Stellungnahme: Wegrationalisierung der Sonderschulen (ZIS)

 

Ich arbeite seit 35 Jahren in der Wiener Grundschule, 29 Jahre als klassenführende Lehrerin und seit 6 Jahren als Leiterin einer Volksschule.

Ich durfte den Aufbau eines wirklich effizienten Supportsystems an den Wiener Schulen durch hochqualifizierte Spezialisten miterleben, das den betroffenen Kindern und Familien wirklich zu Gute kam. Außerdem hatten auch wir Lehrerinnen bzw. Leiter/innen die regionalen  Ansprechpartner für Kinder, die Hilfe benötigten. Diese Ansprechpartner, also Sonderpädagogen aus den verschiedenen Bereichen (Sprachheillehrer/innen, Pädagogen/innen für sinnesbehinderte Kinder, Beratungslehrer/innen, Förderlehrer/innen,…) kannten die Schule und ihr Einzugsgebiet und die Lehrer/innen und konnten daher sehr effizient und rasch helfen.

Es kann nicht sein, dass in Zukunft Entscheidungen über SPF oder Schullaufbahn eines Kindes mit SPF von Verwaltungsbeamten oder gar Juristen getroffen werden!  Zum Vergleich: Wenn ich Zahnschmerzen habe, suche ich auch einen Zahnarzt (also Spezialisten) auf und lasse nicht einen Beamten oder Juristen über die Art der Behandlung entscheiden. So aber kommt mir das neue Vorgehen vor!

Viele Kinder konnten dadurch in den Regelklassen, inklusiv, betreut werden (z. B. durch den Sprachheilkurs oder die Beratungslehrerin). Für andere Kinder, die einen SPF hatten war es besser an einem ZIS zur Schule zu gehen, da sie mehr Betreuung brauchten als an einer Volksschule angeboten werden kann. Außerdem fiel der Faktor Frustration für diese Kinder weg, wenn sie in einem ZIS beschult wurden. Denn dort gibt es kleinere Klassen und spezielle Pädagogen/innen, die eine dementsprechende Ausbildung haben und auch mehr Möglichkeit mit einem Kind speziell zu arbeiten und eine engere Beziehung aufzubauen. Als Kind mit speziellen Bedürfnissen ist es oft wirklich frustrierend in einer „normalen“ Klasse zu sitzen und zu sehen, was die Klassenkameraden alles können, und sie sind dazu nicht oder noch nicht im Stande. So gut kann eine Lehrer/in nicht individualisieren, dass die Kinder das nicht merken.

Und nun soll uns all das weggenommen-eingespart- werden?

Wer immer solch eine Idee hat, hat offensichtlich noch nie den Schulalltag erlebt; hat noch nie die Vielfalt der Kinder erlebt, die jetzt in „normalen“ Klassen sitzen. Gerne würde ich die Verantwortlichen einladen, in der Schule zu unterrichten- eine Woche oder gar nur einen Tag? Erst dann kann man vielleicht beurteilen, wie eine komplett „inklusive“ Schule  sein würde-ohne Supportsystem!

Wie sollen wir uns nun eine solche Schule vorstellen?

In einer Klasse (mit wie vielen Kindern?-Klassenschülerhöchstzahl??) sind Kinder vereint, die sinnesbehindert, geistig behindert, mehrfach behindert, sprachbehindert, verhaltensauffällig, mit nichtdeutscher Muttersprache, autistisch, hochbegabt sind und dazu eine Lehrerin. Diese Lehrer/in soll alle Kinder nach  ihren Bedürfnissen, ihrem Lehrplan unterrichten. Wie viele Lehrpläne das wohl sein mögen? Sie soll zu jedem Kind eine Beziehung aufbauen, denn ohne intensive Beziehungsarbeit geht gerade in der Grundschule gar nichts. Und zum Schluss kommen die Tests- standardisierte Tests! Wie werden wir dann bei PISA abschneiden?

Da sollen dann alle das Gleiche können? Wie soll das gehen?

Selbst wenn die Lehrer/innen-Ausbildung Neu Wunderpädagogen/innen herausbringt, ist das unmöglich.  Ein Spezialwissen, wie unsere momentanen Sonderpädagogen/innen es sich in speziellen Ausbildungen erworben haben, kann man nicht in einem allgemeinen Studium unterbringen.  In solch einer Klasse müssten mindestens 4 – 5 Pädagogen/innen arbeiten um allen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Wie soll ein/e Pädagoge/in gleichzeitig mit einem Kind als Sprachheillehrer/in trainieren, als Beratungslehrer/in   mit einer Kleingruppe am sozialen Verhalten arbeiten, mit einem Kind den ZR 10 aufbauen oder mit einem lese-rechtschreibschwachen Kind Lesen üben? Jede/r engagierte Pädagoge/in reibt sich dabei auf oder gibt auf und resigniert. Wer wird dann noch diesen, eigentlich schönen, Beruf ergreifen? Werden die Klassenschülerzahlen dann weiter steigen? 

Wie soll denn die Zukunft der jungen Leute aussehen, die aus einer solchen Schule kommen? Sie werden weder richtig Schreiben oder sinnerfassend Lesen noch die Grundrechnungsarten können, weil vor lauter „Individualisierung“, Tests und Controlling,… keine Zeit für die Pädagogen/innen bleibt sich mit den Kindern intensiv zu befassen, sie zu fördern und Talente weiterzuentwickeln.

Wir produzieren Analphabeten und in weitere Folge Arbeitslose. Wie wird die Gesellschaft damit umgehen können?

Das Bildungssystem wir kaputt gespart. Beteuerungen aus dem Ministerium, das es sich nicht um ein Sparpaket handelt sind unglaubwürdig. Das ist leicht zu durchschauen!

Auf diese Art und Weise kann Schule nicht funktionieren!! Vielleicht sollten doch einmal die Betroffenen (Pädagogen/innen im Schulalltag und die Schulpartner) gefragt werden,  was in den Schulen gebraucht wird. Wir Leute aus der Praxis hätten sicher auch Vorschläge und Lösungen, die nicht so teuer wären, wie das Ministerium zu wissen  glaubt.

 

Mit Hoffnung auf eine vernünftige und machbare Lösung

 

Christa Formanek

 

 

 

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