Stellungnahme zum Bildungsreformgesetz 2017 –

Schulrecht (4.4.2017)

 

§ 8f. Schulclusteroder wie man einer LehrerInnen und SchülerInnengemeinschaft die notwendige Unterstützung am Standort nimmt.

Als Junglehrerin an einer neuen Schule in Wien, ist eine der schlimmsten Neuerungen in Ihrem Gesetzesentwurf für mich die Clusterbildung. Ohne dem Engagement meiner Direktorin, dem Zuspruch, der Hilfe bei Elterngesprächen mit Eltern die ausfällig werden, dem zur Seite stehen bei all den Bereichen, die einem im Studium nicht annähernd nähergebracht werden, hätte ich die erste Woche bereits nicht durchgestanden. Einer Schule die Schulleitung zu nehmen und sie durch eine Administratorin zu ersetzen, das nimmt nicht nur allen Lehrkräften den wichtigsten Pfeiler in diesem System sondern auch ALLEN SchülerInnen eine verbündete Person. Ohne dieses Herzstück unserer Schule, die alle miteinander verbindet und immer zur Stelle ist, wenn sie gebraucht wird, kann eine Schule nicht funktionieren. Wie soll jemand, der  2500 SchülerInnen betreut, für alle gerecht werden oder gar Entscheidungen treffen? Denn eine persönliche, engagierte Beziehung steht bei so vielen SchülerInnen wohl außer Frage.

 

§ 5 Abs. 6 Schulzeitgesetzoder wie man den SchülerInnen Projektarbeit, Ausflüge und Spaß am Lernen nimmt

Mit der geplanten Änderung, nicht nur Freitags sondern auch einen weiteren Tag, den Unterricht um 13:00 zu schließen bedeutet für ALLE verschränkten Ganztagssysteme das aus. Soweit ich mich erinnern kann, wurde dieses System vor ein paar Monaten noch von allen hoch gelobt und sollte am besten überall verwendet werden. Warum? Weil es die Möglichkeit bietet Unterricht aus dem Schulhaus auszulagern, aktiv zu lernen, vor Ort zu lernen, den Sinn des Lernens den Kindern begreifbar zu machen. Das wird so nicht mehr möglich sein. Qualitativer Wechsel von Unterricht und Freizeit und die Möglichkeit auf die Situation der Kinder einzugehen, sind so einfach nicht gegeben. Das ist ein erheblicher Rückschritt und wird sich dann ganz bestimmt in den weit begehrten Studien zeigen. Denn wer es verhindert eine situationsgerechte Lernumgebung zu schaffen, der verhindert damit auch die Konzentrationsfähigkeit und somit die Lernfähigkeit der SchülerInnen. Falls die Zahlen später also nicht passen, wissen wir wenigstens woran es genau liegt.

 

 

§ 14. Klassenschülerzahloder wie man Klassen auffüllt ohne gegen das Gesetz zu verstoßen

 

Als Klassenlehrerin einer Intergrationsklasse in Wien, sehe ich diesen Artikel als besonders bedenklich, da der Absatz über Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf  bis auf weiteres gestrichen wurde. Aber nicht nur der fehlende Absatz über sonderpädagogische zu betreuende Kinder gibt mir zu denken, auch die Tatsache, dass es keine Höchstzahl geben soll.

 

In einem Ballungsraum wie Wien ohne einer Höchstklassenschüleranzahl zu arbeiten, halte ich für mehr als unverantwortlich.

Die meisten GTVS die ich kenne, haben mehr Anmeldungen an ihren Schulen als sie aufnehmen können. Gibt es kein Limit, so werden unsere Klassen überlaufen, kein Klassenraum ist, wenn es allein um den zur Verfügung stehenden Raum geht, dafür ausgelegt mehr Kinder aufnehmen zu können. Gibt es außerdem keine Richtlinie dafür, wie viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen nun in einer voll besetzen (wie viele Kinder auch immer das dann sein mögen) Klasse sind, wird es unverantwortlich!

