Absender:  HR DI Leopold Ramharter

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Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Mit der Veröffentlichung unserer Stellungnahme sind wir in jeder Art und Weise einverstanden.



1.    Inklusion in Regelschulen – Sonderschulen - Schulcluster

 

Leider wird die Diskussion vorranging in Bezug auf körperbehinderte Kinder geführt, wodurch viele Kinder mit geistigen Defiziten, seltenen bzw. schwierigen Erkrankungen oder erhöhtem medizinischen Bedarf untergehen. Viele dieser Kinder sind von sich aus für Regelschulen ungeeignet, da ihnen die große Schüleranzahl, wechselnde Lehrer, der leistungsbezogene Stoff, etc. Schwierigkeiten bereitet. Zusätzlich können Kinder je Behinderung auch den Schulerfolg der Klassen mindern, wenn bei einer Schularbeit Anfälle oder Geschrei erfolgen, wenn medizinische Eingriffe erforderlich sind, etc.

 

In der aktuellen Diskussion geht immer unter, dass jedes Kind bestmöglichen Zugang zu Bildungsmaßnahmen haben soll, wobei für behinderte Kinder „bestmöglich“ von der Ausgangsbasis abhängt, und zwar vorrangig von der Grunderkrankung, weniger von anderen Bildungseinflüssen wie Herkunft, soziales Umfeld, etc. Für basale Kinder wird der Körperkontakt, das Lernen mit den Sinnen und Kommunikation ein weites Feld sein, andere Kinder lernen vielleicht selbsttätig einkaufen zu gehen. Ein Kind, das aber keinen Zahlenraum begreifen kann, wird auch mit dem besten Mathematikunterricht nicht gefördert, sondern höchstens überfordert.

 

Im Gefüge der beteiligten Regelschüler, der zu inkludierenden Kinder und auch des betreuenden Personals (Pädagoginnen, Therapeuten, …) kann daher die bessere Lösung die Betreuung in einer Fördereinrichtung (Sonderschule) sein. Dies widerspricht auch in keiner Weise der UN Behindertenrechtskonvention.

 

Aus der Erfahrung vieler Eltern sehen wir daher, dass es viele Behinderungen gibt, bei denen eine Inklusion gut funktioniert, insbesondere wenn eine Gleichstellung mit Hilfsmittel (Hörapparat, Braille Computer, ...) ermöglicht wird. Sind aber vor allem geistige Defizite nicht ausgleichbar, und kommen noch andere Umstände dazu (monotones Lautgeben, schwere Anfälle, körperliche Attacken, Angst vor Mitschülern, Angst vor wechselnden Lehrerinnen, …), funktioniert die Inklusion in einer Regelschule nicht. Dazu sind bei Interesse eine Vielzahl an Elternberichten verfügbar.

 

In diesem Sinn – und aus der eigenen Erfahrung mit unseren Kindern – sehen wir die folgenden Vorschläge als Basis, Sonderschulen jedenfalls zu erhalten und diese als Mittel zu einer angepassten Inklusion zu nutzen. Damit können mehr Kinder als bisher vorgesehen im Sinne der Behindertenrechtskonvention profitieren.

 

Freiheit der Clusterbildung:

Die vorgesehene Untersagung der Clusterbildung zwischen Gemeinde-, Landes- und Bundesschulen („übergreifende Cluster“) sehen wir im Bereich der Sonderschulen als kontraproduktiv.

Gerade die Ausbildung eines Clusters zwischen einer Gemeindevolksschule und einer Sonderschule (auch Landessonderschule) wirkt im Rahmen der Primarschulzeit besonders gut im Sinne der Inklusion gemäß UN Konvention. Soweit als möglich gemeinsame Unterrichtszeit und, wo es sinnvoll ist, getrennte Stunden. Dadurch wird für alle Beteiligten ein hoher Mehrwert erzielt.

 

Studien belegen, dass die Wirksamkeit von Maßnahmen in der Sekundarstufe (bzw während der Pubertät) stark nachlässt. Auch sehen wir nicht die formale Benennung eines Modells, sondern die Förderressourcen und die Unterrichtsqualität als Entscheidungsfaktor.

Beispielhaft wollen wir einige allgemeine Sonderschulen anführen, wo eine Mehrheit der Kinder weniger speziellen Förderbedarf aus Entwicklungsdefiziten haben, sondern nur einen Deutschkurs benötigen würden, um in einer Regelschule folgen zu können.

