An das

Bundesministerium für Bildung

Minoritenplatz 5

1010 Wien

 

Per E-Mail an:

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begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Betrifft Bildungsreformgesetz 2017 – Schulrecht

 

Stellungnahme zu Paragraph 66/66a und 66b Schulärzte/ Schulärztinnen

Bereits in Absatz 1 wurde eingefügt „ in allgemeiner Form“, Schulärzte sollen Lehrer nur mehr in allgemeiner Form beraten.

Das ist für Ärzte eine Kontradiktion, seit Jahren geht der Trend immer weiter zur personalisierten also individualisierten Medizin, weil eben nicht alle Menschen gleich sind. Jede Information an einen Lehrer wird in der Praxis immer einen allgemeinen Teil enthalten und einen personalisierten auf das betreffende Kind bezogenen Teil. (Beispiel: Diabetes, welcher Typ, orale Med. oder Insulin, dann speziell wie leicht neigt Kind zu Hypoglykämien, worauf ist bei BZ-Messungen zu achten, hat Kind Insulinpumpe? – das ist untrennbar)

Diese juristische Formulierung ist daher nicht praxistauglich.

Ebenso der Standpunkt, dass die Erkrankung nicht durch die Schule verursacht wurde. Sie ist eben immer da, in allen Lebensbereichen, daher auch in der Schule, welche für Kinder und Jugendliche einen der größten Lebensbereiche darstellt.

Absatz 2

Bei der jährlichen schulärztlichen Untersuchung: …ist Schüler über Mängel ( diesen Begriff kennen Mediziner nicht – wir haben Krankheiten od. Diagnosen, keine Mängel) in Kenntnis zu setzen. Bei minderjährigen sind auch die Eltern in Kenntnis zu setzen.

Absatz 3

Keine Einwände.

Generell wird im §66 nicht erwähnt, dass der Schüler/ Schülerin ein Recht auf eine Konsultation hat. D.h. er/ sie kann auf Wunsch jederzeit und ohne organisatorische Hürden ( E-card) die Hilfe und den Rat des Schularztes suchen, auch ohne Einverständnis oder Vorinformation der Eltern.

Erläuterungen : Z 67

Aufgabe des Schulwesens ist Schutz v. S. vor gesundheitl. Gefahren die typischerweise mit der schulischen Ausbildung in Verbindung stehen.

Es kann nicht so sein, dass das BMB nur mehr für von der Schule verursachte Probleme ( Beeinträchtigungen zuständig ist. Beispielhaft ist also der Schularzt nur mehr für eine Verstauchung im Sportunterricht zuständig, aber nicht für die Haltungsschäden durch falsche Schulsitzmöbel? Es wäre sehr interessant dies einer juristischen Prüfung mit einem Präzedenzfall zu unterziehen. Dann wären nämlich Schülerinnen und Schüler deutlich benachteiligt gegenüber Personen in einem arbeitsrechtlichen Dienstverhältnis – Arbeitsmedizin, Betriebsarzt, Arbeitsinspektorat.

Erläuterungen: Zu Daten und Dokumentation: Nach Verständigung der Eltern durch die Schulärzte sind Daten zu löschen. Das widerspricht den Regeln für ärztliche Dokumentationspflicht, ist keinesfalls medizinisch sinnvoll, da dann Vergleich mit Voruntersuchungen nicht möglich wäre. Das ist medizinischer Unfug, und auch in keiner anderen ärztlichen Tätigkeit so ( vom Hausarzt bis zum Krankenhaus und Militär, überall ist die genaue Dokumentation und Speicherung der Daten in gesicherter Art – Datenschutz, Vertraulichkeit – unerlässlich).

 

Paragraph 66a:  Unter dem Titel Gesundheitsvorsorge für die schulbesuchende Jugend, verbirgt sich das Outsourcen fast aller schulärztlichen Tätigkeiten und Belange an das BMGF.

Eine Stellungnahme von diesem liegt aber nicht vor, oder noch nicht vor. Es ist wahrscheinlich, wenn Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten abgetreten werden, dass dann auch die Bezahlung abgetreten werden soll. Diese Annahme gibt es auch bereits in einigen Stellungnahmen.

Die Eltern wurden zu keinem Termin / Verhandlung dieser Punkte eingeladen.

Mag es zwar durchaus sinnhaft sein, dass das BMGF für Impfaktionen zuständig ist, so ist generell die Meinung, dass das BMB nur mehr für „ Schäden“ , die durch den schulischen Betrieb entstehen, zuständig ist, kann man auch hier wieder nur eine juristische Definition erkennen , die keinesfalls mit medizinischen Betrachtungsweisen in Deckung gebracht werden kann.