 

Nachdem uns jetzt bereits die Lehrerressourcen, dank der Ausbildungsänderung, ausgehen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das mit dem neuen Gesetz besser werden soll.  Das Lernklima wird dadurch nicht gefördert, Kinder die mehr Unterstützung brauchen, werden diese nicht bekommen können, da das Personal dafür nicht ausreichend ausgebildet ist. Denn glauben Sie mir, mit einem kurzen Lehrgang zum Thema „besondere Bedürfnisse“ kann jede noch so engagierte Lehrkraft nie das Wissen aufbringen, das eine Lehrkraft hat, die Sonderpädagogik mehrere Jahre studiert hat.

 

Aber nicht nur Kinder, die mehr Hilfe und Unterstützung bei ihren Lernfortschritten brauchen, werden darunter leiden. Auch die Kinder, die mehr von uns brauchen als den „normalen“ Schulstoff, Kinder die ein offenes Ohr brauchen , Kinder die mehr gefordert werden müssen, Kinder die besondere Begabungen haben und in diesen gestärkt werden sollen. Dafür wird es durch die ungeregelte Klassenschüleranzahlt nicht nur keinen räumlichen Platz geben, sondern auch keine Zeit.

 

Diese Formulierung mag vielleicht für kleinere Schulen passen, um die eine Schülerin, die sonst in den Nachbarort fahren müsste, aufzunehmen. Bezieht man diese Regelung jedoch auf  eine Stadt wie Wien, so halte ich das für mehr als fahrlässig in Hinblick auf die Bildung unserer ZukunftsträgerInnen.

 

 

Wo ist § 27a.?oder wie man einem ganzen System seinen Rückhalt nimmt

Mit der Schließung der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, die einzelne Lehrkräfte mit speziellen Ausbildungen an Schulen ausschicken, um dort mit Kindern zu arbeiten die durch ihr Verhalten oder ihre Lernbeeinträchtigungen, oder körperlichen Bedürfnisse besonders DIESE UNTETSTÜTZUNG MEHR ALS NOTWENIDG HABEN, nimmt dieser Gesetzesentwurf eine wichtige und wertvolle Beratungsstelle. Diese Zentren unterstützen unsere Schulen und unsere Kinder so weit sie können. Besonders an unserer Schule, an der sehr inklusiv gearbeitet wird, brauchen wir diese Hilfe sehr dringend und am besten noch mehr. Wenn nun diese Ressource gestrichen werden soll, wird das schreckliche Folgen haben. Einem Kind, das Ventil zu nehmen, durch das es Aggression, Frust oder Kummer loswerden kann, ist in keiner Hinsicht eine Bereicherung und kann nur dramatisch Enden.

 

Mir ist voll und ganz bewusst, dass die Änderungen hinsichtlich der Integration eine notwendige Maßnahme durch die UN-Behindertenrechtskonvention sind. Betrachtet man diese Neuerungen die angeblich dazu führen sollen, Integration in Schulen zu verbessern und noch mehr zu leben, genauer, so wird wohl jedem klar, dass gerade Kinder mit Beeinträchtigung, egal in welchem Bereich, die sind, die mit diesem Gesetzesentwurf einbüßen werden. Und das nicht wenig! Zu sagen, alle sind gleich, jeder bekommt das Selbe, dadurch jedoch nicht die Hilfsmittel die er oder sie aber eigentlich bräuchte, das ist ganz bestimmt nicht das Ziel dieser Konvention. Sondern eine schön geredete Sparmaßnahme die unserer Zukunft höchstens am Papier helfen wird.

 

 

Sollte hier irgendjemandem nicht nur eine Veränderung am Papier am Herzen liegen, sondern gelebte Integration in unserem Bildungswesen ein Anliegen sein, dann schlage ich Ihnen einen Lokalaugenschein an unserem Campus vor. Bei uns sind alle willkommen! Wir leben Inklusion. Aber all das ist uns nur möglich, da wir eine Leitung am Standort haben, die uns dabei unterstützt, Beratungslehrerinnen, Sprachheillehrerinnen und Psychologinnen aus den Sonderpädagogischen Zentren haben, die uns dabei helfen. Klasseschülerzahlen haben, die sich nach den Bedürfnisse der Kinder richten und nicht nach dem Andrang an die Schule. Und nicht zuletzt ein verschränktes System von Freizeit und Unterricht haben, bei dem wir auf alle Bedürfnisse der Kinder zeitgerecht eingehen können.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen aus einer bis jetzt wunderbar, inklusiven Schule.

 

Kerstin Sterl

GTVS Bildungscampus Aspern Seestadt

1220 Wien