Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

 

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26. April 2017

Bundesministerium für Bildung

Minoritenplatz 5

1010 Wien

 

per E-Mail  begutachtung@bmb.gv.at 

 

 

Zahl (Bitte im Antwortschreiben anführen)

2017-04-26/priv/01

Betreff

 

Bildungsreformgesetz 2017 - STELLUNGNAHME

Bezug

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zum Begutachtungsentwurf betreffend das Bildungsreformgesetz 2017 erlaube ich mir folgende Stellungnahme:

 

 

 

Allgemeines

 

Bei dem unter dem Begriff „Autonomiepaket“ vorgelegten Paket zur Bildungs-reform handelt es sich -anders als von der Politik der Öffentlichkeit vermittelt- in weiten Teilen um ein Struktur- und Verwaltungspaket, dessen Maßnahmen unter dem Diktat der Kostenneutralität stehen. In kaum einem Bereich ist ersichtlich, wie sich durch dieses Paket die Lernsituation der Schüler/innen verbessern soll.

 

In zahlreichen Punkten (etwa Evaluation und Dokumentationsaufwand) ist

noch mehr Verwaltungsaufwand als bisher zu erwarten bzw. zu befürchten.

Mit keiner Zeile des Entwurfes wird der bisher schon belastende Verwaltungsaufwand reduziert.

 

Zur Lösung der Probleme, mit denen Schule tagtäglich konfrontiert ist, tragen die vorgesehenen Gesetzesänderungen nicht bei.


 

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

 

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Österreichs Schulwesen ist unverständlicher Weise massiv unterfinanziert. Innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten wurde der Anteil des Brutto-Inlandsprodukts, der dem Schulwesen zur Verfügung steht, drastisch, nämlich von 4,3 % auf 3,2 %, gekürzt.

Im selben Zeitraum wurde in den Niederlanden, einem oft zitierten Vorzeigeland für Schulautonomie, der BIP-Anteil von 3,1 % auf 3,8 % erhöht.

 

Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen

brauchen, um effektiv autonom gestalten zu können

 

Beispielsweise sei folgendes erwähnt:

Mehr Freiheit in der Methodik und Pädagogik am Standort

         für guten Unterricht durch weniger Verwaltung und Bürokratie

         durch Support für Leiter/innen, Lehrer/innen und Schüler/innen

         durch eine Vielfalt hochwertiger Fortbildungsangebote

         durch mehr Ressourcen für zusätzliche Unterrichtsangebote

         durch verlässliche Rahmenbedingungen

 

 Die Gesetzgebung sowie die Schulverwaltung haben im Schulbereich aber bislang

die notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und zusätzliche Ressourcen nicht

bereitgestellt. Dennoch haben engagierte Pädagogen/innen die Herausforderungen angenommen und so gut es geht bewältigt.

 

Damit Österreichs Schulwesen über Ressourcen verfügt, die dem OECD-Mittelwert (3,8 %) entsprechen, müssten ihm jährlich zwei Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

Dieses Volumen würde den Bewegungsspielraum schaffen, den Schulen brauchen, um Autonomie tatsächlich leben zu können.

 

Ich lehne eine „autonome Mangelverwaltung“ -wie sie hier vorliegt- ab.

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Das Bildungsreformgesetz 2017 gefährdet die wertschätzende, erfolgreiche und vor allem am Kind orientierte Arbeit von Lehrern/innen.

 

Ich halte es für einen Irrglauben, dass eine Struktur- und Verwaltungsänderung den Unterricht direkt am Kind verbessert.

 

Was es für guten Unterricht braucht, sind motivierte Lehrerinnen und Lehrer, ausreichend Mittel und Personalressourcen, respektvoller und achtsamer Um-gang, Eingehen auf individuelle Bedürfnisse, und dergleichen mehr.

