Stellungnahme zum Entwurf des Bildungsreformgesetzes 2017 – Schulrecht

Geschäftszahl: BMB-12.660/0001-Präs.10/2017

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir bitten Sie folgende Fragen zu berücksichtigen und deren Beantwortung gegebenenfalls im zu verabschiedenden Gesetz einzubringen.

 

·        Fragen zu der neuen Funktion Clusterleiterin und Clusterleiter:

 

„Für den Fall, dass eine oder mehrere Schulkonferenzen gemäß Z 1 der Schulclusterbildung nicht zustimmen, kann die Schulclusterbildung dennoch erfolgen, wenn die für die Schulclusterbildung in Betracht kommenden Schulen im selben baulichen Verbund oder nur einen kurzen Fußweg voneinander entfernt angesiedelt sind und sowohl pädagogische als auch organisatorische Gründe die Schulclusterbildung zweckmäßig erscheinen lassen“

Wer entscheidet über pädagogische und organisatorische Gründe  – wie sinnvoll ist eine pädagogische Entscheidung, die offensichtlich vor der Mehrheit derer, die sie praktizieren sollen, abgelehnt wird?

 

Nach welchen Kriterien werden Clusterdirektorinnen und Clusterdirektoren ernannt?

 

Wie soll eine Person bis zu 2500 Kinder und dementsprechend viele Lehrerinnen und Lehrer und dementsprechend viele Erziehungsberechtigte betreuen, begleiten, unterstützen, …

 

·        Fragen zur neuen Funktion  Bereichleiterin und Bereichsleiter:

 

Nach welchen Kriterien werden Bereichsleiterinnen und Bereichsleiter ernannt?

 

Wie soll die Bereichsleitung am Schulstandort gleichzeitig Leiterin  und Leiter und Kollegin und Kollege sein?

 

Wie soll diese Person, neben ihrer Unterrichtsstunden, ihrer damit verbundenen Vorbereitungszeit, der Zeit, die sie mit Elternarbeit und Zusammenarbeit mit außerschulischem Betreuungspersonal braucht, folgendes leisten:

„§ 55d….

1. Pädagogischer Support (Ansprechpartner) für alle Schulpartner am Standort im akuten Krisenmanagement,

2. Mitarbeit im Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungs-Team des Clusters,

3. Diensteinteilung bei akuten Absenzen am Standort und 4. Einführung neuer Lehrpersonen in die verschiedenen Arbeitsbereiche.“

 

·        Fragen zur Vergabe von KlasseschülerInnenzahlen  und zur Zuteilung von LehrerInnenstunden:

 

 

„Klassenschülerzahlen

 

§ 21h. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler in einer Klasse einer Neuen Mittelschule ist vom Schulleiter oder von der Schulleiterin unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse der Pädagogik und der Sicherheit, auf die räumlichen Möglichkeiten, auf die mögliche Belastung der Lehrpersonen und nach Maßgabe der der Schule gemäß § 8a Abs. 3 zugeteilten Lehrpersonalressourcen festzulegen. § 8a Abs. 2 ist anzuwenden“ (das gilt für alle Schularten)

 

Wieviele Stunden eine Schule dafür erhält, dass sie  notwendige Zusatzangebote anbieten kann, hängt, laut Gesetzesvorlage von der SchülerInnenanzahl ab, vom Bildungsangebot, vom  sozio-ökonomischen Hintergrund, dem Förderbedarf, dem Gebrauch der Bildungssprache und den regionalen Bedürfnissen.

 

Wer formuliert diese regionalen Bedürfnisse?

Wer bewertet das Bildungsangebot und leitet daraus notwendige Zusatzangebote ab?

Wer bewertet den sozio-ökonomischen Hintergrund und leitet daraus notwendige Zusatzangebote ab?

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Anzahl der SchülerInnen und deren individuellen Bedürfnissen?

Wer entscheidet über all die Kriterien, die die Höhe der Klassenschülerzahlen und die zugeteilten Lehrpersonalressourcen bestimmen?

Wo kann man nachlesen, warum welcher Standort wieviel Stunden erhält?

 

„Die Fokussierung auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes in der Schule, die zur

Sicherstellung des individuellen und gesamtgesellschaftlichen Bildungsertrags unerlässlich ist, wird durch

die bestehenden Strukturen in den Bereichen Unterrichtsorganisation, Lehrpersonalmanagement und

Bildungsverwaltung nicht ausreichend gefördert, zumal diese vor dem Hintergrund einer mittlerweile

längst überholten Lehr- und Lernkultur geschaffen wurden.“ (Textauszug  aus 299/ME XXV. GP - Ministerialentwurf - Vorblatt und Wirkungsorientierte Folgenabschätzung)

 

Wir bezweifeln, dass die neuen Strukturen des Lehrpersonalmanagements und der Bildungsverwaltung „die Fokussierung auf die individuellen Bedürfnisse“, die jedem einzelnen Kind zusteht, ermöglichen. Bedürfnisorientierte Maßnahmen können bei einer Zentralverwaltung von bis zu 2500 Schülern und Schülerinnen die „Sicherstellung des individuellen und gesamtgesellschaftlichen Bildungsertrages“ nicht leisten. Auch ein Bereichsleiter oder eine Bereichsleiterin kann mit den angedachten Ressourcen diesem Anspruch nicht gerecht werden. Inwiefern eine „längst überholte Lehr- und Lernkultur“ durch bloße Organisationsreform verbessert werden soll, ist uns nicht nachvollziehbar.

Eine qualitätssteigernde Bildungsreform widerspricht dieser angedachten Verwaltungsreform.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Margit Gruber

Gudrun Messenböck

Marion Gutscher