Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Seit nunmehr 33 Dienstjahren bin ich als Pädagogin für Kinder mit besonderen Bedürfnissen im Ballungsraum Wien vom SSR angestellt.

Mehr als 20 Jahre unterrichtete ich Kinder  im 17. IB, sowohl als Klassenlehrerin in einem SPZ als auch als Integrationslehrerin in einer KMS. Seit über 10 Jahren bin ich als Beratungslehrerin im 18. IB tätig.

Insgesamt habe ich fast 10 Jahre – zum Teil berufsbegleitend – in meine Ausbildung (nicht Fortbildung!) investiert. Ich bin also hochkompetent, qualifiziert und professionell als Expertin für Kinder mit besonderen Bedürfnissen tätig.

Diese Bedürfnisse sind mir nach mehr als 3 Jahrzehnten, die mir diese Kinder anvertraut waren, sehr vertraut.

Als Beratungslehrerin betreue ich in jedem Schuljahr zwischen 40 und 80 Kinder, teils langfristig, teils in Form von akut notwendigen Kriseninterventionen. Diese Kinder haben eine Menge besonderer Bedürfnisse. Sie sind durch Krieg, Flucht, erlittene und/oder beobachtete Gewalt – traumatisiert. Sie leiden unter Beziehungsabbrüchen, Trennungen ihrer Eltern, unter Entwicklungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen, unter Ängsten und Sorgen, haben ADHS, ASS, haben Probleme mit ihrer Impulskontrolle, haben motorische Schwächen, sind unruhig. Es sind Kinder, die nicht schulreif, aber schulpflichtig sind, Kinder, die nicht sozialisiert wurden, deren Eltern überfordert sind. Manche von diesen Kindern haben einen physisch oder psychisch schwer erkrankten Elternteil, erleiden mitunter sogar den Verlust eines Elternteils durch dessen Tod. Manche Kinder kennen ihren Vater nicht einmal. Einige Kinder haben einen Vater, der seit Jahren aufgrund delinquenten Handelns inhaftiert ist. Den Kindern fehlt es oft an sprachlicher Kompetenz, um sich situationsadäquat mitteilen zu können, an adäquater Handlungskompetenz und häuslicher Unterstützung. Als Beratungslehrerin bin ich auch immer wieder in der Mittelstufe eingesetzt, wo die Schwerpunkte meiner Arbeit mit den Jugendlichen in der Hilfestellung bei ihrer Persönlichkeitsbildung, der Pubertätsbegleitung und der Entwicklung notwendiger Einsichten und auch (sozialer) Kompetenzen in Bezug auf ein späteres Fußfassen in der Arbeitswelt liegen. Es geht um die Aufarbeitung von Konflikten in der Klasse und zwischen den SchülerInnen, um Konflikte mit kulturellem Hintergrund, um adäquate Umgangsformen und eine passende Arbeitshaltung. Die Liste lässt sich beliebig und lange fortsetzen…

Eines ist aber klar:  alle diese Kinder und Jugendlichen brauchen dringend Betreuung und Unterstützung, um später in der Gesellschaft bestehen und ihren Beitrag leisten zu können. Sie bedürfen tragfähiger Beziehungsangebote und Begleitung.  Im Kontext Schule geht es um bestmögliche Integration dieser Kinder und Jugendlichen.

Dazu ist eine Menge Vertrauensarbeit nötig, aber auch viele Gespräche mit DirektorInnen,  den Lehrern und Lehrerinnen, die die Kinder unterrichten, die ja „stören“ oder „nicht mitkommen“ oder ganz einfach im Unterricht „nicht erreichbar“ sind. Und es müssen die Eltern mit ins Boot geholt werden, sie müssen in Erziehungsfragen beraten und über die psychosozialen Entwicklungsschritte ihrer Kinder aufgeklärt werden. Es geht auch um die Beratung und Unterstützung der KollegInnen, die durch die stetig ansteigenden Anforderungen  immer wieder an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommen.
Oft kommt es zu einer Netzwerktätigkeit mit der Schulpsychologie, Instituten für Entwicklungsdiagnostik, dem Amt für Jugend und Familie, Ergo- und Psychotherapeuten, u.a. mehr.

 

Um es kurz zu machen:  Die im Autonomiepaket vorgesehene Auflösung der ambulanten Systeme und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik würden für die Kinder und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen einen enormen Verlust bedeuten. Der Schaden wäre immens. Das gilt auch für die Gesellschaft. Die Kinder von heute sind unsere Zukunft.
Daher sehe ich die Auflösung der sonderpädagogischen und ambulanten Systeme als fahrlässig und verantwortungslos in Bezug auf die Zukunft der uns anvertrauten Kinder, aber auch der Gesellschaft von morgen an.

In diesem Sinne bitte ich um ihre Erhaltung.

 

Mit freundlichen Grüßen

Birgit Bellmann
Beratungslehrerin