 

Die Clusterbildung soll freier als im Gesetz angeführt möglich sein, es muss aber jedenfalls der Sonderpädagogische Ansatz erhalten bleiben.

 

Wenn die Strukturänderungen genutzt werden, um wie beschrieben die Autonomie zu stärken und angepasste Maßnahmen dauerhaft zu ermöglichen, sehen wir das positiv. Falsch verstandene Einsparungspotentiale versuchen wir im Folgenden aufzuzeigen.

 

2.            Spezialklassen, Feststellung Förderbedarf

 

Die in den Gesetzen angeführten Unterteilungen (bspw. NÖ Pflichtschulgesetz §28 (2)) führen allgemeine Sonderschule (leistungsbehindert, lernschwach), körperbehindert, sprachgestört, schwerhörig, gehörlos, sehbehindert, blind), Sondererziehungsschule und Kinder mit erhöhtem Förderbedarf an. Eine Vielzahl an aktuell erfassten Behinderungen (autistische Syndrome, Epilepsieformen, medizinisch intensive Erkrankungen (CARE Klassen - beatmete Kinder), basale Kinder, … gehen dabei unter.

 

Feststellung Förderbedarf

Mit der angeführten Ermittlung des Sonderpädagogischen Förderbedarfs befürchten wir eine unangemessen hohe Zuweisung behinderter Kinder in normale Regelschulen. Als betroffene Eltern sehen wir die Vorteile einer Sonderschule mit qualifiziertem Personal und geeigneter Ausbildungsumgebung.

 

Mit den bisherigen Einteilungen sind aktuelle Behinderungen schwer einzuteilen. Noch dazu kommen durch die medizinische Entwicklung vermehrt Kinder mit neuen, massiven Erkrankungen in die Schulpflicht.

 

Die Feststellung des Förderbedarfs muss flexibel auf die Erkrankungen und die Erfahrungen der Eltern eingehen, Sonderschulen mit dafür ausgebildeten Personal sollen erhalten bleiben.

 

Bildung Spezialklassen – Personal:

In einer Schulautonomie sollte die Bildung solcher Spezialklassen möglich sein. Unter der Führung der Schulleitung sollen Konzepte entwickelt und gemeinsam mit Pädagoginnen, Therapeutinnen, Sozialarbeiterinnen, medizinischem Personal, … umgesetzt werden. Dadurch können auch Kinder, die durch Lehrer ohne Spezialausbildung nicht betreubar sind, eingebunden und entwickelt werden.

 

Im vorliegenden Entwurf fehlt das – unmittelbar folgende – Bekenntnis, dass dafür auch Therapeutinnen, medizinisches Personal, … bereitgestellt werden müssen. Solche Aufgaben können nicht beliebig an Lehrer abgegeben werden, da auch die Haftung noch nicht ausjudiziert geklärt ist, bzw. überwiegt die Dienstpflicht oder die Freiwilligkeit bei der Ausübung von Maßnahmen für das Kind. Durch die ausgelagerte Abbildung des Personals im Personalplan des Bundes oder in Landesstellenplänen ist allerdings keine Sicherheit gegeben, dass autonome Pläne verwirklicht werden können.

 

Die Zielerreichung ist mit dem vorliegenden Entwurf nicht abgesichert, da nicht das gesamte benötigte Personal umfasst bzw. gesichert ist, und das erforderliche Personal eventuell nicht über Bundes- und Landesstellen bereitgestellt wird.

 

Cluster mit Sonderschulen - Einzugsgebiete

Werden Cluster oder Spezialklassen im Rahmen der Schulautonomie entworfen, muss im Entwurf auch die Regelung enthalten sein, dass behinderte Kinder die optimale Klasse auch sprengelübergreifend oder grenzüberschreitend (Bezirks- oder Bundeslandgrenzen) besuchen dürfen.

 

Die grundsätzliche Idee passt sehr gut zum Ziel des Gesetzes (sowie den Zielen der OECD), Handlungsspielräume zu schaffen und regional angepasste Lösungen zu ermöglichen.