 

Autonome Schulen, die nur autonom die Mangelressourcen verwalten dürfen, ein wenig flexibler die Dauer der Unterrichtsstunden einteilen dürfen (viele Schulen haben schon lange die Pausenglocken abgeschafft) oder den Unterrichtsbeginn nach vorne oder hinten verlegen dürfen, verdienen diesen Namen meines Erachtens nicht.

 

Autonomie bedeutet für mich auch, einen gesetzlichen wie auch finanziellen Handlungsspielraum zu haben, wo je nach Bedarf z.B. Assistenzpersonal wie Schulsozialarbeiter/innen zusätzlich angestellt werden kann und nicht anstelle von Lehrpersonal.

 

Es ist für mich völlig ungeklärt, wie die versprochene Autonomie mit den bestehenden bescheidenen Ressourcen umsetzbar sein soll.

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in weiten Teilen keine Bildungsreform, sondern eine Verwaltungs- und Organisationsreform. Doppelgleisigkeiten zwischen Bundes- und Landesverwaltung bleiben weiterhin bestehen.

Der bereits existierende hohe Verwaltungsaufwand wird nicht reduziert, sondern vielmehr weiter ausgebaut.

 


 

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Die gesetzten Maßnahmen lassen für mich keine positiven Effekte für das einzelne Kind erkennen.

 

Ich fordere, dass die Ressourcenzuteilung sowohl nach den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Schüler/innen als auch nach der Anzahl der Klassen (Kleinstklassen, basale Klassen, Förderklassen, …) gewährleistet sein muss. Die Ressourcenzuteilung ausschließlich nach der Anzahl der Schüler/innen entspricht nicht den vielen individuellen Bedürfnissen der Kinder.

 

Die oftmals geforderte und angekündigte Verwaltungsvereinfachung kann ich durch die Schaffung von Bildungsdirektionen keinesfalls erkennen.

 

Bildungsdirektoren/innen werden Leiter/innen der größten Dienststellen in ganz Österreich. Es können daher wohl nur machtstrategische Überlegungen von Bund und Länder sein, dass diese hohe Funktion nicht nach den Regeln des Ausschreibungsgesetzes besetzt werden soll, das bei der Besetzung aller anderen hohen Bundesfunktionen zur Anwendung gelangt.

 

Ich fordere deshalb die sinngemäße Anwendung des Ausschreibungsgesetzes bei der Besetzung der Bildungsdirektion.

 

Unter der Prämisse der Kostenneutralität für das gesamte Paket ist zu befürchten, dass zusätzliche Kosten für die Bildungsdirektionen zu Lasten der Schulen gehen. Das lehne ich entschieden ab.

 

 

 

 

 

 


 

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Ich befürchte mit der Besetzung des Präsidialabteilung durch Juristen eine massive Verlagerung der Schwerpunktsetzung weg von pädagogischen, hin zu juristischen Sichtweisen.

Meine Meinung ist, dass juristische statt pädagogischer Sichtweisen nicht den Bedürfnissen der Kinder entsprechen.

 

Für einen offenen Dialog, der der Verbesserung unseres Schulsystems dient und den Schülern/innen Perspektiven eröffnet, stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Die dringende Notwendigkeit, zusätzliches Supportpersonal bedarfsgerecht an die Schulen holen zu können (Sozialarbeiter/in, mehr Schulpsycholog/innen, …), wird nur über die Einsparung von Unterrichtsstunden und nur in Clusterschulen ansatzweise möglich und daher von mir abgelehnt.

 

Die plakativ angekündigte Verringerung der politischen Einflussnahme lässt sich aus dem Gesetzesentwurf nicht herauslesen, etwa erfolgt die Bestellung des Präsidenten/der Präsidentin der Bildungsdirektion ohne Objektivierungsverfahren.

Die politische Vertretung hat ein Weisungsrecht gegenüber der Bildungsdirektion. Die politische Einflussnahme auf den einzelnen Schulstandort ist daher leicht möglich.

