MIT DER VERÖFFENTLICHUNG DER STELLUNGNAHME AUF DER PARLAMENTSHOMEPAGE

ERKLÄRE ICH MICH AUSDRÜCKLICH EINVERSTANDEN