Sehr geehrte politisch Verantwortliche!
Die geplante Streichung des §27a/derzeitiges Schulgesetzes, die die Auflösung der Zentren für Inklusion
und Sonderpädagogik beabsichtigt, erfüllt mich mit großer Besorgnis.
Die Zentren für Inklusion und Sonderpädagogik (ZIS) in Wien haben sich über Jahrzehnte - großteils in Eigeninitiative
- zu Kompetenzzentren für die Unterstützung und Versorgung von inklusiv beschulten SchülerInnen
mit besonderem Entwicklungs- oder Förderbedarf entwickelt. Nur ein sehr kleiner Prozentsatz wird
im Setting einer kleinen Klasse beschult, wenn der Schulalltag des „Großbetriebes“ einer Volks- oder Neuen
Mittelschule eine deutliche Überforderung für das Kind darstellt (also nur dann, wenn es aus dem Erleben
des Kindes notwendig ist!).
„Schwierige“ Kinder brauchen ein verlässliches Beziehungsangebot, einen sicheren Rahmen, in dem sich
Vertrauen entwickeln kann und ausreichend Zeit für ihren Entwicklungsprozess. Halt-gebende Strukturen
bilden die Basis für eine gelingende Schullaufbahn.
Die mobilen LehrerInnen dieser Zentren (BeratungslehrerInnen, MosaiklehrerInnen, PsychagogInnen) haben
sich persönlich weit über das Angebot der pädagogischen Hochschulen hinaus professionalisiert und sich
hohe Vernetzungskompetenz in der Zusammenarbeit mit den Einsatzschulen und den nötigen fachlichen
Einrichtungen zur Versorgung dieser Kinder angeeignet.
Die Zentren bieten die Plattform zum Austausch, zur ständigen Reflexion und Fortbildung für diese mobilen
LehrerInnen. Die Zugehörigkeit zu einem Zentrum bietet somit auch den KollegInnen jenen sicheren Rahmen
und Rückhalt, der ebenso für ihre schwierige Arbeit im hochkomplexen Arbeitsfeld Schule erforderlich
ist. (Die in diesem Bereich dringend nötige Supervision wird von den KollegInnen selbst finanziert.)
Effizienz liegt in diesem sensiblen Bereich der Verhaltensprobleme, der mit sehr viel Leid, emotionalem
Stress und Überforderung bei allen Beteiligten (Kind, Eltern, Bezugspersonen, LehrerInnen, SchulleiterInnen,
MitschülerInnen,….) zu tun hat, vor allem in der Qualität der Betreuung und Versorgung. Diese bieten
die ZIS als Kompetenzzentren mit dem Prinzip der Versorgungsnähe und der Möglichkeit der persönlichen
Bekanntheit.
Die Streichung des derzeitigen §27a und somit der Auflösung dieser bewährten Struktur ist
- auf Grund meiner langjährigen Erfahrung in diesem besonderen Arbeitsfeld der Schule als Psychagogin
und als ehemalige Leiterin des Rudolf Ekstein Zentrums (ZIS 20) - für das Erreichen des gesellschaftspolitisch
großen Zieles der Inklusion von SchülerInnen mit sozial-emotionalen (ebenso wie für SchülerInnen mit
kognitiven und/oder körperlichen) Beeinträchtigungen nicht geeignet und wirkt kontraproduktiv.
Weitere Überlegungen zum Bildungsreformgesetz 2017:
Eine Zentralisierung durch eine Bildungsdirektion unter juristischem Aspekt erschwert meines Erachtens
das Erreichen dieser großen pädagogischen und bildungspolitischen Aufgabe.
Die Vorstellung der erwünschten finanziellen Einsparung lässt schwerwiegendere Folgekosten außer Acht,
wenn Kinder im Schulsystem nicht ausreichend gut aufgefangen werden, zu Schulverweigerern oder -abbrechern
werden oder ihre psychische Verfasstheit eine spätere beruflich erfolgreiche Laufbahn verhindert.
Die öffentliche Schule braucht qualitätsvolle Ressourcen für einen attraktiven, stressfreien Schulalltag -
insbesondere auch für die Ganztagsschule -, damit nicht dem Auseinanderdriften der Gesellschaft durch
Abwanderung von SchülerInnen in die Privatschule Vorschub geleistet wird - ein gegensätzlicher Effekt
zur angestrebten Inklusion.
Ich erkläre mich mit der Veröffentlichung dieser Stellungnahme auf der Homepage des
Österreichischen Parlaments ausdrücklich einverstanden.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme und freundlichen Grüßen
Sabine Budin
(elektronisch gezeichnet)