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf wäre im Allgemeinen zu begrüßen, wenn es hier um echte Autonomie und den wirklichen Wunsch nach Veränderungen gehen würde. Doch werden hier lediglich Titel und Aufgaben umbenannt, die oft genannten Bildungsdirektionen sind hierbei nur ein Beispiel.

 

Zusätzlich vermisse ich den notwenigen Bürokratieabbau in Sachen

Kompetenzzersplitterung auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.

 

 


 

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Bei der Konzeption des nun vorgelegten Schulrechtspakets werden umfassende

Organisations- und Verwaltungsänderungen vorgesehen, welche tief in

schulorganisatorische Verfassungsbestimmungen eingreifen. Zugleich wurde

verabsäumt, die betroffenen Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern gebührend

einzubeziehen. Durch die mangelnde Teilhabe kann keinesfalls von der Treffsicherheit und auch nicht von der Bereitschaft der Betroffenen zur Umsetzung der vorgegebenen Gesetzesmaßnahmen ausgegangen werden.

 

Direktoren/innen, die in den letzten Jahren mit viel Einsatz ihre Schulen durch alle notwendigen (und auch weniger notwendigen) Entwicklungen geführt haben, sind die großen Verlierer der Reform und werden zum „Auslaufmodell“.
Zugunsten einiger „Clusterdirektoren/innen“ werden geschätzte zwei Drittel aller Schulen ohne Direktion auskommen müssen (stattdessen werden Lehrer/innen als „Bereichsleiter/in“ eingesetzt). Die dadurch erzielten Einsparungen finanzieren die Schulautonomie.

 

Es ist besonders bedenklich und auch enttäuschend, dass mit der

aktuellen Reform ausdrücklich nicht ins Bildungssystem investiert wird!!!!

 

Aus pädagogischer Sicht bringt das vorliegende Gesetzespaket den Schülern/innen und Lehrern/innen nicht die erwarteten Hilfestellungen für die Hauptanliegen der Schulen und bietet nicht das Vertrauen und die Freiräume für eine gelingende Schulentwicklung.

Zudem werden in den nächsten Jahren zusätzliche große Kraftanstrengungen zur Umsetzung einer in den pädagogischen Wirkungen höchst zweifelhaften Reform erforderlich.

Es gehen Kräfte verloren, die das Schulsystem zur Bewältigung der bestehenden Aufgaben dringend braucht.

 

Ich lehne das in dieser Fassung vorliegende Gesetzespaket in seiner

Gesamtheit ab.

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Wegfall § 27a SchOG – Wegfall der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik

 

Die Streichung des §27 a SchOG bewirkt, dass die Zentren für Inklusiv-und

Sonderpädagogik aufgelöst werden. Diese Aufgaben werden von den neuen

Bildungsdirektionen wahrgenommen werden. Damit werden juristische Entscheidungen getroffen und die Pädagogik wird ihren Stellenwert verlieren.

Ein wichtiges und gut funktionierendes Supportsystem wird nicht mehr existieren.

Dies betrifft nicht lediglich die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf

sondern alle Schulkinder.

 

ZIS und Sonderschulstandorte müssen wegen ihrer administrativen und

pädagogischen Agenden in sonderpädagogischer Kompetenz autonom bleiben und dürfen daher nicht in einem Clusterverband aufgelöst werden. Im vorliegenden Gesetzesentwurf sehe ich keine markante, beim einzelnen Kind ankommende Verbesserung, sondern die Vernichtung der effizienten und hochwertigen Arbeit, die bisher geleistet wurde.

 

Ich fordere die Beibehaltung des Paragraphen 27a SchOG. Nur so kann die regionale Verantwortung für alle inklusiven und sonderpädagogischen Maßnahmen gewährleistet bleiben.

Im Land Salzburg werden zahlreiche Schülerinnen und Schüler von ambulanten Supportsystemen betreut.