In der Realität sind all diese Auflistungen nicht praxisorientiert. In keiner Weise wird auf die komplexen Krankheitsbilder im Bereich der Psychosomatik, psychiatrischen Erkrankungen und psychosozialen oder sozialmedizinischen Probleme eingegangen - diese machen aber einen erheblichen Anteil an schulärztl. Kontakten aus ( ca. ein Drittel bis Hälfte). Der Schularzt ist hier erster Ansprechpartner, weil vor Ort tätig, bekannt und als Vertrauensperson akzeptiert. Er setzt die ersten Schritte und kontaktiert weitere Fachkräfte ( Schulpsychologen, Sozialarbeiter, Drogenberater, Jugendanwalt u.s.w.)

In den Erläuterungen zu §66 etwa liest man, dass künftig Kurzsichtigkeit, Haltungsstörungen. Essstörungen oder Adipositas nicht mehr schulärztliche Belange sondern Belange des BMGF sein sollen.

Auch dies sind wieder rein juristische Formulierungen, die im Alltag völlig untauglich sind.

 Beispiel: Kurzsichtigkeit ist oft vererbt, allerdings weiß man nie wann sie erstmals auftritt. Auffällig wird sie jedoch mehrheitlich in der Schule – beim „Auf- die Tafel-schauen“, daheim schaut man ins Heft, da fällt es nicht so rasch auf. Solche Definitionen  sind daher aus meiner Sicht nicht praxisfähig. Betreffend Haltungsschäden wäre es interessant einen Musterprozess anzustreben, in wieweit jedes Schulkind denn wirklich einen seiner Körperstatur angepassten Sessel hat, auf dem die Schüler höherer Schulen oft 40 Wochenstunden sitzen. (aber lt.Lehrplan nur noch eine Sportstunde pro Woche haben).

Hier wird befürchtet, dass auch dadurch einerseits Einsparungen, andererseits Abhängigkeiten entstehen werden.

Gerade jetzt, wo doch diese Unterstützung an Schulen immer mehr gebraucht wird (Mobbing, Anstieg psychiatrischer und psychosomatischer Erkrankungen, Erkrankungen durch vermehrten Gebrauch digitaler Medien – Augen, Neurologie Psychiatrie, Adipositas, Ernährung) kann und darf es aus Sicht der Eltern zu keinen Einsparungen bei Schulärzten und Schulpsychologen kommen. Seit Jahren fordern wir eine deutliche Verbesserung der Ressourcen für Supportpersonal ( im internationalen Vergleich liegen wir weit hinter der Türkei – TALIS Studie 2008), daher ist eine weitere Reduktion keinesfalls möglich.

 

Daher unsere klaren Forderungen:

Auch hier zurück an den Start – Einrichtung eines Gremiums aus beiden Ministerien( BMB und BMGF) unter Einbeziehung der betroffenen Schulärzte, Schulpsychologen und vorallem der Elternvertretungen auf Bundesebene.

Keine Reduktion der Sprechstundenzahl von Schulärzten an Höheren Schulen, also im Bundesschulwesen. Der Berechnungsschlüssel von 1 Stunde / Woche/ 60 Schüler hat sich bewährt und ist medizinisch erforderlich. Daher keine Kürzung.

Für erweiterte Aktionen im Rahmen von Impfaktionen sollten zusätzliche Stunden eingeplant werden. So erstrebenswert höhere Durchimpfungsraten sind, können sie nicht auf Kosten anderer notwendiger Tätigkeiten durchgeführt werden.

Der Schularzt muss Ansprechpartner für alle Schüler und Lehrer bleiben und Erkrankungen und Menschen sind nicht teilbar sondern immer ganzheitlich und personalisiert zu sehen. Daher sollten diese Passagen dahingehend auch geändert werden. Die Ursachen vieler Erkrankungen kennen wir Ärzte nicht genau und können sie auch daher nicht mit Sicherheit nur einem Lebensbereich zuordnen.

 

§66b ist sehr zu begrüßen, sollte sofort umgesetzt werden. Er ist seit Jahrzehnten überfällig, wenn man von der Praxis ausgeht.

Es ist anzumerken, dass vor allem die Eltern in keiner Weise in die geplanten Veränderungen und Gesetzesentwürfe zum Schularztwesen eingebunden waren. Bei den Gesprächen mit den Bundesschulpartnern wurde dieser Teilaspekt nicht behandelt.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Susanne Schmid                                                                            Walter Sturm

Vorsitzende                                                                                          Schriftführer

VEV-Bgld, Verband der EV an mittl. und höheren Schulen des Burgenlandes

Hauptstrasse 15

7301 Deutschkreutz