Die Empfehlungen des Rechnungshofs zur Optimierung der Steuerung im österreichischen Schulsystem zielen in dieselbe Richtung und fordern eine „weitgehende Autonomie der Schulen in Bezug auf Unterrichtsgestaltung und Personalauswahl“ (Rechnungshof, 2015, S. 105), werden aber erweitert, indem die Zusammensetzung der Schüler ausgesteuert werden kann - dadurch können längerfristig Spezialisierungen aufgebaut werden.

 

Das bedeutet auch die Freiheit - je nach Schulautonomie und Spezialisierung - Personal aufzubauen (Pädagoginnen, Hilfskräfte, Therapeutinnen, Medizinisches Personal, …) und externe Möglichkeiten einzubinden (Tiertherapie, Externe Impulssetzung (Lehrausflüge, …)). Diese muss über die Planstellenbesetzung aus Personalplan des Bundes- und des Landesstellenplans abbildbar sein.

 

Die Einzugsgebiete dürfen nicht auf bisherige Sprengel- oder Bezirksebenen begrenzt bleiben, der Rückfluss aus schulautonomen Konzepten in die allgemeinen Planstellenpläne ist nicht abgebildet. Die Zielerreichung ist nicht sichergestellt.

In einem Cluster muss der Sonderpädagogische Anteil gesichert bleiben.



3.            Schulzeit - Gesamt

 

Die Sonderschulzeit endet derzeit mit der 9.Schulstufe (10.Schulstufe Berufsvorbereitung) und kann auf Basis von Entwicklungsplänen und Zustimmung von Land/Gemeinde um 2 Jahre verlängert werden.

 

Dadurch ist eine unverständliche Benachteiligung behinderter Kinder gegeben. Ein normales Kind, welches in Unterstufe und Oberstufe durchfällt, vielleicht dann noch zwischen Höherer- und Fachschule wechselt, kann kostenlos bis zum Alter von 20 oder 22 Jahren ausgebildet werden und ggf. danach noch studieren.

 

Da gerade die Betreuungs- und Ausbildungsplätze für behinderte Jugendliche – in Kombination mit Jugendschutzgesetz und Arbeitsrechtlichen Vorschriften- Mangelware sind, sowie bei vielen aktuellen Behinderungen Entwicklungsschritte erst später erfolgen, soll die Möglichkeit gegeben sein, zumindest bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres die Sonderschule zu besuchen. Bei positiven Entwicklungsgutachten auch länger.

 

Schulbesuch für behinderte Kinder jedenfalls bis vollendetes 19. Lebensjahr.

 

4.            Schulzeit – täglich, im Schuljahr

 

Wir begrüßen das Abgehen von den 50min Stunden – für Sonderschulen bedingt durch die Leistungsfähigkeit der Schulkinder ist es oft gelebte Praxis.

 

Begrüßt wird die Möglichkeit des Betreuungsausbaus vor- und nach der Schulzeit (auch an Schulautonomen Tagen) gem. Schulunterrichtsgesetz.

Seitens des Elternvereins sehen wir auch die Sinnhaftigkeit, dies auch auf allgemeine Ferienzeiten zu erweitern. Dadurch könnten bspw. Therapeutinnen auch in den Ferienzeiten Angebote für behinderte Kinder umsetzen – es bleibt die Kontinuität für die Kinder gewahrt (bspw. für Autisten) und die Personalressourcen werden effizient genutzt.

 

In diesem Sinn wird §12 „widmungsgemäße Nutzung von Schulgebäuden“ mit der Feststellung, dass eine solche Nutzung der widmungsgemäßen Nutzung nicht entgegensteht, sehr begrüßt.

 

Im Rahmen der Schulautonomie sehen wir dies als einen wesentlichen Baustein weitere Angebote zu entwickeln. Als Beispiel seien hier Eltern von zu Hause betreuten behinderten Kindern mit hohem Betreuungsbedarf angeführt. Es gibt viele Familien, wo dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten der Geschwister eingeschränkt sind und Eltern überfordert werden. Mit der Ausbildung von CARE Klassen, die unter der Woche die Betreuung übernehmen, werden diese Kinder entwickelt und die Familien für die Geschwisterkinder erhalten.   