Diese hochprofessionelle Tätigkeit muss im Sinne der betroffenen Kinder weiterhin von diesen Experten/innen ausgeübt werden.

Alle Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS) müssen daher in ihrer jetzigen Form als Kompetenzzentren erhalten bleiben.

 

 

 


 

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Gerade auch bei der Bereitstellung und Koordination sonderpädagogischer Maßnahmen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen ist eine besondere Kenntnis der jeweiligen Situation vonnöten, weshalb die zentrale Ansiedelung auf Bildungsdirektionsebene bei gleichzeitiger Auflösung der ZIS in den Bildungsregionen abzulehnen ist.

Derzeit arbeiten in diesem Bereich Experten/innen aus dem Bereich Sonderpädagogik mit überdurchschnittlich hohen und sehr differenzierten Qualifikationen. Diese Pädagogen/innen unterliegen dem Dienstrecht der Lehrer/innen.

Verantwortungsvolle Arbeit in der Sonderpädagogik und Inklusion ist ohne

pädagogische Kompetenz nicht qualitätsvoll umzusetzen!

 

Ziel der „Reform“ ist, die Anzahl der SPF-Kinder zu senken durch Änderung und Verschlankung des Feststellungsverfahrens, nicht durch Frühförderung oder bessere Betreuung! Das halte ich für zynisch und befürchte, dass es in diesen Verfahren zu rein juristischen bzw. dem Spar-Aspekt dienenden Entscheidungen kommen wird.

Eine Senkung der SPF-Zahlen bei deutlich steigenden erhöhten Bedürfnissen bei vielen Kindern ignoriert die Realität und gleicht einer „Vogel-Strauß-Politik“

 

Der sonderpädagogische Förderbedarf soll in dieser Reform offenkundig abgeschafft werden. Das bewährte System unter Einbindung des schulpsychologischen Dienstes und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik, Kindern mit besonderen Bedürfnissen Unterstützung angedeihen zu lassen, wird nicht mehr existieren.

Es wird damit ein qualitativ hochwertiges Supportssytem abgeschafft und hoch qualifizierte Sonderpädagogen/innen sollen durch kostengünstigere Assistenzkräfte („Hilfslehrer“) ersetzt werden.
Sowohl Erziehungsberechtigte, als auch Lehrer/innen und Schulleiter/innen verlieren dadurch ihre fachlich hochkompetenten Ansprechpartner/innen in der Region.


 

Gabriele Ebner-Lemberger

Sonderschullehrerin

Aufhausen 104, 5721 Piesendorf

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Leidtragende sind Kinder mit besonderen Bedürfnissen, da die derzeit individuell abgestimmte Beschulung und Betreuung verloren geht.

Diese qualitative Verschlechterung für die SchülerInnen kann von mir nicht unterstützt werden.

 

In den letzten Jahrzehnten wurde mit viel Behutsamkeit ein funktionierendes System der sonderpädagogischen Förderung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen aufgebaut, wobei für Eltern eine Wahlmöglichkeit zwischen Sonderschulen und inklusiver Förderung besteht.

Ich spreche mich unmissverständlich gegen die Abschaffung der Sonderschulen und der Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik aus. Das bewährte System der individuellen sonderpädagogischen Förderung und die Wahlmöglichkeit für

Eltern müssen erhalten bleiben.

 

Der vorliegende Entwurf erfüllt für mich nicht im Mindesten den Anspruch an eine seriöse Bildungspolitik und der damit einhergehenden Verbesserung der Rahmenbedingungen für Eltern, Schüler/innen und Lehrer/innen und wird daher von mir abgelehnt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Gabriele Ebner-Lemberger

 

 

 

 

In Kopie an:

Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlament.gv.at  

 

MIT DER VERÖFFENTLICHUNG DER STELLUNGNAHME AUF DER PARLAMENTSHOMEPAGE ERKLÄRE ICH MICH AUSDRÜCKLICH EINVERSTANDEN