 

Der Ausbau der Betreuungszeiten wird begrüßt, eine Erweiterung in Ferienzeiten würde viele sinnvolle Synergien schaffen (Nutzung öffentlicher Ressourcen und Entwicklungskontinuität bei den Kindern). Es fehlt im Entwurf die Nachvollziehbarkeit, wie die Kapazitäten des Betreuungspersonals gesichert werden. Derzeit leiden viele Ideen darunter, dass letztendlich das Personal nicht zur Verfügung steht.



5.            Finanzierung - Schulgeld

 

Im Gesetzesvorschlag fehlen die Regelungen für monetäre Leistungen an/von den Eltern. Derzeit sollten die Pflichtschulen kostenfrei zu besuchen sein (bei Ganztagesschulen inkludiert das die Betreuung auch am Nachmittag).

 

In Sonderschulen gibt es eine Vielzahl an Regeln, die anders gelebt werden, noch dazu auch je BH unterschiedlich. Oft werden Pflegegeldabzüge vorgenommen, die sich am Schulbesuch begründen (nicht auf Betreuung oder Verpflegung) und monatlich zu zahlen sind. Fahrtkostenersatz wird aber nur nach tageweisem Nachweis des Schulbesuchs gewährt. Jedes nicht behinderte Kind erhält mit Schuljahresanfang einen Freifahrtausweis für das gesamte Schuljahr.

 

Es sollte im Gesetz auch eine Gleichstellung behinderter Kinder bezüglich Zahlungen gesichert werden.

 

6.            Qualitätsmanagement

 

Den bereits etablierten Qualitätsmanagementsystemen (SQA für die allgemein bildenden Schulen, QIBB für die berufsbildenden Schulen) kommt im Bildungscontrolling ein hoher Stellenwert zu.

 

Für Sonderschulen mit den massiv unterschiedlichen Fähigkeiten einzelner Kinder, muss eine Ausrichtung aber auf Basis des Einzelkindes erfolgen. Diese Einzelförderpläne müssen durch die Betreuer (pädagogisches, therapeutisches, medizinisches Personal und Verwaltung) zusammengefasst und validiert werden können.

Dadurch ergeben sich selbsttätige Regelkreise, die Ausrichtung, Belegung und Personaleinsatz optimieren.

 

Wir unterstützen die Feststellung, dass die erweiterte Schulautonomie eine deutliche Stärkung der Managementfunktion der Schulleitung erfordert. Es fehlt im vorliegenden Entwurf aber die eindeutige Absicherung von Schulleitungsentscheidungen, da – am Beispiel Personalmanagement – die beste eigene Entscheidung nicht hilft, wenn der Bedarf nicht im Personalplan des Bundes oder in den Landesstellenplänen abgebildet wird, oder immer die dienstzeitjüngsten Lehrer ohne Rücksicht auf gelebte Konzepte

versetzt werden.

 

Der Gesetzesentwurf gibt keine Auskunft, wie die Ergebnisverantwortung einer Schulleitung aussehen soll. Insbesondere für Sonderschulen – mit den speziellen Bedürfnissen pro Kind – ist eine statistische Auswertung kaum möglich. Hier schlagen wir einen mehrjährigen Auswertungszeitraum über den Vergleich der kindlichen Entwicklung (nachvollziehbar aus den jährlichen Förder- und Entwicklungsplänen) vor.



7.            Einbindung der Elternvereine

 

Gerade im Bereich der Sonderschulen kann die Einbindung von Elternvereinen einen deutlich positiven Einfluss bringen.

·         Je Behinderung muss der Zugang für Entwicklungserfolge sehr unterschiedlich sein. Eltern kennen ihr Kind und die Erkrankung sehr genau und leisten wertvollen Input für alle Beteiligten.

·         Anpassung der Förderangebote – je nach Erfahrung der Eltern

·         Vorschläge zur Personal- und Schulentwicklung

·         Mitarbeit bei der Kinderzuordnung – Sonderschulen können eine große Chance für Kinder sein, sind in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal leider als „der letzte Weg“ verrufen – Eltern können das zu Eltern besser transferieren und damit den Erfolg einer teuren Schulzeit bei den Kindern optimieren

 

Da die Aufgaben der Sonderschulen sehr unterschiedlich sind, sollen in den Gremien (bspw. Bildungsbeirat) dezidiert Elternvertreter der Sonderschulen als eigene Gruppe fix im Gremium sein, und nicht nur eine Sammelgruppe Elternvertreter als nicht entscheidender Beirat.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

DI Leopold Ramharter